Patricia Fleischmann: Herzlich willkommen zum ersten AMSEL-Expertenchat im Jahr 2025!
Heute geht es darum, was in einem Befund steht. Klarheit ins Dunkel bringt Dr. med. Martin Rösener, niedergelassener Neurologe aus Stuttgart und Mitglied im Ärztlichen Beirat der AMSEL.
Wenn Sie gleich Teile Ihres Befundes hier in den Chat stellen, bitten wir Sie, darauf zu achten, dass keine Angaben zu Ihrer Person aus Versehen mit dabei sind, also etwa Name oder Geburtstag. Am besten wäre es außerdem, wenn Ihr Nickname nichts mit Ihrem Klarnamen zu tun hat, also lieber "Lillifee" als "Beate".
Auf Ihre Fragen rund um den Befund sind wir sehr gespannt!
Nika:Hallo
Patricia Fleischmann: Hallo Nika, haben Sie eine Frage?
Monte: Guten Abend! Könnten sie mir diesen Satz übersetzen? "Zusammenfassend besteht die Diagnose einer infundibulären Ektasie und kein Aneurysmas.
Dr. Martin Rösener: Hallo Chatgemeinde,
heute hagelt es ja nur so mit Fragen. Vielleicht wissen ja inzwischen alle Patienten, was in ihren Befunden steht. Deshalb will ich zu Beginn mal grundsätzlich etwas zu den Befunden sagen. Arztberichte werden für andere Ärzte und nicht für medizinische Laien geschrieben. Damit sie kurz und genau sein können, bedienen wir uns einer Fachsprache, die eben nicht von jedem verstanden wird. Natürlich muss ein Arzt immer auch in der Lage sein, das, was in den Berichten steht, in verständlicher Form den Patienten mitzuteilen. Heute Abend soll es genau darum gehen. Wie kann man medizinische Befunde in verständlicher Sprache erklären?
Jetzt zur Frage: eine infundibuläre Ektasie beschreibt einen besonderen Gefäßabgang im Gehirn. Es handelt sich um eine Normvariante und eben nicht um ein Aneurysma, welches einen krankhaften Gefäßbefund darstellt.
Monte: Dankeschön!
Dr. Martin Rösener: Immer wieder gerne!
Dr. Martin Rösener: Wenn tatsächlich keine Fragen gestellt werden, können Sie mir dann wenigstens eine Frage beantworten? Sind die Arztberichte für Sie in der Regel verständlich? Werden sie meistens von den Ärzten gut erklärt? Vielleicht gibt es ja gar keine Bedarf für so eine Diskussion.
Jessy:Hallo
Patricia Fleischmann: Hallo Jessy!
Katja: Hallo! Was heißt bitte "ventrikulotop" und welche Bedeutung hat das bei MS?
Dr. Martin Rösener: Dabei handelt es sich um eine Beschreibung der Lokalisation der Demyelinisierungsherde bei der Multiplen Sklerose in der Kernpintomographie. Normalerweise sind diese Herde um die Nervenwasserräume (Ventrikel) im Gehirn gelegen.
Katja: Und wofür steht "zeitliche Disseminatiion"?
Dr. Martin Rösener: Die zeitliche Dissemination ist eines der Kriterien, die für die Diagnose der Multiplen Sklerose erforderlich ist. Sie beschreibt die zeitliche Verteilung von Ereignissen bei den Symptomen oder in der Kernspintomographie. Für die Diagnose müssen zwei zeitlich verschiedene Ereignisse dokumentiert sein.
Jessy: Hallo, was bedeutet dieser Satz?
Kein myelopathischer Fokus am zervikalen und thorakalen Myelon
Dr. Martin Rösener: Das bedeutet, dass es keine Auffälligkeiten im Rückenmark der Hals- oder Brustwirbelsäule gibt. Das ist also ein sehr guter Befund.
Jessy: Sehr gut
Katja: Ich muss immer lange googeln, um meine Befunde zu verstehen. Meist spreche ich direkt nach dem MRT mit dem Radiologen. Die Einschätzung von Radiologe und Neurologe, was das Abgebildete für Auswirkungen für mich hat, geht oft auseinander. Woran kann das liegen?
Dr. Martin Rösener: Radiologen und Neurologen haben unterschiedliches Wissen. Der Radiologe kennt nur die Bilder. Der Neurologe kennt Sie als Patienten und Ihren neurologischen Befund. Von den radiologischen Befunden alleine, kann man kaum je auf die Symptome schließen. Da sollten Sie sich im Zweifel auf die Aussagen des Neurologen verlassen.
Jessy: Was bedeutet dieser Satz?Unspezifische moglicherweise tubulare signalarme Struktur am teils miterfassten linken Kleinhirn
Dr. Martin Rösener: Bisher beziehen sich fast alle Fragen auf radiologische Befunde. Offensichtlich bedienen sich die Radiologen einer besonders blumigen Sprache. Wenn eine Bezeichnung mit 'unspezifisch' beginnt, ist es in der Regel kein gravierender Befund. Eine tubuläre Struktur ist eine röhrenförmige Struktur. Signalarm bedeutet in der Kernspintomographie, dass die Struktur in bestimmten Sequenzen dunkel dargestellt wird. Hier wird offensichtlich ein Befund im Kleinhirn beschrieben, der sich röhrenförmig darstellt und keine wesentliche Bedeutung hat.
Monte: Zu ihrer Frage: Arztberichte sind ganz und gar nicht verständlich. Ich habe mir viel mit Hilfe von Google "übersetzen" lassen. Die Ärzte (außer MS-Ambulanz) wirken immer gestresst.
Dr. Martin Rösener: Man kann schon das Internet und Suchmaschinen zur Hilfe nehmen, um Befunde besser verstehen zu können. Allerdings ist es schon klug, die Fragen, die man hat, doch mit einem Arzt zu besprechen. Im Internet kann man alles finden, auch dass Elvis noch lebt.
Jessy: Ich hatte kurz davor 1 MRT Kopf ohne Kontrastmittel und 1 MRT Kopf mit Kontrastmittel . Sieht man im Mrt Kopf auch das Kleinhirn? Weil dieser Satz stand in meinem Mrt Hals und Brustwirbelsäule.
Dr. Martin Rösener: Im MRT des Kopfes ist immer auch das Kleinhirn vollständig abgebildet. Auf den MRT Aufnahmen der Halswirbelsäule sieht man meist am oberen Rand noch einen Teil des Kleinhirns. Deshalb gab es den Hinweis auf das nur teilweise erfasste Kleinhirn.
Inge: Guten Abend Herr Dr. Rösener,
zu Ihrer Frage, ob die Arztberichte verständlich sind. Für mich sind die Arztberichte nicht verständlich und beim Neurologen kann meist nicht alles besprochen werden. Deshalb suche ich mir vor dem Neurologentermin die Fachwörter selbst aus dem Internet raus und versuche schonmal vorab die Diagnosen zu verstehen.
Herzliche Grüße, Inge
Dr. Martin Rösener: In einer idealen Welt könnten Sie mit Ihrem Neurologen alle wichtigen Fragen klären. Leider ist nicht alles immer ideal.
Katja: Wie würden Sie einen 1,5mm kleinen weißen Fleck im Stammhirn im MRT beurteilen? Kann das von der MS kommen, und, wenn nicht, wie kann es sonst dazu kommen? Mein Arzt sagte, es komme eher nicht von der MS, sei aber auch nicht schlimm.
Dr. Martin Rösener: Einen solchen, kleinen Fleck würde der Radiologe wahrscheinlich wieder als 'unspezifisch' beschreiben. Dabei kann man dann nicht entscheiden, ob es sich um die Folgen einer abgelaufenen Entzündung, einer Durchblutungsstörung, einer Anlagestörung oder etwas anderes handelt. Wichtig ist dann immer zu klären, ob der Fleck schon auf früheren Aufnahmen zu sehen war.
Viola: Stimmt es, dass man auch bei vielen Gesunden Läsionen im Gehirn findet? Wären das nicht alles Radiologisch isolierte Symptome?
Dr. Martin Rösener: Ja, das stimmt. Auch bei vielen Gesunden findet man in der Kernspintomographie Läsionen. Die Anzahl nimmt im Laufe des Lebens zu. Es handelt sich meist nicht um Narben nach Entzündungen, deshalb sind es eben nicht radiologisch isolierte Syndrome. Meist handelt es sich um die Folgen kleinster Durchblutungsstörungen.
Viola: Danke, klasse, dass man hier Fragen stellen kann!
Patricia Fleischmann: Gerne. Dafür sind wir da :-)
Jessy: Eine Frage hätte ich noch.
Was bedeutet dies?
Zwei ED-typische Demyelinisierungsherde periventrikulär beidseits sowie in wveiterer kleiner
Demyelinisierungsherd rechts emporal (Serie 6 Bild 28). Keine Difusionsstörung und kein KM-
Enhancement, somit keine akute entzündliche Aktivität. Kein Nachweis infratentorieller Herde.
Dr. Martin Rösener: Das ist eine typische Beschreibung einer Kernspintomographie des Kopfes bei einem Patienten mit Multipler Sklerose. Es fanden sich offensichtlich nur 3 Läsionen. Zwei davon lagen in der unmittelbaren Nähe der Nervenwasserräume (Ventrikel) und einer lag im Schläfenlappen re.. Zum Zeitpunkt der Untersuchung gab es keine akute, entzündliche Aktivität, deshalb fand sich keine Diffusionsstörung und keine Kontrastmittelaufnahme. Die Herde müssen damit schon älter sein. Das ganze Kleinhirn war frei von Läsionen.
Monte: "Es handelt sich meist nicht um Narben nach Entzündungen, deshalb sind es eben nicht radiologisch isolierte Syndrome." Kann man die Unterschiede eindeutig auf MRT Bilder erkennen?
Dr. Martin Rösener: Nein, auf den kernspintomographischen Aufnahmen kann man das nicht unterscheiden. Die Herde sehen meist gleich aus. Zur Diagnose einer Multiplen Sklerose wird deshalb fast immer der Nachweis entzündlicher Aktivität im Nervenwasser gefordert.
Viola: Noch eine Frage: "fokal neurologisches Defizit"?
Dr. Martin Rösener: Das ist jetzt mal eine Aussage zu einem neurologischen Befund. Damit bezeichnet man eine umschriebene, neurologische Störung z. B. eine Gefühlsstörung oder eine Lähmung.
Jessy: Können eigentlich 3 Läsionen von einem Schub kommen oder hatte man dann schon mehrere Schübe?
Dr. Martin Rösener: Beides ist möglich. Das kann man in einer Kernspintomographie nicht unterscheiden. Damit sind wir wieder bei der zeitlichen Dissemination. Das unterschiedliche Auftreten von Läsionen kann man in einer einzelnen Kernspintomographie eben nicht bestimmen.
Jessy: Dankeschön
Dr. Martin Rösener: Gern geschehen.
Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, noch wenige Minuten für eine letzte Frage, heute hier im Multiple-Sklerose-Chat der AMSEL.
Inga: Kann eine Läsion komplett ohne Narbe abheilen?
Dr. Martin Rösener: Die Läsion ist die Narbe nach einer abgelaufenen Entzündung. Wenn die Entzündung sehr klein ist und vielleicht ganz schnell mit Kortison behandelt wird, dann kann sich auch mal keine Narbe bilden.
Inge: Mein Wunsch wäre, dass es so eine Art Übersetzungsbroschüre für MS-Patienten geben würde. Zumindest für die am häufigsten vorkommenen Diagnosen, Beschreibungen der MRTs von Kopf; BWS und HWS bei MS Patienten. Ich denke, man könnte dann als MS-Patient von vornherein besser und spezifischer darüber mit dem Neurologen sprechen und müsste sich nicht erst alles vom Neurologen erklären (übersetzen) lassen. Oder gibt es so etwas bereits. Das wäre zumindest mal eine Idee, finde ich.
Viele Grüße, Inge
Dr. Martin Rösener: Mir ist nicht bekannt, dass es so etwas bereits gibt. Das ist aber eine interessante Anregung für die AMSEL.Vielleicht kann so etwas ja mal für die Mitglieder erarbeitet werden.
Inge: Mein Wunsch wäre, dass es so eine Art Übersetzungsbroschüre für MS-Patienten geben würde. Zumindest für die am häufigsten vorkommenen Diagnosen, Beschreibungen der MRTs von Kopf; BWS und HWS bei MS Patienten. Ich denke, man könnte dann als MS-Patient von vornherein besser und spezifischer darüber mit dem Neurologen sprechen und müsste sich nicht erst alles vom Neurologen erklären (übersetzen) lassen. Oder gibt es so etwas bereits. Das wäre zumindest mal eine Idee, finde ich.
Viele Grüße, Inge
Patricia Fleischmann: Liebe Inge, die Idee nehmen wir gern auf, danke! Meines Wissens gibt es so etwas nicht. Einfache MS-Lexika ja, aber keine Broschüre, die MRT-Bilder, Fachsprache und Bedeutung im Zusammenhang erklären würde.
Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, haben Sie vielen Dank für Ihre interessanten Fragen, Antworten und Beiträge!
Ein riesiges DANKESCHÖN geht an Dr. Martin Rösener, der sich heute Abend die Zeit genommen hat, zu antworten.
Für heute schließt der Chat, nur um am 18. Februar wieder zu öffnen, Thema und Experte erfahren Sie wie immer vorher über amsel.de oder den AMSEL-Newsletter.
Einen schönen weiteren Abend für alle und bleiben Sie so gesund als möglich 👋
Inge:Ich fände so etwas eine Erleichterung für Patient und Neurologe, die dadurch vielleicht auch kostbare Zeit im Patientengespräch sparen würde, bzw. dann mehr Zeit für andere Fragen/Themen übrig wäre.
Viele Grüße und noch einen schönen Abend, Inge
Monte: 👋
Redaktion: AMSEL e.V., 21.01.2025