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Schubtherapie der Multiplen Sklerose

Die Steroid-Stoß-Therapie ist die Therapie der Wahl bei MS-Schüben, so Dr. Makbule Senel im aktuellen AMSEL-Expertenchat.

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, herzlich willkommen zu unserem Multiple-Sklerose-Chat! Heute geht es um die Schubtherapie und es antwortet - zum ersten Mal hier im Chat - Dr. Makbule Senel, Oberärztin am Universitätskrankenhaus in Ulm. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir uns auf dieses Thema konzentrieren. Bei Fragen rund um das Coronavirus und MS müssen wir auf die Empfehlungen des Ärztlichen Beirates der DMSG verweisen: https://www.amsel.de/multiple-sklerose-news/medizin/multiple-sklerose-in-zeiten-des-corona-virus Jetzt sind wir gespannt auf Ihre Fragen!

Sue: 1. Stimmt es, dass die Schubtherapie mit Cortison keinen Einfluss auf den Grad der Genesung hat und es im Grunde "nur" für eine schnellere Besserung gut ist? Bitte nicht falsch verstehen- ich bin durchaus der Meinung, dass eine schnellere Besserung sehr sehr wichtig ist, vorallem wenn es um heftige Schübe geht. Meine Frage zielt darauf ab, wenn Schübe mit einer leichteren Symtomatik einhergehen. Symtome, die nerven aber noch irgendwie auszuhalten sind. Würde man mich klonen und die Eine mit Cortison die Andere ohne Cortison behandeln: hätten wir bei beiden nach ca. 1 Jahr den gleichen Grad der Besserung oder ggf. zurückbleibende Schäden.

Dr. Makbule Senel: Liebe Sue, die Steroid-Stoß-Therapie ist die Therapie der Wahl bei MS-Schüben und soll zu einer möglichst raschen Besserung der Schub-Beschwerden führen. Eine Wirkung auf die generelle Krankheitsprognose (Erkrankungsaktivität und Schubrate) ist nach meinem Stand nicht bewiesen.

Dr. med. Makbule Senel

  • Fachärztin für Neurologie
  • Oberärztin an der Klinik für Neurologie der Universität Ulm
  • Multiple Sklerose gehört zu Dr. Senels Schwerpunkten

Gabrijela: Hallo Dr. med. Makbule Senel, ich habe mittlerweile mein 3. Schub in Abstand von 3 Jahren bekommen. Der jetzige Schub hat Atemnot, Herzrasen Ausstrahlung zum linker Arm zur Hälfte schmerzen (also Oberarm schwere Gefühl), Druckgefühl/brennen auf der Brust, starken Schwindel, Sehschwäche und kribbeln am linken Fuß ausgelöst. Für die MS wurde mir durch meine Neurologin Gilenya Fingolimod verordnet. Bei dem Schub hier dachte ich, ich würde sterben. Lag in Dezember 2019 im Krankenhaus und mir wurde für 5 Tage Kortison 1000mg gegeben. Nun ist mir als Symptom noch Druckgefühl-& brennen Brustkorb sowie manchmal Herzrasen und Atemnot übrig geblieben. Meine Ich wurde auch vom Kardiologen untersucht mein Herz würde sich in einem einwandfreien Zustand befinden. Zuvor wurde ich neurologisch untersucht und es hieß, Atemnot, Herzrasen hätte nichts mit der MS zu tun. Im Nachhinein im Krankenhaus MRT, haben die Neurologen dann eine Läsion in der HWS festgestellt und Kopf wurden ebenfalls neue Herde gesehen. Ich wurde praktisch neurologisch und kardiologisch stationär aufgenommen. Leider konnte der Arzt von der Neurologie mir nicht sagen was der Schub ausgelöst hat, ob das zu meinen Symptomen passen. Die Kardiologie Abteilung hat gemeldet, dass mein Herz gesund sei, jedoch leider keine Visite bekommen, die Übermittlung hat über den Neurologen stattgefunden. Bis Dato ist es für mich ein unerklärlicher Fall. Meine Frage, die mich echt sehr sehr beschäftigt ist: Kann das mit dem Atemnot, Herzrasen und Druckgefühl Brustkorb von der MS/Schub kommen? Über ihre Antwort freue ich mich sehr. Vielen Dank im Voraus. LG Gabrijela

Dr. Makbule Senel: Antwort: s. unten.

Benni: Guten Abend Dr.Makbule Senel, kann man durch die neue Läsionenlast welche nicht viel oder wenig KM aufnimmt nach 3 Jahren sagen, sie gehen in den progredienten Verlauf über?

Dr. Makbule Senel: Lieber Benni, ob ein progredienter Verlauf vorliegt, wird insbesondere vom klinischen Verlauf (werden die Beschwerden schlechter, kommt es zu Schüben, u.a.) abhängig gemacht. Am besten kann das ihr behandelnder Neurologe, der Ihren Krankheitsverlauf kennt, beurteilen. Selbstverständlich wird auch das MRT mitbewertet.

Gabrijela: Guten Abend Dr. Senel, ich habe bin 26 Jahre alt und Diagnose MS in 2013, Therapie mit Gilenya. Mittlerweile habe ich meinen 3. Schub in Abstand von 3 Jahren bekommen. Der jetzige Schub hat Atemnot, Herzrasen, Druckgefühl auf der Brust mit Ausstrahlung zum linken Arm zur Hälfte (Oberarm), starken Schwindel, Sehschwäche und kribbeln am linken Fuß ausgelöst. Bei dem Schub hier dachte ich, ich würde sterben. Lag in Dezember 2019 im Krankenhaus und mir wurde für 5 Tage Kortison 1000mg gegeben. Nun habe ich den Schub aber teilweise immer noch. Die verbliebenen Symptome sind noch manchmal Herzrasen, Druckgefühl Brustkorb mit Ausstrahlung linken Arm; besonders abends ist es schlimm. Im Krankenhaus wurde ich neurologisch und kardiologisch behandelt. Die Kardiologie deutet an, dass mein Herz kerngesund ist. Die haben praktisch keine Erklärung nach diversen Untersuchungen. Die Abteilung Neurologie hat dann MRT veranlasst von der HWS und Kopf. In der HWS hat man dann eine neue und meine einzige im Bereich der HWS Läsion gesehen. Jedoch konnte der Neurologe mir nicht sagen was dieser Entzündungsherd ausgelöst hat. Meine Frage: kann das mit dem Herzrasen, Atemnot und Druckgefühl Brustkorb mit der MS/Schub zutun haben? Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort

Dr. Makbule Senel: Liebe Gabrijela, In seltenen Fällen, es gibt Fallberichte dazu, können Schübe auch mit Beschwerden wie Herzrasen und Atemproblemen einhergehen, bspw. wenn Läsionen in der Regulation hiervon relevanten Hirnbereichen vorliegen. In diesen Fällen sollte aber untersucht werden, ob ein kardiologisches/internistisches Problem vorliegt, welches behandelt werden kann. Auch an Nebenwirkungen einer bestehenden Medikation kann gedacht werden. Schub-assozierte Beschwerden bilden sich mit einer Schubtherapie in der Regel zurück.

Moderator Patricia Fleischmann: M. Senel: Liebe Frau Fleischmann, Liebe Chatteilnehmer, besten Dank für die Einladung, ich bin gespannt auf Ihre Fragen.

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, bitte die Fragen nur einmal stellen. Sie rutschen dann unter "bereits gestellte Fragen", bis sie beantwortet sind. Danke :-)

Ste75: Zu Sue's Frage: es geht also um eine Besserung der Schubbeschwerden nicht um die Reduzierung von Schäden? Oder kann man das so pauschal auch nicht sagen? Gerade bei Sehnerventzündungen höre ich immer wieder, Schnelligkeit sei geboten, da es sonst zu mehr Schäden kommen kann...

Dr. Makbule Senel: Hallo Ste75, eine suffiziente Schub-Therapie erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Beschwerden ganz oder teilweise zurückbilden. Wie Sie bereits anmerken, ist es wichtig eine zeitnahe Therapie einzuleiten und ggf. auch eine Eskalations-Therapien durchzuführen.

ernst: Was kann man alternativ bei Plegridy anstatt von IBU bei den Nebenwirkungen nehmen? Vielen Dank für die Antwort.

Dr. Makbule Senel: Lieber ernst, wenn Sie das Lindern von grippeähnlichen Beschwerden meinen, könnte bspw. die Einnahme von Paracetamol eine halbe Stunde vorher helfen. Wenn dauerhaft Probleme auftreten, sollten Sie das am besten mit Ihrem behandelnden Neurologen besprechen.

Anna: Guten Abend, was kann man machen, wenn eine Kortison-behandlung nicht hilft, also wenn die Schubbeschwerden nicht weggehen?

Dr. Makbule Senel: Wenn eine Steroid-Stoß-Therapie (also 5 Tage à 1gr Methylprednisolon) nicht hilft, dh. nach ca 2 Wochen weiterhin relevante Beschwerden bestehen, empfehle ich in der Regel eine erneute Steroid-Stoß-Therapie mit doppelter Dosis. Wenn auch das nicht hilft, eine Apherese-Therapie, Plasmapherese oder Immunadsorption. In begründeten Fällen (zB sehr schwerer Schub) kann das auch eher (nach der ersten Steroid-Stoß-Therapie) eingesetzt werden.

Doren: Guten Abend Frau Dr.Makbule Senel Ich habe seit Juli 2015 MS und nehme seitdem Rebif 44. In der Zeit bisher hatte ich keinen Schub oder neue Läsionen im MRT, bis zu meinem letzten MRT im Februar 2020 wurden 2 kleine Läsionen im Rückenmark festgestellt. Da ich leichte Sensibilationsstörungen unter der li. Fußsohle gemerkt habe, hatte mir mein Neurologe für 3Tage Kortison Stoßtherapie gemacht. Mein Neurologe wollte das ich das Medikament wechsel, aber ich wollte noch etwas mit dem Rebif44 weiter machen. Ich finde das es immer mal wieder sich seltsam anfühlt und dann mal wieder nicht, je nach Gefühlslage. Ich habe gemerkt wenn ich psychischen Stress habe wird es mit dem seltsamen Gefühl unter der Fußsohle stärker. Muss ich jetzt immer damit rechnen das es ein Schub ist oder kann das durch den Psychischen Stress kommen? Vielleicht können Sie mir helfen. Vielen Dank und einen schönen Abend noch

Dr. Makbule Senel: Unter einem akuten MS-Schub verstehen wir das erstmalige oder erneute Auftreten von Krankheitszeichen (wie bspw. Sehstörungen, Kribbeln, Lähmungen, Taubheitsgefühl, Koordinationsstörungen), die mehr als 24 Stunden anhalten, sich dann aber ganz oder teilweise zurückbilden. Nach einem Schub kann es manchmal zu einer fluktuierenden also vorübergehenden Verschlechterung der eigentlich vergangenen Bescherden kommen. Bsp. bei Infekt/Fieber, sportlicher Belastung. Wir nennen das auch Uhthoff-Phänomen, hierbei bilden sich die Beschwerden im Gegensatz zu einem richtigen MS-Schub sehr rasch zurück und halten nicht länger an. Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage beantworten.

Ste75: Nochmal einen guten Abend Dr. Senel Ihnen, gibt es noch andere Schubtherapien außer Cortions und Plasmapherese? Was kann alternativ helfen?

Dr. Makbule Senel: Guten Abend Ste75, es gibt noch die Immunadsorption, das ist wie die Plasmapherese auch ein Apherese-Verfahren. Im Gegensatz zur Plamapherese wird hierbei das Plasma des Patienten nicht verworfen, sondern durchläuft einen Adsorber, welcher selektiv Antikörper (Immunglobuline) bindet. Es gilt aber: erst Steroidstoß-Therapie, wenn keine Besserung (einschränkende Beschwerden) erneute höher dosierte Steroidstoß-Therapie, und wenn weiterhin keine Besserung eine Apherese-Therapie (Plasmapherse oder Immunasorption). In begründeten Fällen kann die Apherese-Therapie auch eher eingetzt werden. Bspw. bei schweren Schüben, aus der Vorgeschichte bekannter fehlender Wirkung von Steroiden oder Kontraindikation für Steroide. Grundsätzlich immer Risiko-Nutzen-Abwägung.

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, danke für Ihre interessanten Fragen. Danke auch, dass sich alle so diszipliniert auf das Thema konzentriert haben! Ein besonders großes DANKE geht an Dr. Senel für ihr Engagement heute Abend im AMSEL-Chat! Die offenen Fragen beantwortet sie noch. Das Chatprotokoll steht spätestens ab morgen auch online bereit. Ich wünsche allen noch einen möglichst entspannten restlichen Abend!

Redaktion: AMSEL e.V., 17.03.2020