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Neurologische Rehabilitation bei MS

Schmerzen lassen sich auch mental behandeln. Mehr dazu im ExpertenChat vom 05.07.05 mit Dr. Rudolf H. van Schayck.

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe AMSEL-Chatter, lieber Dr. van Schayck, ich heiße alle herzlich willkommen zu unserer virtuellen Runde! Der Chat ist nun geöffnet...

alexa: Guten Abend Dr.H.van Schayck! Kann mann Krankengymnastik auch dann bekommen, wenn mann keine Behinderung hat? Ich wurde gern mal ein paar Sitzungen machen zur Vorbeugung. Danke. Alexa

Dr. Rudolf H. van Schayck: Krankengymnastik wird nur dann verordnet, wenn Krankheitszeichen vorliegen. Zur Vorbeugung ist es sinnvoll, einer regelmäßigen sportlichen Betätigung nachzugehen. In Frage kommen Herz-Kreislaufsportarten wie Schwimmen, Nordic Walking, Jogging, Fahrrad fahren, Spinning, dann aber auch wohl dosiertes Krafttraining und Geschicklichkeitstraining im Fitnessstudio oder Sportverein.

tim: hallo miteinander! kann man gesichtsschmerzen therapeutisch begegnen?

Dr. Rudolf H. van Schayck: Ja, Gesichtsschmerzen kann man erfolgreich behandeln. Für die Behandlung wichtig ist die Art des Gesichtsschmerzes. Starke einschießende elektrisierende Schmerzen können durch eine Trigeminusneuralgie verursacht sein. Solche Nervenschmerzen werden medikamentös und unterstützend durch physikalische Maßnahmen, sowie Elektrostimulation (TENS-Gerät) behandelt. Es können auch anhaltende Dauerschmerzen im Gesicht auftreten und meistens ist die Untersuchung durch einen Facharzt notwendig. Reine Mißempfindungen im Gesicht können sich als Kribbeln, Ameisenlaufen, Berührungsempfindlichkeit, Brennen, Elektrisieren usw. äußern. Auch diese Mißempfindungen behandelt man wie die Trigeminusneuralgie medikamentös. Bei neu aufgetretenen Symptomen muß man daran denken, daß es sich auch um einen entzündlichen MS-Schub handeln kann. Interessiert es Sie, mehr über die medikamentöse Behandlung zu erfahren?

tim: ja, bitte. welche möglichkeiten gibt es denn und wie sieht es aus mit nebenwirkungen?

Dr. Rudolf H. van Schayck: Medikamente werden nur verordnet, wenn die Beschwerden dies erfordern, d.h. nicht jedes Symptom muß medikamentös behandelt werden. Bei Trigeminusneuralgie und Nervenschmerzen werden in erster Linie antiepileptisch wirksame Medikamente eingesetzt, wie Carbamazepin (Handelsname: Tegretal u.a.), Gabapentin (Neurontin u.a.) und Pregabalin ( Lyrica). Bei Multipler Sklerose getestet ist bisher nur das Carbamazepin, die anderen beiden Medikamente sind neue Substanzen, die sich bei neuropathischen Schmerzen gut bewährt haben. Häufigste Nebenwirkung: Müdigkeit in der Einstellungsphase, Gott sei Dank läßt diese bei den meisten Patienten innerhalb weniger Tage bis 2 Wochen nach. Bei Carbamazepin treten leider in einigen Fällen hautallergische Reaktionen auf.

tim: kann man die medikamente über jahre hinweg einnehmen? und verschwinden die schmerzen damit ganz?

Dr. Rudolf H. van Schayck: Ja, antiepileptische Medikamente zur Schmerzbehandlung können über Jahre eingenommen werden ohne zu Organschäden zu führen. Notwendig ist eine regelmäßige Blutbild und Leberwertkontrolle alle 6 Monate um seltene Nebenwirkungen zu erkennen. Die Schmerzen können ganz verschwinden, das Medikament kann aber auch nur eine Linderung der Schmerzen herbeiführen oder sogar in Einzelfällen gar nicht wirksam sein. In wenigsten 50% ist mit einer Besserung zu rechnen. Bei anhaltender Schmerzfreiheit unter Medikation ist ein schrittweises Ausschleichen unter ärztlicher Betreuung nach einer Behandlungsdauer von 6 Monaten gerechtfertigt.

kim: Hallo! Mein linkes Bein wird beim Sporttreiben schwächer. Egal ob Schwimmen, Radfahren oder Nordic Walking. Kann mann dagenen etwas tun? Es muß ja nicht unbedingt von der MS sein oder?

Dr. Rudolf H. van Schayck: Wenn die MS sicher diagnostiziert ist, ist die Schwäche am ehesten auf die MS zurückzuführen. Bei unklarer MS Diagnose ist vielleicht eine zweite ärztliche Meinung hilfreich. Die MS führt oft zu einer Teilschädigung, die sich erst unter Belastung bemerkbar macht. Das regelmäßige sportliche Training darf und soll fortgesetzt werden, hier ist zusätzlich eine professionelle Krankengymnastik sinnvoll zur Behandlung und zur Anleitung eines gezielten Eigentrainings.

Sofie: Ich habe von einer Art Schmerztherapie gehört, mit der man Schmerzen allein durch Kopfarbeit eindämmen kann. Wie funktioniert das denn?

Dr. Rudolf H. van Schayck: Ja, Schmerzen lassen sich durch Kopfarbeit eindämmen. Es handelt sich um ein psychologisch/psychotherapeutisches Verfahren. Psychologische Schmerztherapie nutzt Entspannungsverfahren wie Autogenes Training und progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, Imagination (Phantasiereise), kognitive Schmerztherapie oder sogar Hypnose. Durch Entspannung und Techniken der gedanklichen Vorstellung wird der Schmerz abgeschwächt und negative Gefühle wie Depression und Angst vermindert. Diese Therapie wird angeboten von Psychologen und ärztlichen Psychotherapeuten, Adressen kann man über www.dgss.de (Homepage der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes) erhalten.

Gerit: Hallo! Bei leichter körperlicher Anstrengung fangt meine rechte Hand sehr oft an zu zucken, und mir fällt es schwer Gegenstände in der hand zu halten, oder sie zu greifen.Außer Vitamin B habe ich nichts dagegen bekommen? gibt es andere Mittel?

Dr. Rudolf H. van Schayck: Die Schilderung klingt nach einer Kombination aus Schwäche und einem sogenannten Klonus ( rhythmische Zuckung/ Beugebewegung durch krankhafte Enthemmung von Muskelreflexen) oder eines sogenannten Tremors (rhythmisches Auf- und Ab-Zittern). Medikamente helfen in der Regel nicht, zu empfehlen ist eine Krankengymnastik oder auf die Rehabilitation von Arm und Hand gerichtete Ergotherapie. Ergotherapeuten kennen sich auch sehr gut mit Hilfsmitteln zur Unterstützung aus.

Gerit: Fällt unter Ihre Antwort auch das oft stundenlange Zucken einzelner Fingerglieder?

Dr. Rudolf H. van Schayck: Ja, stundenlanges Zucken einzelner Fingerglieder ist vermutlich ein unerschöpflicher Klonus. Therapeutisch empfehle ich Ergotherapie, u.a. wird nach Manövern gesucht, die den Klonus stoppen oder durch Dehnung der betroffenen Muskeln versucht, den krankhaften Reflexbogen zu durchbrechen.

Alexander: hallo, ich habe eine PNP mit zentraler Mitbeteiligung und habe beim Langstreckenlauf oder anderer körperlicher Anstrengung Dopppelbilder, verschwommenes Sehen und / oder Schwindel. Dagegen wurde mit 4-Aminopyridin verschrieben., das ich eine halbe Stunde (10 - 20 mg) vor körperl. Betätigung einnehmen soll. Meine Frage': Welche Wirkzeit hat das AP? Welche Nebenwirkungen gibt es ? Z.a. wurden mir eplileptische Anfälle als mögl. Nebenwirkungen bei Überdosierung gesagt? Abwelche Dosierung ist damit zu rechnen und wie ist die Halbwertzeit des AP?

Dr. Rudolf H. van Schayck: 4-Aminopyridin wird unter anderem bei Müdigkeits- oder Fatigue-Syndrom verordnet. Das Handelspräparat ist in Deutschland nicht verfügbar und man bekommt lediglich die Rohsubstanz als pharmazeutisches Präparat. 4-AP kann vom Apotheker auf ärztliche Einzelverordnung angefertigt werden, insbesondere die retardierte Form hat einen günstigen Effekt auf die Fatigue. Wegen der besonderen Form der Verordnung und der damit verbundenen juristischen Situation bitte ich Sie die genaue mündliche und schriftliche Aufklärung mit Ihrem behandelnden Nervenarzt abzusprechen. Weitere pharmakologische Informationen können Sie über die retardierte Form (Fampridine) unter www.acorda.com erfahren.

Alexander: vielen dank. in dem beschriebenen fall hat es soweit die Symptome beseitigt. lediglich die nebenwirkungen bzgl überdosierung etc. sind mir nicht bekannt. aber besten dank soweit

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, das war's für heute (die offene Frage wird freilich noch beantwortet). Herzlichen Dank für Ihre Beiträge und ein ganz herzliches Dankeschön an Dr. van Schayck für seine kompetenten Antworten! Weiter geht's am 19. Juli 2005 mit dem Thema "TCM & andere alternative Methoden" mit Dr. Ulrich März. Bis dahin und allen einen schönen Abend!

Redaktion: AMSEL e.V., 05.07.2005