Hallo ihr Lieben!
Die Diagnose MS habe seit einem halben Jahr. War gerade 19 geworden, hatte mein Abi frisch in der Tasche, mein Leben konnte losgehen. Die Krankheit hat sich einen denkbar schlechten Zeitpunkt ausgesucht. Jetzt studier ich seit dem laufenden Semester, nur irgendwie hat mich die Krankheit mehr aus der Bahn geworfen, als ich dachte. Mein Umfeld, das bescheid weiß, unterstützt mich wirklich, vor allem mein Freund (dem ich seeehr dankbar bin). Nur kann ich mich manchmal, wenn mich mal wieder diese fiesen Gedanken zum Nachdenken bringen, sehr schlecht einschätzen, wie ich meine Zukunft weiter gestalten soll. Wie belastbar werde ich im Studium sein? Zumal ich mich seit der Diagnose sehr für Naturwissenschaften wie Bio und Medizin interessiere, was einen Studienfach/ortwechsel bedeuten würde.
Wie geht ihr mit euren Sorgen in ähnlichen Situationen um? Manchmal weiß ich wirklich nicht weiter.
Liebe Grüße, Jule

Hallo Jule,
ich verstehe Dich total. Mich hat die Diagnose zwar einige Zeit nach dem Studium erwischt, aber zu einem Zeitpunkt wo ich dachte, jetzt wird alles besser und toller. Ich habe endlich meinen Traumjob und dann kam MS und BK. Es wird einem immer gesagt, mann solle sich weniger Stress machen und ein ausgeglichenes Leben führen. Vor Weihnachten hab ich nun die rote Karte bekommen und muß mir wirklich Gedanken um meine Zukunft machen. Ich bin eben nicht Asterix mit Zaubertrank, der alles hinkriegt Beruf, Familie etc. kurz das Superweib. Eine Illusion. Ich bin sicherlich leistungsfähig und mein Kopf funktioniert auch wenn ich mich darum kümmere (bloß zur Zeit unter Chemo ist das echt schwierig) aber ich habe eben meine Grenzen, ich muß dies lernen zu akzeptieren. Mein Leben danach ausrichten. Dinge nicht immer persönlich nehmen. Gar nicht so einfach, wenn man glaubt immer alles schaffen zu können.
Ich denke jetzt hast Du die Chance Dein Studium nach Deiner Interessenlage zu beeinflussen, nur sei Dir über eines bewußt, Du lernst auch sehr viel was Dich vermutlich nicht so brennend interessiert. Schau Dir die Perspektive an, die Du mit dem Studium hast. Läßt sich dies mit Deiner Krankheit vereinbaren? (Ich wollte mit 19 die wltreisende Managerin werden. Die Realität hat mich eingeholt)Ok wir müssen alle flexibel sein und das Studium vermittelt einem primär Handwerkszeug. MS zerstört einem nicht Träume, man muß sie haben, aber eine Portion gesunder Realismus kann bei der Zukunftsplanung nicht schaden. Ich denke, daß man bei MS auch viel selbst machen kann. Nimm die Krankheit positiv, sie läßt Dich reifen. Als ich nach der Diagnose nur noch herumschlich meinte meine Kollegin, wie können wir Dir helfen? Helfen direkt kann einem keiner, denn man muß selbst sich am Schopf packen und sagen, mit mir nicht. Die Krankheit ist Teil des Leben aber nicht das Leben.
Oje heut hab ich meinen Philosophischen. Vielleicht waren ein paar Denkanstöße für Dich dabei.
Liebe Grüße
Antje

Hallo Jule,
bei vielem kann ich mich nur Antje anschließen. Am wichtigsten ist LEBE und höre auf Deinen Körper. Versuche die Krankheit in Dein Leben zu integrieren, ohne Dich dabei verrückt zu machen. Bei Deiner doch recht frischen Diagnose ist das natürlich leichter gesagt als getan.Je nach Charakter geht jeder mit der Diagnose anders um. Meine Diagnose habe ich seit 98, da ich keine schwerwiegend Auswirkungen hatte, habe ich erstmal 4 Jahre verdrängt. Seit 2 Jahren lebe ich bewußt mit der MS. Mit über 40 sind bei mir viele Weichen schon gestellt und ich schaue sicherlich nicht mit soviel Ungewissheit in die Zukunft, wie Du ! Fast jeder mit MS hat immer mal wieder diese Zukunftsängste, da ja keiner weiß, was auf ihn zukommt. Andererseits gibt es oft auch eine positive Entwicklung, man lebt intensiver, bewußter, u. U. auch gelassener. Nur aufgrund Deiner MS das Studienfach zu wechseln ist wenig ratsam. Wichtiger ist etwas zu studieren, was Dir wirklich Freude macht, positiver Streß tut immer gut, auch der MS und, soweit das möglich ist, mit Blick auf die zukünftigen beruflichen Möglichkeiten. Achte auf Deinen Körper und Deine innere Stimme und lege mal ein Päuschen ein, wenn Du merkst es ist zu viel. Setze Deine Meßlatte für Deine Leistung ein bischen niedriger. So was kann man lernen. Mit meiner MS lebe ich ganz normal, bin voll berufstätig, mache viel Sport, Fernreisen. Geändert hat sich nur, weniger Verpflichtungen eingehen, ab und an ein bischen langsamer tun. Ich wünsche Dir alles Gute, hier findest Du immer jmd. der sich Deiner annimmt, egal, ob Di nur Dein Herz ausschütten willst oder konkrete Fragen hast. Liebe Grüße Andrea

Hi Jule,
die Diagnose MS haut wohl jeden erst mal aus den Puschen. Ich bin die erste Zeit wie im Nebel gewesen, alles war irgendwie unwirklich. Einerseits war ich froh, endlich was konkretes in der Hand zu haben (man wollte mich schon als Simulant in eine Psychoklinik einweisen), andererseits konnte ich so gar nichts damit anfangen.Ich habe mich dem ganzen so hilflos ausgeliefert gefühlt. Mit der Zeit habe ich gelernt, mich der Krankheit zu stellen. Wenn etwas Neues auftritt, versuche ich mich schlau zu machen und (wie hier im Chat) andere nach ihren Erfahrungen aus zu quetschen. Je mehr Infos ich habe, desto sicherer fühle ich mich. Man muss wohl einen gesunden Egoismus erlernen, mach Dir bewußt, es geht nur um Dich. Anfangs hatte ich immer das Gefühl von den Ärzten überfahren zu werden. Nun höre ich mir ihre Vorschläge an und versuche heraus zu finden, wie ich dazu stehe, was ich mir für mich vorstellen kann. Mir ist ganz bewußt, wenn ich Stopp sage, dann bin ich niemandem Rechenschaft schuldig. Und wenn ich mal länger für eine Entscheidung brauche, dann ist das eben so. Wie es in mir aussieht, das weiß nur ich. Da lasse ich mir nicht mehr reinquatschen. Es ist immer wichtig andere Meinungen, Sichtweisen und Erfahrungen zu hören, aber letztendlich führe ich Regie. So sehe ich auch “mein Verhältnis” zur MS. Es nützt mir nix, wenn ich ständig jemanden suche, der an den verschiedenen Situationen schuld ist. Ich sehe mich nicht mehr nur als Opfer (das Schiksal ist ja so gemein zu mir), ich versuche vielmehr zu handeln, so wie ich mir das vorstelle und nicht nur zu reagieren. Den einzigen Unterschied zu “Gesunden” sehe ich darin, dass ich in meiner Planung die MS mit einbeziehen muss. Klar bin ich wütend und traurig, wenn ich zum Beispiel mal wieder auf die klappe fliege und oft denke ich “Scheiße, warum immer ich?”. Aber irgendwie komme ich dann wieder hoch und mein Trotzkopf sagt “Wollen wir doch erst mal sehen, ob ich so schnell klein zu kriegen bin”. Nein, MS heißt nicht keine Zukunft mehr zu haben, nur eine Andere. Die Wertigkeiten verschieben sich und vielleicht ist es ja auch eine Chance. Oft denke ich, vielleicht wäre ich ohne ja zum Arschloch mutiert. Klar, das kann auch mit MS passieren, aber ich lebe jetzt jeden Augenblick bewußter und hoffe, ich kann manches jetzt klarer sehen. Dir wünsche ich, dass Du Dir die nötige Zeit gibst, alles erst mal zu verdauen. Mit der Zeit wirst auch Du Deinen Platz finden und mit der neuen Situation zurecht kommen.

Alles Liebe Tina

Mir geht es genauso … bin 28 …fertig mit der Ausbildung (leider hat das Studium nicht ganz geklappt) hab nen coolen Job bekommen und weiss seit nem 1/2 Jahr warum ich nicht mehr weit laufen kann. Ich kann dir nicht viel dazu sagen …denke ich muss auch erst damit fertig werden ! Meine größte Angst ist das ich wohl keinen Partner finden werde - wer will schon mit einem zusammensein bei dem man nicht weiss ob er irgendwann mal ein Pflegefall wird oder ob er gesunde Kinder zeugen kann ?! Leider habe ich zum Jahresanfang meinen Job verloren (nicht wegen der MS) aber das Baut mich natürlich auch nicht grad auf … Zukunftsängte hab ich ständig … aber muss wohl damit Leben -

Hallo Trackball,
was in 10 oder 20 Jahren ist kann keiner sagen. Als die Diagnose MS im Raum stand sagte ein guter Freund zu mir: “Du weißt nicht was morgen ist, Du kannst vor ein Auto laufen und dann bist Du behindert aber nicht wegen der MS” Es hat keiner bis zum Ende seines Lebens die Garantie gesund zu bleiben. Ich habe MS und BK und habe im letzten Jahr geheiratet trotz der Diagnosen. Mein Mann ist eher der Karrierist und muß sich nun auch damit anfreunden, daß seine Frau nicht mehr die ist, die sie einmal war. Vor allem verfüge ich nicht mehr über die Kräfte von früher. Hier prallen manchmal auch Welten aufeinander aber auch er hat in den vergangenen Wochen erkennen müssen, daß auch er nicht unendlich belastbar ist -> Bandscheibe. Klar hab ich auch manchmal Angst ihn an ein gesundes unbeschwertes Häschen zu verlieren. Ich habe im letzten Jahr 3 neue Narben bekommen, bei einem Model-Wettbewerb würde ich wohl nicht mehr antreten können, aber eigentlich sind es Zeichen eines Sieges über ein fieses Biest.
Ich weiß auch noch nicht wie es beruflich nach dem Ende dieses Jahres weiter geht aber ich weiß, daß ich es schaffen werde. Ich habe in letzter Zeit einige Kennengelernt, die Ihr Leben aufgrund einer Krankheit komplett umkrempeln mußten, sich neue berufliche Perspektiven aufbauen mußten. Das hat mich beeindruckt. Auch in unserer Haifischbecken-Wirtschaft ist Platz für uns. Wir müssen manchmal einfach ein bischen kreativ sein um die Plätze zu finden.
Die Thematik einen Partner zu finden, Familie zu gründen etc. die teilst Du auch mit vielen Nichtbetroffenen. Wenn ich in meinem Bekanntenkreis herumschaue (Generation 30 +) so gibt es etliche, die noch immer auf der Suche sind. Ich wünsche Dir, daß Du eine Frau findest, die Dich so annimmt wie Du bist.
Beim Thema Kinder: es gibt viele, die mit MS Kinder bekommen. Lt Auskunft meines Frauenarztes ist MS nicht vererbbar. Fallls man Dir eine Mito-Therapie vorschlägt solltest Du vorher Deine potentiellen Kinder in Sicherheit bringen. Männer können nach einer Chemo keine Kinder mehr bekommen.
Ich weiß es ist einefacher gesagt als getan positiv in die Zukunft zu schauen (ich hab in letzter Zeit genügend dunkle Stunden gehabt) aber es ist eins in den dunklen Stunden zu verharren oder sich am Schopf zu packen und sich zu sagen hey das Leben ist schön. Es hat für jeden von uns viele schöne Seiten. Wir müssen sie aber auch wahrnehmen
Liebe Grüße und alles Gute für Dich
Antje

Vielen vielen Danke für eure Gedanken! Ihr habt es wirklich getroffen. Es meinen nur dummerweise grad so viele gut mit mir, dass es schwierig ist alles/vieles in die Tat umzusetzten… Das Forum hilft mir aber wirklich dabei und es tut gut andere Erfahrungen zu lesen.
Seit meiner Diagnose bin ich von einem richtigen Wissensdurst gepackt und ich WILL WISSEN, was da in meinem Körper anders läuft!
Mal sehn, wo mich das noch hinbringt :slight_smile:
Liebe Grüße und alles Gute für euch, Jule