Moderator Anja Köhler: Hallo und herzlich willkommen zum ExpertenChat an diesem schönen Abend! Wir freuen uns auf all Ihre Fragen zum Thema Patientenrechte!
Verena: Guten Abend. Kann ich meine Krankenakte beim Neurologen einsehen und mir eine Kopie für meine Unterlagen geben lassen?
Inge Böhm u. Susanne Breuer: Ja. Jede Patientin hat grundsätzlich ein Einsichtsrecht in ihre Krankenakte. Sie haben Anspruch auf eine Kopie - gegebenenfalls stellt der Neurologe die Kopierkosten in Rechnung. Ausnahmen gibt es bei psychischen Erkrankungen.
Verena: Was raten Sie, wie dokumentiere ich am sinnvollsten meinen Krankheitsverlauf?
Inge Böhm u. Susanne Breuer: Wenn Sie nach einer 'sinnvollen' Dokumentation fragen, eröffnet sich für uns die Frage zu welchem Zweck?
Rolf: Wie oft kann ich einen Facharzt wechseln?
Inge Böhm u. Susanne Breuer: Innerhalb eines Quartals kann der Patient den Arzt nur wechseln, wenn ein wichtiger Grund vorliegt ( gestörtes Vertrauensverhältnis, Qualitätsmängel). Eine Rücksprache mit ihrer Krankenkasse ist empfehlenswert.
Verena: Um einen Überblick über meinen Krankheitsverlauf und die verschiedenen Behandlungen zu behalten. Um bei einer weiteren Anamnese bei einem Arzt den Überblick zu behalten!
Inge Böhm u. Susanne Breuer: Sinnvoll erscheint uns eine Sammlung aller Berichte, Befunde, etc., die ihren bisherigen Krankheitsverlauf abbilden. Hilfreich ist sicher auch ein 'Krankheitstagebuch', in dem Sie alle Arzttermine, Untersuchungen, subjektive Krankheitswahrnehmunge, etc. notieren können.
Ingrid: Bei mir steht eine größere Zahnbehandlung an, wie finde ich einen "preiswerten" Zahnarzt, der trotzdem gute Arbeit leistet? Und ab welchem Berechnungsfaktor ist die Zahnbehandlung zu teuer?
Inge Böhm u. Susanne Breuer: In Deutschland gibt es leider keine vergleichende Qualitätsberichterstattung über zahnärztliche Leistungen. Sie können sich als Patientin einen Zahnarzt Ihres Vertrauens heraussuchen und sich von ihm einen Heil- und Kostenplan für die anstehende Behandlung erstellen lassen. Diesen Heil- und Kostenplan können Sie bei den jeweiligen Bezirkszahnärztekammern überprüfen lassen.
Rolf: Ich werde das Gefühl nicht los, daß am Ende eines Quartals oder Jahres die Qualität der Behandlung rapide nachläßt? Was kann man dagegen tun?
Inge Böhm u. Susanne Breuer: Jeder Patient hat Anspruch auf eine qualifizierte und sorgfältige medizinische Behandlung nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst. Ein Gespräch mit Ihrem behandelnden Arzt scheint uns unerlässlich. Falls sich aus dieser Situation ein Verdacht auf einen Behandlungsfehler ergibt, sollten Sie sich an eine Patientenberatungsstelle wenden. Sie können uns auch gerne per E-Mail erreichen unter patientenberatung.lagh@t-online.de Darüber hinaus bieten einige gesetzliche Krankenkassen Unterstützung bei einem Verdacht auf einen Behandlungsfehler an.
S.B.: Sehr geehrte Frau Breuer, muß ich mich als Hypertonieerkrankter regelmäßig (halbjährig) einem (Belastungs-) EKG stellen, oder ist dies Geldmache meines Arztes und welche Möglichkeiten habe ich streßfrei die Situation in meinem Sinne zu klären ?
Inge Böhm u. Susanne Breuer: Nein. Der Patient hat das Recht über Art und Umfang der medizinischen Behandlung selbst zu bestimmen. Wir empfehlen Ihnen das Gespräch mit Ihrem behandelnden Arzt, um in einer gemeinsam getragenen Entscheidung, die weitere Therapie und Behandlung festzulegen.
Angela: Wenn ich mich im Ausland behandeln lassen möchte. Welche Kosten übernimmt dann meine Krankenkasse?
Inge Böhm u. Susanne Breuer: 'Ist eine dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisee entsprechende Behandlung einer Erkrankung nur im Ausland möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung ganz oder teilweise übernehmen..' (§ 18 Sozialgesetzbuch V). Sie sollten ein geplante Behandlung vorher mit Ihrer Krankenkasse abklären.
Angela: Ab wann bin ich von der Zuzahlung bei Medikamenten befreit?
Inge Böhm u. Susanne Breuer: Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten für eine Befreiung von Zuzahlungen: 1) Vollständige Befreiung Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren und Versicherte mit geringen Einkommen (erfragen Sie bitte die aktuelle Einkommensgrenze bei Ihrer Krankenkasse) sowie Sozialhilfeempfänger und Empfänger von Arbeitslosengeld. 2) Teilweise Befreiung: Überforderungklausel Wer die Einkommengrenze für die vollständige Befreiung überschreitet, dem werden Eigenbeteiligungen in Höhe von max. 2% des berücksichtigenden Bruttoeinkommens zugemutet. 3) Befreiung für chronisch kranke Menschen: Nach Zuzahlung in Höhe von mindestens 1% der jährlichen Familienbruttoeinnahmen in einem Kalenderjahr, entfallen die weiteren Zuzahlungen.
Rolf: Wie kann ich bei einem Klinikaufenthalt verhindern, daß mir ohne mein Wissen Psychopharmaka verabreicht werden?
Inge Böhm u. Susanne Breuer: Alle medizinischen Maßnahmen setzten eine wirksame Einwilligung des Patienten voraus. Eine wirksame Einwilligung setzt voraus, daß der Patient über die Behandlung aufgeklärt ist. Wirksam einwilligen kann nur, wer die nötige Einsichtsfähigkeit besitzt.
Martin: Ich stehe noch voll im Berufsleben und bin 33. Was raten Sie? Wie finde ich eine Berufsunfähigkeitsvericherung trotz meiner MS-Erkrankung?
Inge Böhm u. Susanne Breuer: Ansprechpartner bei diesem Thema könnte der AMSEL Landesverband oder die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sein.
Beate: Kann der Patient auch neurologische Gutachten gegenüber dem Versorgungsamt einsehen a) beim Neurologen b) beim Amt?
Inge Böhm u. Susanne Breuer: Einsichtsrecht Versorgungsamt/Amt: "Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zu Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist...." (§25, SGB X - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz) Einsichtsrecht Neurologe: Jeder Patient hat ein Recht auf Einsicht in die Krankenakte.
Olaf: Es wurde mir zweimal ein Rehaaufenthalt abgelehnt, mein letzter Aufenthalt ist zwei Jahre her. Was kann ich tun?
Inge Böhm u. Susanne Breuer: Vorraussetzung für die Kostenübernahme einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme ist die medizinische Notwendigkeit. Näheres lässt sich jedoch nur in einem Gespräch klären. Sie erreichen uns unter der Tel.-Nr. 0711/61466-211.
S.B.: Kann ich jede Person (Freund, Freundin) mittels einer Patientenverfügung zu meinem "Vertreter" machen, oder sind Verwandschaftsverhältnisse priorisiert / zwingend notwendig ?
Inge Böhm u. Susanne Breuer: Sehr geehrter Herr S.B., In einer Patientenverfügung äußern Sie Ihren Willen in Bezug auf medizinische Behandlung und Pflege für den Fall, daß Sie selbst nicht mehr in der Lage sind Ihren Willen zu bekunden. Sie können mit der Patientenverfügung keine Person als Vertreter benennen! In einer Vorsorgevollmacht bevollmächtigen Sie eine Person ihres Vertrauens, die im Falle eigener Entscheidungs- und Handlungsunfähigkeit für Sie rechtswirksam handeln kann. Dies erfolgt unabhängig von einem Verwandschaftsverhältnis. In einer Betreuungsverfügung können Sie eine Person Ihres Vertrauens benennen - ebenfalls unabhängig von einem Verwandtschaftsverhältnis - für den Fall, daß das Vormundschaftsgericht wegen eigener Entscheidungs- und Handlungsunfähigkeit einen Betreuer einsetzt. Sinnvoll ist eine Kombination von Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung und Betreuungsverfügung.
Moderator Anja Köhler: Vielen Dank für all Ihre Fragen, wir schließen jetzt den Chat. Die noch ausstehenden Fragen werden von unserem Expertenteam gerne noch beantwortet! Einen guten Abend Ihnen allen.
Redaktion: AMSEL e.V., 15.04.2003