Multiple Sklerose und Reisen

Sativex besser nicht außerhalb der Schengenländer mitführen, rät Dr. Martin Rösener im Expertenchat der AMSEL.

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, einen schönen guten Abend ! Dr. Martin Rösener antwortet heute zum Thema Reisen mit Multipler Sklerose, also zum Beispiel Impfungen, Kühlkette, Kühlweste etc. Ab 19 Uhr. Sie dürfen gern jetzt schon posten.

Peter: Guten Abend ! Wohin kann ich Sativex problemlos mitnehmen? Wo gilt dies als Droge mit Konsequenzen?

Dr. Martin Rösener: Sativex ist Betäubungsmittel und unterliegt damit besonderen Vorschriften. Für die in dem Schengen-Abkommen zusammengeschlossenen Staaten der Europäischen Union wurden zur Mitführung von Betäubungsmittel einheitliche Regeln geschaffen. Es muss ein Formblatt zunächst vom Arzt ausgefüllt und dann in Baden-Württemberg vom zuständigen Gesundheitsamt bestätigt werden. Dann kann das Betäubungsmittel in die Schengen Staaten mitgeführt werden. Das Formular kann auf der Internetseite des Bundesamtes für Arzneimittel und Medizinprodukte heruntergeladen werden. (http://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Bundesopiumstelle/Betaeubungsmittel/Reisen/reise_scheng_formular.pdf?__blob=publicationFile&v=3 ). Für die Nicht-Schengen-Staaten gelten sehr unterschiedliche Regelungen. Ich empfehle das Mitführen von Betäubungsmitteln in diese Staaten nicht. Ggf. muss man sich vor Antritt der Reise bei dem entsprechenden Konsulat diesbezüglich erkundigen.

Dr. Martin Rösener  

  • Mitglied des Ärztlichen Beirates der Aktion Multiple Sklerose Erkrankter, Landesverband e.V., 2011Studium der Medizin in Würzburg und London.
  • Neurologische Ausbildung an den Neurologischen Universitätskliniken Würzburg und Tübingen.
  • Langjährige wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der Multiplen Sklerose.
  • Seit 2000 niedergelassener Neurologe in Stuttgart mit Schwerpunkt Multiple Sklerose.
  • Häufig als Referent und Chatexperte für die AMSEL aktiv. Seit 2006 Mitglied des Ärztlichen Beirates der AMSEL.

Dr. med. Martin Rösener

emma: Guten Abend Dr. Rösener! Wie kommt es, dass ich auf Tiefdruck-wetterlage empfindlicher reagiere, als auf Wärme?

Dr. Martin Rösener: Menschen reagieren sehr individuell auf unterschiedliche Wetterlagen. Für einen Teil der Patienten mit Multipler Sklerose stellen hohe Temperaturen ein besonderes Problem dar. Dass Sie auf Tiefdrucklagen empfindlich reagieren, ist ein besonderes Persönlichkeitsmerkmal. Eine medizinische Begründung gibt es dafür nicht.

Anja: Was ist mit Spritzen, kann ich die überall mitnehmen oder brauche ich einen Nachweis?

Dr. Martin Rösener: Ich empfehle das Mitführen einer Bescheinigung, die bestätigt, dass das Medikament für den Eigenbedarf mitgenommen wird. Um Spritzen an Bord von Flugzeugen zu bringen, sollte diese Bescheinigung unbedingt vorhanden sein. Die Medikamente haben einen hohen wirtschaftlichen Wert und müssen, wenn sie nicht zum Eigenbedarf mitgenommen werden, unter Umständen verzollt werden.

emma: seit der Myelitis, mit der meine Erkrankung begann, kann ich nicht mehr in kälteres Wasser gehen? Früher bin ich in jeden "Teich" gesprungen...

Dr. Martin Rösener: Eine Myelitis (Entzündung im Rückenmark) kann die sensiblen Nervenfasern irritieren. Dann kann es sein, dass Kältereize als unangenehm empfunden werden.

Anja: Sind Spritzen dann an Bord erlaubt? Gelten sie nicht als Waffe oder wegen der Flüssigkeitsmenge gibt es da vielleicht Probleme?

Dr. Martin Rösener: Weil an den Spritzen ja Nadeln dran sind gelten sie natürlich als scharfe Objekte, die eigentlich nicht ins Flugzeug dürfen. Deshalb ist die Bescheinigung so wichtig, dass das Medikament für den Eigenbedarf auf der Reise benötigt wird. Das gilt für die Diabetiker, die Insulin spritzen genauso wie für die Patienten mit Multipler Sklerose. Die Medikamente sollten auf jeden Fall mit an Bord genommen und nicht mit dem Gepäck eingecheckt werden. Koffer können verschwinden und dann hat man ein Problem mit der Medikamentenversorgung auf der Reise. Außerdem sind die Temperaturen im Gepäckraum des Flugzeugs nicht so gut kontrolliert und manchmal stehen die Koffer vor der Beladung des Flugzeugs noch lange in der prallen Sonne. All das tut den Medikamenten nicht gut.

Gaby: Ich möchte Kortison als Tabletten mitnehmen, bin mir aber unsicher, wann ich sie einsetzen soll. Nur wenn ich ganz sicher bin, es ist ein >Schub, oder auch, wenn ich vermute, es klnnte ein Schub sein?

Dr. Martin Rösener: Die Eigenbehandlung von Schüben empfehle ich nur solchen Patienten, die viel Erfahrung damit haben. D. h. Patienten, die schon viele Schübe durchgemacht haben und deshalb eindeutig unterscheiden können, was ein Schub ist und was nicht. In den europäischen Urlaubsländern ist es eigentlich immer möglich, sich bei einem Neurologen Kortison infundieren zu lassen, wenn tatsächlich ein Schub im Urlaub auftritt.

Moderator Patricia Fleischmann: @alle: Wohin gehts bei Ihnen, liebe Chatter ? Sie dürfen sich gern über Ihre Urlaubspläne austauschen, in der Plauderecke, das untere Schreibfeld. Schließlich ist Vorfreude bekanntlich die schönste Freude.

Gaby: Noch eine Frage: Zahlt das in Spanien die Krankenkasse?

Dr. Martin Rösener: Auf der Rückseite der Versicherungskarte Ihrer gesetzlichen Krankenkasse in Deutschland ist die Europäische Versicherungskarte abgedruckt. Gegen Vorlage der EKVK werden Sie unter denselben Bedingungen und zu denselben Kosten behandelt, wie die Versicherten des betreffenden Landes. In Spanien müssen Sie sich vergewissern, dass der Arzt oder die Klinik an das öffentliche Gesundheitssystem angeschlossen ist und die Karte akzeptiert.

emma: gibt es ein Medikament, was Uhthoff lindern kann? Kürzlich hatte ich ein recht extremes Phänomen und es ging mir tagelang schlecht (abgeschlagen)

Dr. Martin Rösener: Als Uhthoff Phänomen bezeichnen wir die Verschlechterung neurologischer Funktionen durch Erhöhung der Körpertemperatur bei Patienten mit Multipler Sklerose. Kühlung hilft, wirksame Medikament gibt es nicht.


Allgemein - Gaby: Ich reise nach Spanien.


 


Allgemein - emma: Balkonien ;-P


emma: Sind Insekten, wie Mücken, Zecken und andere "Stechtiere" eine zunehmende Gefahr für uns?

Dr. Martin Rösener: In vielen Ländern übertragen Mücken Infektionskrankheiten. Die bekannteste und weltweit am häufigsten von Mücken übertragene, schwerwiegende Erkrankung ist die Malaria. Die ist für alle Menschen gefährlich, ein spezielles Risiko gibt es für Patienten mit Multipler Sklerose nicht. Auf Reisen in exotische Länder sollte man sich auf jeden Fall vor Mückenstichen schützen.


Allgemein - Gaby: ist auch schön. manchmal bedaure ich sogar, dass ich den sommer zuhause verpasst habe, wenn ich zurückkome.


Denyo: Übernimmt im Fall eines Schubes eine Extra Reiseversicherung die Kosten oder die "normale" Krankenkasse?

Dr. Martin Rösener: In den Versicherungsbedingungen der Reisekrankenversicherungen findet sich meist folgende Regel: Ausgeschlossen von der Leistungspflicht sind Verschlechterungen bereits bestehender Erkrankungen soweit sie vor Reiseantritt absehbar waren. Eine schubförmige Verschlechterung bei Multipler Sklerose ist ein solcher Fall. Die Kosten werden deshalb von einer Reisekrankenversicherung nicht übernommen. Bei einer Behandlung mit der Europäischen Krankenversicherungskarte werden die Kosten übernommen.

Gaby: Das bedeutet, dass reisefreudige MS-ler eigentlich nur in Europa Urlaub machen können oder sie müssen hohe Kosten eventuell selbst übernehmen. Gibt es keine Möglichkeit, sich auch mit Multipler Sklerose im Ausland zu versichern?

Dr. Martin Rösener: Das ist tatsächlich nicht so einfach. Ich suche schon lange nach einer Reisekrankenversicherung, die Patienten auch in Bezug auf ihre Vorerkrankungen versichert. Die würde ich dann gerne empfehlen. Bisher habe ich eine solche Versicherung aber noch nicht gefunden. Für Hinweise wäre ich sehr dankbar.

Denyo: Ich nochmal. Wie schaut es im nicht Eu Ausland aus? Kann man sich irgendwie besonders "schützen" um nicht auf den großen Kosten sitzen zu bleiben?

Dr. Martin Rösener: Eine Versicherung, die das Risiko bei einer Multiplen Sklerose mit übernimmt, ist mir bisher nicht bekannt. Wenn Sie in das Nicht-EU-Ausland reisen gehen Sie ein Risiko ein. Wenn Sie einen günstigen Verlauf mit nur seltenen Schüben haben ist das Risiko natürlich gering. Patienten von mir waren schon in der ganzen Welt unterwegs. Konkret erinnere ich mit an Reisen von Patienten nach Australien, Neuseeland, Indien, Ägypten, Namibia, Südafrika und die USA. Es ging eigentlich meistens gut. Wenn Sie sehr erfahren im Umgang mit der Krankheit sind, können Sie mit Ihrem Neurologen die schon früher angesprochene orale Stand-by Medikation mit Kortison mitführen. So können Sie im Falle eines Schubes natürlich Kosten vermeiden.

ankie: Hallo, ich fliege im September nach NewYork. Wie verhalte ich mich bei der Zeitverschiebung und der Einhaltung meines Rhythmus zum Spritzen mit Regif? Viele Grüße

Dr. Martin Rösener: Die Zeitverschiebung von Baden-Württemberg nach New York beträgt ungefähr sechs Stunden. Das ist in Bezug auf die Injektion von Rebif unkompliziert. Spritzen Sie dort einfach zu den üblichen Zeiten weiter. So eine geringe Verschiebung der Injektionszeitpunkte hat keinen Einfluss auf Wirksamkeit oder Verträglichkeit.

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, danke für Ihre Teilnahme ! Ein besonders großes DANKE geht einmal mehr an Dr. Martin Rösener, Mitglied im Ärztlichen Beirat der AMSEL. Der AMSEL-Chat verabschiedet sich nun in die Sommerpause. Am 6.9. - Überraschung: ein Dienstag ! - geht es hier weiter mit spannenden Chat-Themen rund um die Multiple Sklerose. Verbringen Sie alle eine schöne Zeit, egal ob auf Reisen oder Zuhause !

Redaktion: AMSEL e.V., 19.07.2016