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Neueste Entwicklungen in der MS-Therapie

Expertenchat vom 05.04.05 mit Prof. Dr. Horst Wiethölter zum Thema "Neueste Entwicklungen in der MS-Therapie".

Moderator Patricia Fleischmann: Einen wunderschönen guten Abend, liebe Chatter! In der Entwicklung der MS-Therapien hat sich einiges getan, darum begrüße ich heute Prof. Dr. Wiethölter vom Bürgerhospital in Stuttgart als Experten im AMSEL-ChatRoom!

Dodi: Hallo! Ich bin die Dodi,3o Jahre alt. Juni 2004 hatte ich den ersten Schub mit Doppelsehen, zweite in November, leichtere form,Taubgefühl in die Beinen. Beidesmal mit Cortison behandelt, mit 100% Erfolg. Ab April mein Neurolog beratet mich für Rebif. Ich habe Angst davor. In wieviel Prozent ist mir garantiert (ca.), dass es die Häufigkeit der Schubraten senkt? Muss ich mit schwere Nebenwirkungen rechnen? Ich habe so grosse Hoffnungen in Tysabri gehabt. Mit wieviel Zeit kann man ungefähr rechnen, dass es auf dem Markt in Europa einmal zugelassen wird?- Vielen Dank, "Dodi".

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Dodi, ich denke, dass eine Behandlung mit einem immunmodulierenden Medikament (z.B. Rebif, z.B. Copaxone) durchaus gerechtfertigt ist. Ich gehe davon aus, dass der Sie behandelnde Neurologe aufgrund der MRT-Untersuchungen einerseits die Diagnose einer Multiplen Sklerose gesichert hat und ausreichend Befunde für eine Aktivität gesehen hat. Eine Senkung der Schubrate kann man nicht garantieren durch die Behandlung mit Rebif. Nach statistischen Aussagen an großen Patientenzahlen kann mit einer 33 % durchschnittlichen Schubratenreduktion gerechnet werden. Tysabri, in das wir alle relativ große Hoffnungen gesetzt hatten, wird vermutlich so schnell nicht noch einmal wiederbelebt werden, nachdem es zunächst erst einmal vom Markt genommen worden ists. Es wird andere Substanzen geben, die ähnliche Bedingungen erfüllen, jetzt aber noch nicht verfügbar sind.

Steffi: Hallo Prof. Wiethölter, ich bin Steffi, 29 Jahre und vor zwei Wochen wurde die Diagnose MS in Dietenbronn (FND) sichergestellt... Nun war ich aufgrund körperlicher Beschwerden (vermutlich der erste Schub) bereits im Herbst knappe 8 Wochen krankgeschrieben, zur Untersuchung im KH jetzt noch mal 3 Wochen. War heute beim Orthopäden, der will unbedingt, daß ich eine Reha beantrage, hat mir auch schon alles mitgegeben, ich soll's ausgefüllt wiederbringen. Nun hab ich bis auf Gleichgewichts- und Sensibilitätsstörungen keine massiveren Beschwerden, bin also der Meinung, daß es zum einen noch nicht nötig ist, zum andren hab ich jetzt schon ein schlechtes Gewissen, daß ich schon so lang ausgefallen bin! Nebenbei hab ich auch Angst, daß mein Arbeitgeber (ich bin Filialleitung in einem Discounter) irgendwann Konsequenzen zieht und mir nahelegt, mich um eine leichtere Arbeit zu bemühen, da ich meiner ja nicht mehr gewachsen sein könnte... Auch die Sache mit dem Schwerbehindertenausweis liegt mir im Magen, hab ich doch Bedenken, daß ich mir beruflich damit einiges verbauen könnte...seufz Steh momentan zíemlich auf den Schlauch, aber vielleicht haben Sie mal 5 Minuten Zeit, mir zu antworten, es würde mir wirklich helfen und mich freuen... - Mit freundlichen Grüßen, Steffi

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Liebe Steffi, ich sehe aufgrund Ihrer Beschwerdeschilderung nicht unbedingt die Notwendigkeit, Sie jetzt in eine Rehabilitation zu schicken, da ich mir vorstellen kann, dass Sie auch unter ambulanten Bedingungen ausreichend Hilfe bekommen können. Mit einem Schwerbehindertenausweis - den jetzt schon zu beantragen, wäre ich sehr zurückhaltend, da damit doch einige Konsequenzen verbunden sind, die es gut abzuwägen gilt. Ich schlage Ihnen vor, sich mit Herrn Heller bei der AMSEL, Tel. 0711 / 69 786-12 in Verbindung zu setzen, der Ihnen sicher kompetent weiterhelfen kann. Mit besten Grüßen

K.S.: s.g. herr prof.wiethölter, gibt es eine therapie gegen die progrediente form der ms? was ist mit mbp8298 und aimspro, dem ziegenserum ? danke für die beantwortung

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Lieber K.S., die Behandlung der progredienten Form der MS ist wie Sie wissen ausgesprochen problematisch. Allerdings muss die primär (d.h. von vornherein) progrediente Form von der sekundär (nach einem ursprünglich schubförmigen Verlauf) verlaufenden MS abgegrenzt werden. Für letztere gibt es neben dem Einsatz von Interferonen auch die Option, mit Mitoxantron zu behandeln. Die besten ERgebnisse hat man dann, wenn sich auf den progredienten Verlauf noch weiterhin Schübe aufsetzen. Für die primär progrediente Verlaufsform ist Mitoxantron ebenfalls schon eingesetzt worden, wohl auch mit gelegentlichen Erfolg. Zu dieser Therapie kann aber derzeit noch nicht geraten werden. Je nach Schwere des Verlaufs lässt sich eine kontinuierliche Kortison-Pulstherapie denken (z.B. 1000 mg Methylprednisolon alle vier Wochen), wenn Sie früher schon von einer Kortisontherapie in irgendeiner Weise profitiert haben. Ohne genaue Kenntnis Ihres bisherigen Krankheitsverlaufs allerdings lässt sich eine weitere Empfehlung nicht machen. Der Einsatz von Ziegenserum, das unter dem Namen Aimspro (Caprivax) in England geprüft worden ist, ist meiner Ansicht nach viel zu gefährlich. Nebenwirkungen in Form von anaphylaktischem, d.h. lebensbedrohlichen Schockzuständen können auftreten und machen jeden Einsatz von daher ablehnenswert. Zudem sollte bei einer MS keine Immunstimulation, die den Krankheitsverlauf verschlechtern kann, durchgeführt werden. In ganzer Linie würde ich also von dem Einsatz abraten und davor warnen.

Jill: Hallo, ich habe in der letzten Zeit viel von Naltrexone / Nemexin kurz LDN ,gehört.Es zeigt bei vielen eine gute Wirkung.2 Bekannte auch MS betroffen nehmen Tg.3 mg.Damit geht es ihnen immer besser, selbst die KG sieht es auch so.Warum sperren sich die Neuros es zu verschreiben, selbst ein Privatrezept bekommt man schwer oder gar nicht.Es ist doch bei allen MS-Basistherapien nicht gesichert, dass sie anschlagen manchmal ist leider das Gegenteil der Fall, dies habe ich oft erlebt bei Betroffenen.Ich nehme nichts, ausser Meditation, Psychotherapie und no Stress. Warum wird nicht mehr in die Psyche der Betroffenen investiert? Rentiert es sich nicht? Ich habe MS seit 15 Jahren und mir geht es gut ohne Medis!

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Liebe Jill, in einer Anfrage an die DMSG ist der Einsatz von Nemexin schon bearbeitet (www.dmsg.de) worden. Ich kann mich der Ablehnung dieses Therapieansatzes nur anschließen. Die möglichen Nebenwirkungen sind schwer kalkulierbar bei absolut nicht nachweisbarer positiver Wirkung.

Holger: meine frau ist nach einen längerem krankenhausaufenthalt wegen einer MS- bedingten demenz mit einen ärzlichen gutachten unter eine gerichtlich angeordneten betreung gestellt worden, ich habe eine pflegestufe beanteagt die abgelehnt wurde. wie ist das zu vereinbaren?

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Lieber Holger, die Einrichtung einer Betreuung hat nicht unbedingt etwas mit der Pflegestufe zu tun. Allerdings gehe ich davon aus, dass eine MS, die mit einer so ausgeprägten Demenz einhergeht, dass eine Betreuung notwendig wird, auch körperliche Symptome entwickelt hat, die die Anerkennung einer Pflegestufe notwendig machen. Ich würde diese Frage an den beurteilenden Arzt noch einmal stellen und ihn damit konfrontieren. Ansonsten denke ich kann Ihre Frau auch hinsichtlich der Demenz medikamentös behandelt werden. Vielleicht sind hier noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Vielleicht sollten Sie auch diese Frage mit Ihrem Neurologen noch einmal diskutieren. Vielleicht bedarf es letztlich keiner Betreuung nach suffizienter Antidementiva.

olafruessel2: Bei jeder Zulassung eines neuen Medikaments, das besser ist als die etablierten, ergibt sich für Ärzte, die an Studien mit diesen älteren Medikamenten beteiligt sind, ein Interessenkonflikt. Wie beurteilen Sie unter diesem Gesichtspunkt langlaufende Studien, besonders solche, die placebokontrolliert sind und der Placebo-Gruppe erst nach dem zweiten Schub das Medikament geben, wie z.B. die Benefit und die PreCISe Studie?

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Lieber Anfrager, Sie weisen auf ein ganz schwieriges Problem hin, das Problem nämlich, dass Medikamente nur dann zugelassen werden können, wenn sie in entsprechenden doppelblind-placebokontrollierten Studien ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit ihrer Einnahme unter Beweis gestellt haben. Die neuen Studien sind alle so angelegt, dass möglichst wenig Placebokontrollen notwendig sind. Es bleibt selbstverständlich jederzeit auch jedem Patienten die Möglichkeit auszusteigen und für sich die Studie zu beenden. Ich hoffe, dass wir mit der Anwendung der Prinzipien des Sylvia Lawry Centres zukünftig ganz auf den Einsatz von Placebos verzichten können.

befi: Hallo Herr Prof. Wiethölter, Ich bin nun 36 Jahre alt und bei mir ist 2001 MS diagnostiziert worden. Dann habe ich mit Betaferon eine Behandlung begonnen die ich anfänglich recht gut vertragen habe, mit der Zeit wurden meine Leberwerte immer schlechter und ich fühlte mich allgemein auch immer schlechter so daß ich mit dieser Behandlung aufhörte zumal ich auch depressiv wurde. Einige Zeit später versuchte ich es mit Copaxone was zur Folge hatte, daß sich jede Einstichstelle entzündete egal wie ich spritzte und meine Symptome der MS deutlich schlechter wurden. Ich habe auch schon an einer Studie mit Immunglobulinen teilgenommen, die habe ich sehr gut vertragen, nach dem Absetzen hatte ich einen Schub. Seit ca 1 Jahr habe ich keine Basistherapie mehr, wenn sich meine MS verschlimmert versuche ich, daß ich Kortison bekomme was ca. 1x im Jahr vorkommt. Ich bin auf der Suche nach einer Basistherapie die die Schwankungen meiner MS aufhält. Was ist für mich als Basistherapie geeignet, ich spiele mit dem Gedanken es mit Avonex einmal zu versuchen. Ist das der richtige Weg?

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Liebe Befi, die Geschichte und den Verlauf, den ich von Ihnen höre, ist sehr betrüblich. Leider auch nicht selten von anderen so berichtet und eine klare Empfehlung schwierig. Der Einsatz von Avonex ist zwar eine denkbare Möglichkeit, ist aber auch mit der Gefahr einer Leberwerterhöhung verknüpft (ähnlich wie beim Betaferon). Auch die Verstärkung von Depression ist unter Avonex in ähnlicher Weise beschrieben wie unter Betaferon. Trotzdem gibt es immer wieder Patienten, die Interferon beta 1a besser vertragen als Interferon beta 1 b (oder auch umgekehrt). Als Altenative Azathioprin vorzuschlagen würde nur dann Sinn machen, wenn Sie nicht auch darauf mit einer Leberstörung reagieren würden. Unter Umständen muss man ausprobieren, was im einzelnen Ihnen besser bekommt. Azathioprin zumindest verstärkt keine Depressionen.

Holger: ich glaube mit verabreichung von zybrexa ist es nicht allein getan. man sollte wirklich auch mal an die auswirkung auch der angehörigen denken, die sich einfach mühen und verständnis zeigen müssen

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Lieber Holger, Sie haben damit völlig recht. Eine Behandlung mit Zyprexa bedarf auch meiner Ansicht nach einer begleitenden nervenärztlichen Behandlung. Könnte es sein, dass die Gabe von Zyprexa am Ende einer langen Behandlungsserie mit verschiedenen anderen Medikamenten ist? Vielleicht sprechen Sie Ihren Nervenarzt auf diese Situation noch einmal an. Ich sehe einen direkten Zusammenhang Ihrer Probleme mit einer MS nicht.

Jill: Danke! nochmal:Warum wird nicht mehr in die Psyche der Betroffenen investiert? Rentiert es sich nicht?

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Liebe Jill, in die "Psyche" wird sehr viel mehr investiert als es auf den ersten Blick scheint. Sie können aber sicher nachvollziehen, dass medikamentöse und nicht-medikamentöse Behandlungs- und Beratungsstrategien nur dann möglich sind, wenn man sich sehr individuell mit der besonderen psychischen Situation auseinandergesetzt hat. Dies ist sicherlich nicht pauschal möglich. Ich vermute, dass Sie einen Gesprächspartner brauchen, der Ihnen in dieser Situation die richtige Richtung und Hilfe vorgibt.

Martin: Hallo Herr Prof. Dr. Wiethölter, halten Sie es für möglich das in den nächsten 3 - 5 Jahren ein Medikament auf den Markt kommt, welches die MS vollständig zum Stillstand bringt? Vielen Dank für Ihre Antwort

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Lieber Martin, ich würde es mir sehr wünschen! Leider sehe ich in den in der Forschung befindlichen Ansätzen keinen, der diese hohen Erwartungen erfüllen könnte. Ich bin aber sicher, dass die Zeit kommen wird, zu der wir ein Fortschreiten der MS, sei es in Schüben, sei es chronisch progredient, werden stoppen können. Allerdings brauchen wir dazu deutlich mehr Zeit als 3-5 Jahre. Schade.

Holger: welche verantwortung haben die ärzte bei verabreichung von beterferon die blutwerte zu prüfen. meine frau bekommt seid 4 jahren dieses medikament und es wird nichts geprüft

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Lieber Holger, mich verblüfft, dass nicht mindestens am Anfang der Behandlung Leberwerte und Blutbild bei Ihrer Frau kontrolliert worden sind. Es treten zwar relativ selten behandlungsbedürftige Veränderungen im Blut auf, die Sicherheit aber sollte man schon haben. Lassen Sie doch einfach bei Ihrer Frau beim nächsten Arztbesuch diese Werte bestimmen.

Holger: ich bin zwar der betreuer meiner frau aber eine auskunft über die wirkung bekomme ich nicht und wenn ich nicht direkt nachfrage bekomme ich keine auskunft von den ärzten, ich weis einfach nicht mehr was ich machen soll, im krankenhaus in jena habe ich erfahren das die demenz eine folge der MS ist

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Lieber Holger, eine Demenz, um gleich die Frage von vornherein zu beantworten, ist in der Regel erst nach einem langen schweren MS-Verlauf zu erwarten. Die Behandlung der Demenz erfolgt wie bei anderen z.B. der Alzheimer-Demenz auch mit spezifischen Medikamenten (z.B. Aricept, Exelon), Medikamente, die nach Studienlage auch bei der MS wirksam eingesetzt werden können. Zyprexa, das Ihre Frau bekommt, ist ein Medikament, das üblicherweise bei Unruhezuständen eingesetzt wird und sich in der Behandlung von psychischen Störungen bewährt hat. Für die Behandlung einer Demenz ist es nicht geeignet. Vielleicht helfen Ihnen diese Informationen für ein Gespräch mit den Ärzten weiter.

befi: Azathioprin hatte ich mir auch schon überlegt, aber ich habe sehr oft die Nebenwirkungen die nur sehr selten auftreten (allgemein bei Medikamenten). Was mich noch interessiert ist, gibt es derzeit Studien an denen man mit Schubförmigem Verlauf teilnehmen kann (bevorzugt Umgebung Stuttgart)

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Liebe Befi, Studien mit Einsatz von Azathioprin, in die man jetzt noch einsteigen könnte, sind mir nicht bekannt. Es laufen Untersuchungen zur Kombinationstherapie von Interferonen mit Azathioprin, die nur zum Teil abgeschlossen sind. Außerdem ist Azathioprin die Substanz, mit der wir die längsten Erfahrungen haben und die nicht nur bei der Multiplen Sklerose, sondern auch bei einer Reihe von anderen immunbedingten Erkrankungen zur Anwendung kommt. Man kann im übrigen vor Beginn der Therapie testen, ob Sie das Medikament gut verstoffwechseln, damit vermutlich weniger Nebenwirkungen haben. Diese Untersuchung wird in Stuttgart und in Göttingen durchgeführt. Sie würde etwas mehr Sicherheit geben.

Holger: ich danke für die auskunft, auch wenn man sich kümmert wird man immer nur als idiod hingestellt und man eis einfach nicht was man machen soll , fühle mich einfach sehr hilflos

olafruessel2: Bezüglich Ihrer Antwort habe ich noch eine Nachfrage: Die führenden deutschen Neurologen fordern schon seit Jahren den möglichst frühzeitigen Einsatz von Immunmodulatoren (Interferon, Copaxone). Trotzdem werden immer noch placebokontrollierte Studien (Benefit, PreCISe) von vielen dieser Neurologen durchgeführt, die der Placebogruppe die Immunmodulatoren erst nach dem zweiten klinischen Schub geben, obwohl Avonex in Deutschland seit März 2002 bereits nach dem ersten Schub und Erfüllung der McDonald Kriterien erstattungsfähig ist (die Krankenkassen müssen also bezahlen). Aus ethischer Sicht halte ich dies für bedenklich. Wie ist Ihr Standpunkt dazu?

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Lieber Chatter, der Einsatz von Immunmodulatoren nach dem ersten Schub wird zwar von uns allen grundsätzlich für sinnvoll erachtet, allerdings müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, wie sie aus den McDonald Kriterien hervorgehen. Die MS muss danach gesichert sein und sowohl eine zeitliche als auch lokalisatorische Dissemination aufweisen. Derzeit können wir somit bei einem ersten Schub auch nur dann beginnen, wenn wir eine Hochrisikosituation vor uns haben, bei der wir davon ausgehen müssen, dass innerhalb der nächsten zwei Jahre mindestens ein weiterer Schub auftritt. Das Problem der placebokontrollierten Studien bleibt davon im wesentlichen unberührt. Ich stimme Ihnen in der Problematik weiterhin ausdrücklich zu, sehe aber derzeit kaum Chancen, sinnvoll aus den Studien auszusteigen. Aber es ist gut, wenn die Situation offen besprochen wird. Diese offene Aussprache sollte auch jeweils zwischen Studienleiter und Patienten erfolgen.

Holger: zur info meine frau hat seid 27 jahren eine MS

Moderator Patricia Fleischmann:
Lieber Holger, der Chat ist zwar irgendwann zu Ende, doch unser Experte steht Ihnen unter Tel.: 0711/69786-13 und eMail: michael.berthold@amsel-dmsg.de zur Verfügung. Sollten Sie nicht in BW wohnen, dann hilft Ihnen sicher Ihr Landesverband weiter. Außerdem können Sie sich in unserem Forum mit andern austauschen. - Alles Gute!

Paula: Hallo Herr Prof. Wiethölter, ich wollte fragen warum man bei einer ppms imKernspin anfangs nichts sieht, oder warum das vorkommen kann, was ist da der Unterschied zu einer Schubförmigen MS?

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Liebe Paula, die primär chronisch progrediente MS (ppms) spielt sich bei den meisten Patienten vornehmlich im Bereich des Rückenmarks ab, so dass die üblicherweise durchgeführte kernspintomographische Untersuchung des Gehirns diesen Bereich nicht erfasst und völlig normal bleibt. Außerdem scheint diese primär chronische Form weniger mit akuten Entzündungen und mehr mit langsam degenerativen Veränderungen einher zu gehen. Diese Veränderungen lassen sich kernspintomographisch manchmal nur an einer zunehmenden Atrophie des Gehirns (Verminderung des Hirnvolumens) erkennen. Dazu bedarf es mehrerer Vergleichsuntersuchungen im Abstand mehrerer Jahre, um diesen Prozess zu erkennen. Bei der schubförmig verlaufenden MS finden wir je nach Aktivität der Erkrankung immer wieder frische Entzündungsherde, die Spuren hinterlassen, auch wenn die Entzündung wieder abgeklungen ist. DAbei muss man bedenken, dass entzündliche Veränderungen im Hirn bei schubförmiger MS zehn Mal häufiger sind als man vom klinischen Verlauf her annehmen würde. Umgekehrt ausgedrückt heißt das, dass nur ein Zehntel der Entzündungsveränderungen im Gehirn mit Symptomen einhergehen. Möglicherweise handelt es sich bei diesen beiden Erkrankungen pathophysiologisch um ganz unterschiedliche Erkrankungen.

befi: Sorry ich hatte mich nicht ganz klar ausgedrückt, ich meinte nicht Studien mit Azathioprin, sondern Studien im Allgemeinen, mit neuen Wirkstoffen

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Liebe Befi, dazu werde ich Ihnen morgen gesondert antworten. Lassen Sie mich bitte Ihre Email-Anschrift wissen.

Moderator Patricia Fleischmann: Lieber Holger, ich möchte Ihnen nochmals unser Forum ans Herz legen. Richten Sie einfach ein neues Thema ein und schreiben Sie sich alles von der Seele. Ziemlich sicher wird Ihnen ein Mensch aus dem world wide web antworteh, dem es ganz ähnlich geht und der womöglich ein paar Tipps parat hat. - Allein sind Sie nicht!

Holger: eine brennende frage: ist MS vererlich meier frau ihr bruder hat es auch und meine 3 kinder haben angat das sie es auch bekommen?

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Lieber Holger, grundsätzlich besteht keine direkte Vererbung der Erkrankung, eine besondere Angst für Ihre Kinder ist sicher nicht gerechtfertigt. Einschränkend allerdings muss man sagen, gibt es Häufungen von MS in einigen Familien, da eine Bereitschaft zur Entwicklung einer MS genetisch mitgegeben werden kann. Es bedarf aber einer Reihe anderer Faktoren, um daraus auch die Erkrankung MS werden zu lassen. Die allgemeine Häufigkeit, eine MS zu entwickeln, liegt bei uns bei etwa 120 pro 100.000 Einwohnern. Bei nahen Verwandten ist die Häufigkeit größer, bei eineiigen Zwillingen sehr viel höher.

Paula: Ah, danke für die Antwort, wie wird diese Untersuchung gemacht? im Kernspin oder im CT?

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Paula, welche Untersuchung genau meinen Sie? Bitte um eine kurze Präzisierung.

Paula: die Untersuchung über mehrere Jahre vom Gehirn

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Liebe Paula, diese Untersuchung sollte kernspintomographisch durchgeführt werden, möglichst immer am gleichen Gerät.

Paula: Hat diese Untersuchung einen bestimmten Namen? (für meinen Neuro)

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Paula, es handelt sich einfach um eine kontinuierliche Verlaufsuntersuchung.

Moderator Patricia Fleischmann:
Ich möchte schon mal die letzte Fragerunde einläuten, denn es sind nur noch fünf Minuten bis ChatEnde. Am Dienstag, 19. April 2005 heißt es dann "MS und Ernährung" mit Porf. Adam!

Paula: Kennen sie irgendwelche Studien die für pp ms laufen?

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Paula, es gibt einige Studien auch zur Primär chronisch progredienten Multiple Sklerose, die aber meines Wissens nicht in Deutschland, sondern außerhalb in Europa und Amerika durchgeführt werden, die sich im wesentlichen mit den bekannten Substanzen begnügen. Einige neuere Substanzen sind noch so früh in der Anwendung, dass Studien dazu erst in nächster Zeit zu erwarten sind. Bei der MS-Society kann man diese Studien erfragen (Anmerkung: die Studienliste kann auch über www.amsel.de erreicht werden).

Paula: hier wird janoch sehr wenig geforscht

Moderator Patricia Fleischmann: So, das war es für heute. Die letzte Frage beantwortet unser Experte noch. Herzlichen Dank an Prof. Wiethölter und natürlich an die AMSEL-ChatGemeinde für Ihre wichtigen und witzigen Beiträge!

Paula: Besten Dank für die hilfreichen Antworten, einen schönen Abend noch

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Recht schönen Dank an Sie und alle Chatter fürs Fragenstellen und ebenfalls einen schönen Abend!

Redaktion: AMSEL e.V., 05.04.2005