Symptome bei MS

Auch Bewegen hilft bei Spastik, rät PD. Dr. med. Peter Flachenecker im Chat vom 15. März 2005.

Moderator Patricia Fleischmann: Herzlich willkommen an diesem herrlichen Frühlingsabend zum AMSEL Chat! Als Experten zum Thema Symptome begrüße ich heute Dr. Peter Flachenecker!

Rosa: Sehr geehrter Dr. Peter Flachenecker, ich habe starke Empfinungsstörungen augrund der MS. Eine Neurologin hat mir deshalb Neurium Hexal in Tablettenform gegeben. Gibt es Erfahrungen mit diesem Medikament bei MS? Mir wurde gesagt, es sei dafür nicht zugelassen. - Danke für Ihre Bemühungen!

Dr. Peter Flachenecker: Hallo Rosa! Neurium ist alpha-Liponsäure, das bei der diabetischen Neuropathie (also einer Nervenerkrankung bei erhöhtem Blutzucker) helfen kann, vor allem bei starken Missempfindungen. Bei der MS wurde eine Wirksamkeit bisher nicht nachgewiesen. Sie schreiben nicht, ob Sie Missempfindungen wie schmerzhaftes Kribbeln, oder ein Taubheitsgefühl haben - bei ersterem können verschiedene Antiepileptika wie Carbamazepin oder neuerdings auch Gabapentin (Neurontin) versucht werden. Viele Grüße

Yvonne: Hallo, vor nunmehr 2 Jahren wurde bei mir MS festgestellt. In dieser Zeit wurden 4 Schübe diagnostiziert und mit Urbason behandelt. Sind das im Vergleich zu anderen MS-Betroffenen viele Schübe? - Im Dez. 2003 wurde zudem ein Fatigue-Syndrom diagnostiziert. Die extremen Müdigkeitsanfälle werden mit Vigil behandelt. Seit etwa der Zeit habe ich auch extreme Probleme, mir Dinge zu merken. Hängt das mit dem Medikament oder allgemein mit der MS zusammen? - Viele liebe Grüße und vielen Dank im Voraus!

Dr. Peter Flachenecker: Hallo Yvonne! Tatsächlich sind 4 Schübe in 2 Jahren deutlich mehr als der Durchschnitt (etwa 0,5 - 0,8 Schübe pro Jahr) und prinzipiell ein Grund, mit einer immunmodulierenden Therapie anzufangen. Vigil ist eine gute Option für das Fatigue-Syndrom, hilft es denn bei Ihnen? Die Merkfähigkeitsstörungen sollten nicht dadurch bedingt sein, können aber mit der MS insgesamt zusammenhängen. Hier rate ich zu einer neuropsychologischen Untersuchung. Beste Grüße

Marc: Hallo,bei mir wurde MS in 04/2004 diagnostiziert. Ich bin 30 Jahre alt. Als Symtome gaben sich Schindelattaken, schwankendes gehen und Sprechstörungen und wurde nach der Diagnose mit Cortison behandelt. Bis heute sind die Symtome noch vorhanden, aber sehr selten und schwach, sodass mich die Krankheit bei meiner Arbeit sehr schwach behindert. Vorbeugend wurde bei mir noch nichts unternommen.Sollte ich mit einer Therapie noch warten, bis sich deutliche Anzeichen eines Schubes zeigen?

Dr. Peter Flachenecker: Hallo Marc! Sie sprechen das wichtige Thema einer frühzeitigen Therapie an. Mittlerweile kann man in bestimmten Fällen bereits nach dem ersten Schub behandeln, das hängt dann u.a. von den Ergebnissen der Kernspintomographie (MRT) ab. Falls in der ersten MRT-Untersuchung keine oder nur sehr wenige Herde waren, könnte man jetzt eine erneute Untersuchung durchführen und vergleichen, in Abhängigkeit davon müsste man dann über eine vorbeugende Therapie nachdenken. Viele Grüße

Siggi: Wie kann man der Spastik entgegenwirken ohne antispastische Mittel dauernd einzunehmen.

Dr. Peter Flachenecker: Hallo Siggi! Antispastische Mittel sind ja nur eine Möglichkeit, die Spastik zu reduzieren. Wichtiger, und mit weniger Nebenwirkungen behaftet sind nicht-medikamentöse Maßnahmen wie regelmäßige Krankengymnastik oder Übungen am Moto-Med-Rad, bei dem man sowohl aktiv treten als auch sich passiv durchbewegen lassen kann, was die Spastik auch löst. Viele Grüße

sassa: Guten Abend, ich möchte gerne wissen, welches Mittel (möglichst ohne Nebenwirkungen) gegen Müdigkeit, Konzentrationsschwäche und Vergesslichkeit hilft. Ich leide momentan sehr darunter und diese Flüchtigkeitsfehler im Job nerven mich sehr. Vielen Dank

Dr. Peter Flachenecker: Hallo Sassa! Die berichteten Symptome sind häufig, aber auch schwer zu behandeln und sicherlich nicht mit einem Mittel zu lösen. Zur Behandlung der Müdigkeit (Fatigue) kommt einmal ein körperliches Ausdauertraining in Frage (Fitnesstraining), Kälte kann auch helfen, zum anderen gibt es verschiedene medikamentöse Möglichkeiten, die versucht werden können (neuere Antidepressiva wie Cipramil, aber auch PK-Merz oder Vigil). Die Konzentrationsschwäche und Vergesslichkeit sollte zunächst durch eine neuropsychologische Untersuchung objektiviert werden, in Abhängigkeit davon kann man ein gezieltes neuropsychologisches Training durchführen. Beste Grüße

Marc: Ergänzend zu meiner Frage: (Marc, 30 Jahre): Wenn ich eine Therapie machen würde, welche würde für mich am besten sein?

Dr. Peter Flachenecker: Da bitte ich um Verständnis, dass ich eine individuelle Therapieberatung über das Internet und ohne dass ich Sie persönlich gesehen und untersucht habe nicht beantworten kann. Das müssten Sie mit Ihrem behandelnden Neurologen besprechen, o.K.? Viele Grüße

Momo: Sehr geehrter DR. Flachenecker, ich bin 51 und habe die MS seit 3 Jahren. Nach Cortison schien alles wieder in Ordnung. Ich fing mit Copaxone an und mußte wegen Nebenwirkungen aufhören- obwohl ich 1,5 Jahre keine Schübe hatte und mit Copaxone gut zurechtkam. Ich nahm anschließend Rebif und seitdem läßt meine Gehfähigkeit stark nach- nehme Rebif jetzt seit 3/4 Jahr. Kann das am Medikament liegen oder heißt das daß die MS weiter fortgeschritten ist, auch wenn im MRT keine neuen Herde sind.

Dr. Peter Flachenecker: Hallo Momo! Was waren denn das für Nebenwirkungen unter Copaxone? Ihr Verlauf dürfte nun am ehesten dem sekundär chronisch-progredienten Verlauf entsprechen, bei dem es auch unabhängig von neuen Herden zu einer schleichenden Verschlechterung kommen kann. Ich denke, dass diese Verschlechterung nicht wegen, sondern trotz Rebif aufgetreten ist. Wenn tatsächlich eine rasche Progredienz vorliegt, sollten Sie mit Ihrem Neurologen besprechen, ob nicht eine andere Therapie (wie Mitoxantron) infrage kommen könnte. Viele Grüße

Andrea: Ich (41 Jahre alt) bin im Oktober 2004 nach einer fruchtlosen 2-monatigen medizinischen Odyssey diagnostiziert worden. Ich lebe permanent in Shanghai. Meine Diagnose erhielt ich schliesslich in der Euromed Clinic in Fuerth. Multiple Laesionen im Gehirn, Lhermitte Zeichen, entsprechendeLaborergebnisse. Die Kortisongabe konnte erst im November erfolgen, da ich zu allem Pech auf der Reise noch eine Lungenentzuendung bekommen hatte und erst nach drei Wochen Antibiotika gruenes Licht bekam. Meine zahlreichen, aber ausschliesslich sensiblen Symptome (Vibrationen, elektrische Stroeme, Ameisen, Brennschmerzen, Kneifschmerzen) verschlechterten sich nach der Kortisongabe erst einmal dramatisch. Nach Weihnachten kam es endlich zu einer Verbesserung. Mitte Januar konnte ich sogar wieder mit sportlicher Betaetigung beginnen, habe es aber offenbar falsch angefasst. Ich begann mit Yoga, was ja eigentlich hilfreich sein soll. Scheinbar haben die uebertriebenen Nackenbewegungen aber die Narbenbildung erheblich gestoert. Mein Symptomcocktail lebte wieder heftig auf und veranlasste mich nach Deutschland zurueckzukehren. In zahlreichen MRIs und anderen Tests konnten keine Progredienz oder akute entzuendliche Prozesse festgestellt werden. Ausserdem bin ich in der MS-Sprechstunde an der Uni Wuerzbzurg zu einer Zweitmeinung erschienen. Erstmeinung und Zweitmeinung decken sich vollkommen. Seit Dezember nehme ich Rebif 22 und Neurontin (2100 und ausschleichend im Moment). Viele der "grossen" Symptome haben sich verbessert, das Lhermitte Zeichen ist fast vollkommen verschwunden - die zahlreichen "kleinen" Symptome manifestieren sich jedoch fast staendig. "Grummeln" in den Fersen, "Ziepen" in den Haenden, sanftes Druckgefuehl in manchen Beinmuskeln, leichtes Vibrieren im Schritt etc. Aus Angst die Narbe zu aergern, verzichte ich nun auf fast jede Sportart und bewege mich auch sonst eher uebervorsichtig und unnatuerlich. Meine Frage: Bleibt mir das "kleine" Zeug nun auf Ewig erhalten? Reize ich die grossen Symptome wieder heraus, wenn ich "normal", sprich aktiv lebe? Habe ich es hier mit einem prognostisch unguenstigen Zeichen zu tun? Gibt es ausser Gabapentin noch einen anderen medikamentoesen Ansatz zur symptomatischen Behandlung? Mir hat es von Anfang an nicht wirklich etwas gebracht. Vielen herzlichen Dank im Voraus fuer Ihre Meinung!

Dr. Peter Flachenecker: Hallo Andrea! Ich würde Sie geradezu ermuntern, "normal" zu leben und auch sportlich aktiv zu sein - offensichtlich geht es Ihnen dabei gut! Es gibt keine Hinweise darauf, dass sportliche Betätigung für die MS schädlich wäre. Im Gegenteil kann Sport nicht nur das Wohlbefinden fördern, sondern auch sog. Nervenwachstumsfaktoren anregen, die einen eher positiven Effekt auf die Rückbildung haben können. Prognostisch ungünstig sind Sensibilitätsstörungen nicht, eher im Gegenteil günstig für den weiteren Verlauf. Gabapentin ist schon ein gutes Mittel für schmerzhafte/kribbelnde Missempfindungen, wenn das nicht wirkt, könnte man noch Carbamazepin versuchen. Ich hoffe, diese Antworten helfen Ihnen. Viele Grüße

Momo: Zu Nebenwirkungen von Copaxone.Ich habe Dellen Lipodistrophie.,also richtig große Dellen an vielen Hautstellen. Momo

Dr. Peter Flachenecker: O.K., das sind bekannte Nebenwirkungen von Copaxone.

Nane: Lieber Dr. Flachenecker, alles begann damit, dass ich mich in meinem Bett wohlig streckte, als mich plötzlich alle Kraft verließ und ich völlig zusammenklappte. Das Ganze verlief ohne Nachwirkungen, außer, dass ich ab da beim Strecken aller Muskeln immer das Gefühl hatte, die Muskeln seien schwach. Das war vor ca. 3 Wochen. Dann bekam ich eine Magengrippe, und seitdem habe ich dieses seltsame Schwächephänomen. Meine Beine und Arme fühlen sich total schwach an. Es ist nicht immer gleich, am schlimmsten ist es nach dem Aufstehen,oder wenn ich lange gesessen habe, zwischendurch war es schon mal ganz weg, aber seit einigen Tagen ist es wieder richtig schlimm, und ich habe Angst. Mein Onkel hatte MS als ich ein Kind war, und ich kann mich dunkel entsinnen, dass er immer über Muskelschwäche klagte. Zwar erreichte er das höchste Alter aller Familienmitglieder (94 Jahre), aber er konnte nicht gut laufen und überhaupt: wer will schon MS haben? Deshalb habe ich eine furchtbare Panik. Ich habe auch etwas erhöhte Temperatur und immer wieder das Gefühl, ich sei noch nicht richtig gesund. Eingeleitet wurde meine Magengrippe durch nächtliches starkes Herzklopfen vor dem Einschlafen, während der Grippe hatte sich schwache, aber ständige Herzrhythmusstörungen (ich habe einen ganz leichten, wahrscheinlich angeborenen Herzklappenfehler, deshalb kenne ich das schon), die nun ganz weg sind; das Einzige, was immer noch da ist, ist diese Muskelschwäche. Ich muss dazu sagen, dass ich sehr sportlich bin und Krafttraining mache, welches auf Grund beruflicher Anforderungen und der Grippe seit ca. sechs Wochen ausfällt. Könnte das ein Grund für dieses Gefühl sein? - Meine Frage ist: sollte ich mich auf MS untersuchen lassen? Reichen die Erscheinungen aus, um überhaupt einen Verdacht zu rechtfertigen? Oder sieht das Ganze mehr nach Stress- bzw. psychischen Symptomen aus oder hat mit dem Virus zu tun? Ich bin ja auf MS nur wegen meines Onkels gekommen, und dann las mir jemand die Hand und sagte: "Du könntest eine Autoimmunkrankheit haben." Mir wurde schlecht! Fakt ist, dass es mir seit dieser Aussage immer schlechter ging, deshalb hoffe ich ja immer noch, nur hysterisch zu sein. - Vielen Dank für Ihre Antwort.

Dr. Peter Flachenecker: Hallo Nane! Ohne dass ich auf die Ferne eine Diagnose stellen kann, klingt Ihre Krankheit doch zunächst einmal wie ein Infekt. Muskelschwäche kann viele Ursachen haben, u.a. auch im Rahmen eines Infektes auftreten, sollte aber unbedingt von einem Neurologen untersucht werden. Die MS diagnostiziert man nicht durch "aus der Hand lesen", und wenn ein Onkel MS hatte (sofern diese Diagnose überhaupt stimmt), heißt das noch lange nicht, dass Sie MS haben müssen, denn die MS ist keine Erbkrankheit. Also: gehen Sie unbedingt zu einem Neurologen, der muss Sie ja nicht "auf MS" untersuchen, sondern weiß schon, was zu tun ist! Viele Grüße

Momo: Hallo _ Mein Arzt hat sich auch bereits Mitoxantron überlegt, hat es aber vom MRT abhängig gemacht. Aber da ich keine neuen Herde habe, solle ich zunächst mal mit dem Rebif weitermachen und in 1/4 Jahr wiederkommen. Halten Sie das für ausreichend? Ehrlich gesagt fürchte ich mich etwas vor dem Mitox und dachte, daß ich noch noch mehr Zeit bis dahin hätte. Denn mit Mitox hat man ja schon beinahe alle Mittel ausgereizt.Viele Grüße Momo

Dr. Peter Flachenecker: Ja, das ist ein guter Vorschlag. Sie haben natürlich recht, dass Mitoxantron ein Mittel der Therapieverstärkung ist, aber wenn der Krankheitsverlauf es erfordert, sollte man es auch rechtzeitig einsetzen. Viele Grüße

Moderator Patricia Fleischmann: Uns bleiben noch weitere 10 Minuten, liebe Chatter, fragen Sie ruhig weiter!

lilli: Hallo Herr Dr. Flachenecker, was kommt nach Mitox ? Gibt es da schon Ideen?

Dr. Peter Flachenecker: Hallo Lilli! Ideen gibt es viele, aber noch nichts, was absehbar verfügbar wäre. Eine sehr gute Idee, die auch gut gewirkt hatte, nämlich Tysabri, ist aufgrund schwerwiegender Nebenwirkungen wieder vom US-Markt genommen worden (mehr dazu auf der AMSEL-Homepage). Beste Grüße

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, der Chat schließt für heute. Offene Fragen werden freilich noch beantwortet. Weiter geht's am 5. April. Bis dahin allen einen schönen Start in den Frühling und herzlichen Dank an Dr. Flachenecker!

Redaktion: AMSEL e.V., 04.04.2005