Spastik und Schmerz

Moderator Jutta Hirscher: Guten Abend, liebe Chatter, Herr Dr. van Schayck steht für Ihre Fragen bereit. Heute geht es um Spastik und Schmerzen.

alf: Ich leide seit 7 Monaten an immer wiederkehrenden brennend und stechenden Schmerzattacken vom Lendenbereich ausstrahlend in die Blasen und Leistengegend.Schmerzfrei bin ich fast nie, doch es gibt Tage,da sind die Schmerzen erträglich u. dann kommen wieder diese Attacken. Habe schon einen Ärztemarathon hinter mir. Wurde lange Zeit auf Darmbeschwerden behandelt, doch organisch ist alles OK. Mittlerweile war ich auch schon bei vielen Neurologen, aber keiner konnte mir bis jetzt helfen.Blutbefunde sind alle bestens, auch auf Tropenviren u. Borellien hin wurde ich untersucht. Ich weiß nicht mehr weiter, noch dazu steht in 2 Wochen meine Hochzeit bevor und ich habe fürchterliche Panik, daß ich nicht genau dann eine Attacke habe! Vielleicht haben Sie einen Rat für mich Vielen Dank!

Dr. Rudolf van Schayck: Lieber Alf, eine kurze Rückfrage: Leiden Sie an MS und treten die Schmerzen im Rahmen der MS auf?

alf: Nein, bin Schmerzpatient

Dr. Rudolf van Schayck: Rückenschmerzen mit und ohne Ausstrahlung können sehr viele Ursachen haben. Aufgabe des Neurologen ist es, Störungen an Gehirn, Rückenmark und Nerven als Ursache der Schmerzen zu erkennen. In Ihrem Fall ist neben einer neurologischen Untersuchung möglicherweise auch Bildgebung mit MRT von Kopf und Rückenmark notwendig. Bei sehr starken unerklärlichen Schmerzen kann auch eine Krankenhausabklärung notwendig sein. Der brennende Schmerzcharakter spricht für einen Nervenschmerz (neuropathischen Schmerz). Hier können als Schmerzmedikamente Lyrica und Neurontin sinnvoll sein. Haben Sie dies bereits mit Ihrem Neurologen besprochen? Für die Hochzeit würde ich Ihnen ein gut wirksames und verträgliches Schmerzmedikament: Novalgin als Tablette oder Tropfen empfehlen. Zur Hochzeit wünsche ich Ihnen alles Gute.

carmen: Welche mittel helfen bei ms-bedingter spastik? gibt es medikamente?

Dr. Rudolf van Schayck: Die 1. und wichtigste Behandlung der Spastik ist geeignete Physiotherapie. Medikamente kommen immer erst an 2. Stelle. Am häufigsten eingesetzt werden Baclofen (Lioresal) und Tizanidin (Sirdalud). Man muß immer kritisch die erwünschte Wirkung gegenübersetzen zu unerwünschten Nebenwirkungen. Dies ist vor allem: Müdigkeit, Schwindel, Überkeit, Unwirksamkeit.

Bernd: Nach ein paar 100 Metern wird mein linker Fuß ungelenk und steif. Ich nehme Linoresal, aber meine Beschwerden bleiben. Mir hilft kurzfirstig, meinen Fuß in kaltes Wasser zu halten. Gibt es Medikamente, die meine Beschwerden lindern.

Dr. Rudolf van Schayck: Das finde ich sehr interessant. Tatsächlich kann eine Spastik durch physikalische Reize verschlimmert oder auch verbessert werden. Auch in Ihrem Fall würde ich zunächst in erster Linie zu gezielter Krankengymnastik raten. Dann muß man schauen, ob Lioresal in ausreichender Menge verabreicht wird. Medikamentöse Alternativen sind ansonsten Tizanidin (Sirdalud) oder das antispastisch wirksame antiepileptische Medikament Gabapentin (Neurontin).

Bernd: Herr Dr. van Schayck, ich finde es auch interessant, dass physikalische Reize, die Spastik verstärken aber auch verbessern können. Meine Erfahrung ist einfach, dass mir gerade an heißen Tagen eine kalte Dusche am Morgen besser als alles andere hilft und ein kaltes Fußbad am Abend, um das Kribbeln und Brennen im Fuß loszuwerden.

Bernd: Nach ein paar 100 Metern wird mein linker Fuß ungelenk und steif. Ich nehme Linoresal, aber meine Beschwerden bleiben. Mir hilft kurzfirstig, meinen Fuß in kaltes Wasser zu halten. Gibt es Medikamente, die meine Beschwerden lindern.

Dr. Rudolf van Schayck: In welcher Dosis nehmen Sie Lioresal ein? Eine elegante Methode zur Behandlung einer fokalen Spastik (Spastik weniger Muskelgruppen) kann auch die Injektion von Botulinum Toxin in den betroffenen Muskel sein. Dadurch wird die Spastik verringert, ohne dass der Muskel komplett gelähmt wird. Botulinumtoxin ist gut verträglich, was man u.a. daran erkennen kann, dass es in der Schönheitsbehandlung zur Faltenglättung im Bereich der Stirn eingesetzt wird. Es kann eben auch bei umschriebener Spastik bei MS gut eingesetzt werden.

carmen: Welche krankengymnastik ist denn richtig? Es gibt doch so viele verschiedene arten.

Dr. Rudolf van Schayck: Diese Frage ist jetzt wieder bei mir aufgetaucht. Also 2. Antwort: Bei Spastik und MS werden als Physiotherapie-Schulen vor allem Bobath-Therapie und weniger häufig PNF (Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation) eingesetzt. Hilfreiche Zusatzbehandlungen sind medizinische Trainigstherapie, Therapiegeräte wie Motomed (hilfreich bei Spastik der Beine) und physikalische Behandlungsmethoden. Diese werden in vielen Physiotherapiepraxen zusätzlich angeboten.

Luis: Zu welchen Übungen würden sie den in Bernds Fall raten??

Dr. Rudolf van Schayck: Entschuldigung, meine Antwort ist irgendwie im Datenorbit verschwunden. Also noch einmal: Geeignet sind Physiotherapie nach Bobath oder PNF (Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation). Zusätzlich könnten hier manuelle Therapie und Muskeldehnung sinnvoll sein. Das erkennt ein erfahrener Physiotherapeut/in aber aufgrund seiner/ihrer Erfahrung.

Dr. Rudolf van Schayck: Bei Bernds Problem könnte weiterhin auch medizinische Trainingstherapie und Übungsgeräte wie Fahrradergometer und Motomed ergänzend eingesetzt werden. Das kontrolliert und empfiehlt aber auch die Physiotherapie.

Moderator Jutta Hirscher: Liebe Chatter, leider gibt es technische Probleme, die die Beantwortung der Fragen verzögern. Ich bitte um etwas Geduld.

carmen: Wie erkenne ich einen erfahrenen physioteapeuten?

Dr. Rudolf van Schayck: Das ist tatsächlich gar nicht so ganz einfach, da viele Physiotherapeuten in der Praxis auch orthopädische Patienten und Kinder behandeln. Bitte fragen Sie also nach Erfahrung mit neurologischen Patienten. Eine typische Schule zur Behandlung von neurologischen Patienten in die sog. Bobath-Therapie. Auch danach kann man fragen.

Bernd: Das ist leider auch meine Erfahrung. Ein gezielte PT für neurologische Beschwerden und Spastiken habe ich noch nicht gefunden. Das war eher allgemeine PT für Unfällte, Reha etc. Nach Bobath-Therapie werde ich mal fragen.

carmen: wie oft soll kann man physiotherapie kriegen? Was ist am besten?

Dr. Rudolf van Schayck: Die Häufigkeit von Physiotherapie hängt ganz entscheidend von der Art und der Schwere des Problems ab. Als Faustregel sollte eine Physiotherapie bei vorliegender Lähmung oder Spastik wenigstens 1 x wöchentlich über wenigsten 30 Min stattfinden. Zumindest für eine gewisse Zeit wäre 2 x wöchentliche KG für einen besseren Therapieerfolg wünschenswert.

roman: Guten Abend, Herr Doktor. Was ist bei spastik besser? Ambulante oder stationäre Reha?

Dr.Dr. Rudolf van Schayck: Hatte ich schon beantwortet. Jetzt im 2. Versuch: Ambulante und stationäre Reha ergänzen sich. Stationäre Reha ist immer dann sinnvoll, wenn ein schweres Problem vorliegt, z.B. drohender Verlust der selbständigen Gehfähigkeit oder wenn aus anderen Gründen eine intensive Reha notwendig ist. Jetzt noch einmal meine kurze Werbung für die zwei Reha-Kliniken für MS-Kranke in BW: Quellenhof in Bad Wildbad (Klinik der AMSEL) (Anm. der Redaktion: ebenfalls anerkannte MS-Reha-Schwerpunktklinik der DMSG) und Kliniken Schmieder in Konstanz (anerkannte MS-Reha- Schwerpunktklinik der DMSG). Ambulante Reha ist immer nach stationärer Reha oder in Frühstadien der MS sinnvoll. In Stuttgart kann in der Rotebühlstr. auch im NRZ Tagesklinik Kliniken Schmieder eine ganztägig ambulante Behandlung angeboten werden. Dies ist die Antwort auf die Frage nach stationärer oder ambulanter Reha.

carmen: Ich glaube auch, dass öfter besser ist. Aber zahlt das die Krankenkasse?

Rudolf van Schayck: Meiner Erfahrung nach bezahlt die Krankenkasse durchaus eine höhere Behandlungsfrequenz z.B. 2 x pro Woche, wenn ein ärztlicher Antrag vorliegt und realistische Therapieziele angegeben werden. Hilfreich ist auch, wenn man die intensivere Therapie zeitlich einschränkt, so dass der Kostenträger auch ein Ende der höheren Behandlungskosten absehen kann.

Dr. Rudolf van Schayck: Bobath-Therapie ist zumindest die bei neurologischen Patienten am häufigsten einsetzte Therapiemethode.

dieter: Guten Abend, Dr. van Schayck. Was halten Sie von Magnetstimulation bei Spastik?

Dr. Rudolf van Schayck: Das ist ein experimentelles Verfahren, noch ohne gesicherte klinische Wirksamkeit.

dieter: Haben Sie irgendwelche Erfahrungen damit?

Dr. Rudolf van Schayck: Ich kenne die Magnetstimulation als Neurologe schon seit vielen Jahren als diagnostischen Instrument. Zur Therapie sind mir die Arbeiten der repetitiven Magnetstimulation bei Depression, bei Schmerz und bei Ohrgeräuschen (Tinnitus) bekannt. Praktische Erfahrung haben wir in der Klinik Schmieder Gerlingen auf der Schillerhöhe noch nicht gesammelt. Ich finde die Methode aber immerhin so interessant, dass wir in unserer Klinik planen, ein geeignetes Magnetstimulationsgerät anzuschaffen.

steff: Bin gerade erst gekommen. Was ist denn mit allgemeinen Schmerzen bei MS? Was kann man dagegen tun, zum B. gegen Brennen in den Beinen nachts?

Dr. Rudolf van Schayck: Brennende Schmerzen sprechen immer für das Vorliegen eines sog. Nervenschmerzes oder neuropathischen Schmerzes. Medikamentös kommen in erster Linie die Antiepileptika Gabapentin (Neurontin) und Pregabalin (Lyrica) in Frage. Darüber hinaus evtl. noch das moderne Antidepressivum Duloxetin (Cymbalta) und natürlich das sehr gut wirksame, aber nicht so gut verträgliche Amitryptilin (z.B. Saroten). Amitryptilin ist aber in Ihrem Fall durchaus zu überlegen, weil es auch den Nachtschlaf fördert. Das wäre in diesem Fall ja wünschenswert.

steff: Danke für die Antwort. Gibt es vieleicht auch etwas natürliches? TCM? Globuli?

Dr. Rudolf van Schayck: Sellbst als Schulmediziner habe ich selbst Kurse zur Akupunktur besucht. Die Leiterin unserer Tagesklinik hat ihre Akupunkturausbildung fast abgeschlossen. Man kann es also mit Traditioneller Chinesischer Medizin versuchen. Wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit bei neuropathischem Schmerz auf Dauer liegt aber nicht vor. Für Globuli und Homöopathie liegt ebenfalls keine wissenschaftliche Evidenz vor. Persönliche Erfahrung habe ich keine damit. Es gibt aber naturmedizinisch arbeitende Ärzte, die regelmäßig Homöopathie einsetzen und in Einzelfällen positive Wirkungen erzielen.

Moderator Jutta Hirscher: Liebe Chatter, vielen Dank für Ihre Geduld. In zwei Wochen gibt es sicher keine technischen Probleme, aber dafür wieder kompetente Antworten auf Ihre Fragen zur Behandlung von Blasenstörungen. Für heute Dank an Sie und an Herrn Dr. van Schayck. Ihnen allen noch einen schönen Abend. Der Chat wird nun geschlossen.