MS-Medis in der Pipeline

07.04.10 - Derzeit läuft eine Studie mit FTY720-Studie zur Behandlung der primär chronisch-progredienten MS, so Prof.

Orhan Aktas im Expertenchat.

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, in wenigen Minuten geht es los mit unserem Chat zu anstehenden MS-Therapien. Ab 19 Uhr antwortet Prof. Aktas Ihnen. Fragen Sie ruhig schon mal!

Helge: Guten Abend in die Runde! Meine erste Frage zielt auf die Medikamente ab, die oral aufgenommen werden können. Wie ist das bekannte Nebenwirkungsspektrum? Wird das Immunsystem sehr stark beeinflusst?

Prof. Orhan Aktas: Guten Abend zurück in die Runde, ich freue mich, wieder beim AMSEL-Chat dabei zu sein! Liebe Helge, Sie sprechen ein ganz wichtiges Thema an. Die oralen Medikamente, die gerade in der Entwicklung sind, wirken über ganz unterschiedliche, teils wirklich neuartige Mechanismen. Daher läßt sich gar nicht pauschal "das" Nebenwirkungsspektrum beschreiben. Für Cladribin und Fingolimod, die am weitesten an der Zulassung dran sind, wissen wir bereits, daß sie das Immunsystem klar beeinflussen. Das zeigt sich z.B. daran, daß die Zahl der Immunzellen im Blut deutlich sinkt.

 
 
Prof. Orhan Aktas
 
 
 

seit 2008 Professur für Molekulare Neurologie an der Neurologischen Klinik der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

  • davor Facharzt für Neurologie, Stellvertretender Leiter der Cecilie-Vogt-Klinik für Molekulare Neurologie.
  • Er verbindet die Arbeit für Patienten auf der Station mit der Forschung.
  • 2005 machte Aktas die Entdeckung, dass Apoptose-regulierende Systeme, wie z.B. der TRAIL Signalweg, an Immunregulation und Schädigung im Gehirn beteiligt sein und (im Tiermodell)blockiert werden können.
  • Auszeichnung mit dem Wyeth-Preis 2005.
  • Leitung des Sonderforschungsbereichs "Mechanismen der Immunzell-vermittelten Schädigung in der chronischen Entzündung des Zentralnervensystems" gemeinsam mit Prof. Frauke Zipp. Darin geht es um die Schadensmechanismen in der Neuroinflammation und frühe axoale Schäden als wesentlicher Faktor für Behinderung sowie die neuronale Apoptose im Gehirn MS-Betroffener. Ziel sind therapeutische Ansätze speziell für Patienten mit aggressiven Verläufen.

fb: Sehr geehrter Herr Prof. Orhan Aktas, ich bin an SPMS erkrankt und interessiere mich für eine Einschätzung zu neuen, Ihrer Meinung nach aussichtsreichen, in klinischen Testverfahren befindlichen, Medikamenten für diese Verlaufsform die vielleicht auch schon im Off-Label-Use Ihre Anwendung finden. Gibt es schon Erfahrungen mit Cladribine und FTY 720 bzgl. der SPMS-Verlaufsform bzw. welche Substanz ist Ihrer Meinung nach für die SPMS eher geeignet? Herzlichen Dank für Ihre Antwort schon im Voraus!

Prof. Orhan Aktas: Liebe/r fb, Sie sprechen stellvertretend für eine große Gruppe von Menschen mit der sekundär chronischen Verlaufsform, für die bislang nur in wenigen Studien neue Therapien erprobt wurden. Wir wissen bislang nicht sehr viel über den Wechsel von der schubförmigen zur sekundär chronischen Form. Unsere üblichen immunmodulatorischen Injektionstherapien zeigen kaum befriedigende Wirkung. Das könnte auch daran liegen, daß die Injektionstherapien nicht stark genug wirken. Außerdem bräuchten wir Substanzen, die auch auf das Nervensystem in irgendeiner Form direkt günstig wirken. Aus diesen Überlegungen heraus wäre das Fingolimod ein attraktiver Kandidat, da es experimentell auch Reparaturprozesse günstig beeinflußt. In der Tat läuft jetzt eine FTY720-Studie zur Behandlung der primär chronisch-progredienten MS, und eine Studie zur SP-MS steht ebenfalls im Raum. Sofern bei der SP-MS die entzündliche Krankheitsaktivität im Vordergrund steht, wäre aus grundsätzlichen Überlegungen auch Cladribin vorstellbar (siehe Beispiel des Mitoxantron).

Isabell: Guten Abend, welche vielversprechenden Therapien stehen denn kurzfristig für die MS-Erkrankte zur Verfügung. Sind Therapien dabei, die eine Heilung in Aussicht stellen könnten ?

Prof. Orhan Aktas: Liebe Isabell, die Heilung einer Erkrankung ist natürlich das höchste aller Ziele. Voraussetzung dafür ist die Kenntnis der Krankheitsursache. So können wir Infektionskrankheiten ursächlich behandeln und damit heilen, indem wir gegen die krankheitsverursachenden Bakterien Antibiotika verabreichen. Aus dieser Sicht sind wir bei der MS bislang wirklich machtlos. Aber wir können Heilung auch anders auffassen - als Abwesenheit von Krankheitsbeschwerden. Und da sind wir mittlerweile gut weitergekommen. So haben wir Medikamente, die in groß angelegten Studien die Zahl der Schübe deutlich senkten, sowie das Voranschreiten der Erkrankung klar bremsten. Bei einem der gerade in Erprobung befindlichen Medikamente besserte sich sogar der klinische Zustand. Auf der anderen Seite müssen aber die Risiken der Therapien individuell abgeschätzt werden (siehe die neue Frage von Helge, auf die ich gleich eingehe).

fb: Sehr geehrter Herr Prof. Orhan Aktas, noch eine Frage zu den monoklonale Antikörper: welchen der z.Zt. in der Forschung befindlichen Substanzen halten Sie für die SPMS für aussichtsreich? Hier interessiert mich besonders der monoklonale Antikörper Daclizumab. Herzlichen Dank für Ihre Antwort im Voraus!

Prof. Orhan Aktas: Liebe/r fb, in der recht kleinen Phase-II-Studie zu Daclizumab, die 2004 veröffentlicht wurde (insgesamt 11 Teilnehmer), waren in der Tat Patienten mit SP-MS. Bei diesen hatte eine Interferon-beta-Therapie keine ausreichende Wirkung gezeigt, d.h. Trotz Therapie traten Entzündungsherde auf. Die darauffolgende Therapie mit Daclizumab besserte die Entzündung im Gehirn deutlich. Sofern also ein ähnliches Profil individuell vorkommt, wäre eine Daclizumab-Therapie vorstellbar. Für eine generelle Empfehlung ist es sicher zu früh. Abgesehen davon sehe ich unmittelbar keinen Antikörper, der jetzt speziell bei SPMS sinnvoll wäre. Z.B. wurde jüngst Rituximab bei der primär progredienten MS (PP-MS) getestet und zeigte keinen durchschlagenden Erfolg - mit Ausnahe der Patienten, die Entzündungsaktivität im Gehirn hatten.

Moderator Patricia Fleischmann: Prof. Aktas ist bereits am Tippen. Derweil Sie auf Ihre Antwort warten, können Sie sich gern mit den andern Chattern hier unterhalten - einfach Ihre Frage oder Ihr Statement in "Allgemeiner Beitrag" reinschreiben.

Isabell: Sehr geehrter Herr Prof. Wissen Sie etwas über den aktuellen Status der EGCG-Studie an der Charite?

Prof. Orhan Aktas: Liebe Isabell, die EGCG-Studie zur Behandlung der schubförmigen MS, die wir damals an der Charité begonnen hatten, wurde mittlerweile in ihrer Beobachtungs- und Behandlungszeit ausgeweitet. Daher gibt es bislang keine abschließende Analyse der Untersuchungsbefunde zur Sicherheit und Behandlungserfolg, und ich muß noch etwas vertrösten... aber wir halten Sie und die AMSEL natürlich gerne auf dem Laufenden!

Micky: Guten Abend. Im Januar wurde in USA das Medikament Ampyra für eine bessere Gehfähigkeit zugelassen. In Europa soll Biogen das Med. auf den Markt bringen. Haben Sie vielleicht etaws darüber gehört, wann?

Prof. Orhan Aktas: Lieber Micky, dahinter verbirgt sich die bislang als "Fampridin" bzw. chemisch korrekt "4-Aminopyridin" bekannte Substanz. Diese hat bei einer groß angelegten Zulassungsstudie tatsächlich die Gehfähigkeit bei MS-Patienten verbessert. Der Enthusiasmus ist allerdings etwas gebremst, da nur eine Untergruppe von MS-Patienten klar profitierte (etwa ein Drittel der Patienten erfüllte die Kriterien für ein Ansprechen des Medikamentes). Es ließ sich auch nachträglich nicht herausarbeiten, wie sich das Ansprechen voraussagen läßt. Daher muß individuell erprobt werden, ob das Medikament Wirkung zeigt. Auch Ampyra hat Nebenwirkungen, so ist die Anwendung bei bekannter Neigung zu epileptischen Anfällen (sog. "Krampfanfälle") tabu. Die Zulassung wurde auch bei den europäischen Behörden beantragt, dort gibt es bislang keine Neuigkeiten.

Richard (vorab): Sehr geehrter Herr Prof. Dr. med. Orhan Aktas, Anfang diesen Jahres wurde bekannt, dass des MS-Medikament "Fampridin" (Verbesserung der Nervenbahnleitfähigkeit/Verbesserung der Gehfähigkeit) in den USA zugelassen wurde und eine Zulassung für Europa beantragt wurde. Warum wird ein Medikament, welches in den USA erfolgreich eingesetzt wird, nicht sofort den MS-lern in Deutschland zur Verfügung gestellt? Vorab vielen Dank, mit freundlichen Grüßen

Prof. Orhan Aktas: Lieber Richard, die Zulassung eines neuen Medikamentes ist komplex und geprägt von den jeweils unterschiedlichen lokalen Vorstellungen, was als ein Medikament anzusehen ist. Ein Vergleich zu anderen Kulturkreisen - siehe Fernost - zeigt das ganz deutlich. Auch gibt es unterschiedliche Verfahren, wie die Wirksamkeit und Sicherheit eines Medikamentes zu beurteilen ist. Gerade bei der Sicherheit kann es sinnvoll sein, die Erfahrungen mit einem Medikament in einem Land abzuwarten, bevor voreilig die Zulassung erteilt wird. Ganz abgesehen davon mag es ganz banale Gründe für Verzögerungen geben - z.B. ob die Zulassungsanträge zeitgleich eingereicht wurden, ob die formalen Bedingungen erfüllt wurden usw. Daher können wir zum derzeitigen Zeitpunkt nur spekulieren.

Moderator Patricia Fleischmann: 7 Chatter hier im virtuellen Expertenchat, Tendenz steigend. Wie gesagt: Sie können sich einfach über das Textfeld "Allgemeiner Beitrag" untereinander austauschen.

Helge: Nun hat sich das Immunsystem ja zur Infektionsabwehr respektive Krebsabwehr entwickelt. Wie sieht es denn dort mit den Risiken aus?

Prof. Orhan Aktas: Lieber Helge, in der Tat, das ist ein wichtiges Thema. Wir wissen, daß eine unspezifische Hemmung des Immunsystems ("Immunsuppression") das Risiko für Krebs erhöht. Das ist beispielhaft gezeigt für Azathioprin, bei dem nach spätestens zehn Jahren das Risiko für Krebs des blutbildenden Systems (Leukämie) steigt. Auf der anderen Seite sind nach unseren derzeitigen Erkenntnissen die neuen Substanzen - wir sprachen gerade von Cladribin und Fingolimod - von ihrer Wirkungsweise nicht so unspezifisch wie das Azathioprin. So wirkt das Cladribin vornehmlich auf eine bestimmte Untergruppe von Immunzellen, und Fingolimod hat einen vergleichsweise ganz neuen Ansatz durch Hemmung der Wanderung der Immunzellen zwischen den Immunorganen. In den großen Phase-III-Studien, die jetzt veröffentlicht und auch in der Presse thematisiert wurden, traten vereinzelt Fälle von bösartigen Tumoren auf, ohne daß eine klare Beziehung zum Wirkmechanismus der Substanzen festgestellt werden konnte. Daher bleibt im Moment offen, ob es einfach eine zufällige Beobachtung war, oder ob tatsächlich das Risiko erhöht ist. Daher sind sicherlich intensive Überwachungsprogramme notwendig, um mögliche seltene - aber vielleicht schwerwiegende - Nebenwirkungen zu erfassen. Das muß jedem klar sein, der mit diesen Substanzen künftig zu tun hat.

fb: Sehr geehrter Herr Prof. Orhan Aktas, gibt es schon Testverfahren oder sonstige Parameter mit denen man feststellen kann auf welche Therapieart der einzelne Patient am besten anspricht (z.B. auf T- oder B-zellgerichtete Medikamente)? Herzlichen Dank für Ihre Antwort schon im Voraus!

Prof. Orhan Aktas: Liebe/r fb, auf immunologischer Ebene haben wir bislang keine Möglichkeit, das immunologische Profil eines Menschen so zu erkennen, daß wir die MS-Therapie darauf aufbauen könnten. Allerdings haben wir die Hoffnung, daß sich das ändert. In anderen Bereichen der Medizin ist das mittlerweile möglich - siehe die immunologische Charakterisierung von Blutkrebs, bei der die Therapie darauf ausgerichtet wird, welche Zelle als Verursacher angesehen wird.

Micky: Haben Sie schon von der Micro-Immuntherapie gehört und wenn ja, was halten Sie davon?

Prof. Orhan Aktas: Lieber Micky, ich kenne die Mikroimmuntherapie im Kontext von homöopathischen Behandlungsmethoden. Ich möchte an dieser Stelle auf keinen Fall eine Diskussion zur Homöopathie anstoßen - dann chatten wir noch eine ganze Weile... wenn wir die Mikroimmuntherapie jedoch losgelöst von allen Ideologien betrachten, wäre prinzipiell vorstellbar, daß ganz kleine Mengen an immunrelevanten Substanzen, wie sie bei der Mikroimmuntherapie angewendet werden sollen, eine Wirkung auf das Immunsystem entfalten. Voraussetzung wäre allerdings, daß tatsächlich noch etwas an Substanz verabreicht wird (also keine "unendlich hohe" Verdünnung). Anerkannte Studien zur Mikroimmuntherapie bei der MS sind mir nicht bekannt. Ansonsten gilt für alle Therapien - insbesondere neben den üblichen Behandlungspfaden der Schulmedizin: es darf nicht schaden, es darf keine Heilsversprechen machen, und es darf nicht zur finanziellen Belastung werden.

fb: Sehr geehrter Herr Prof. Orhan Aktas, gibt es schon Alternativen zu der hochdosierten Kortison-Therapie die ja wegen des Diabetes-Risikos immer kontrovers diskutiert wird? Herzlichen Dank für Ihre Antwort schon im Voraus!

Prof. Orhan Aktas: Liebe/r fb, bislang ist die Hochdosis-Kortison-Therapie der "Goldstandard", und derzeit gibt es keine echten Alternativen in Entwicklung. Damit meine ich andere Substanzen mit einer neuartigen Wirkungsweise. Es gibt allerdings Bemühungen, das Kortison auf Molekül-Ebene anders zu verpacken und damit effizienter und ggf. verträglicher zu gestalten. Hierzu läuft gerade eine Studie zur Schubbehandlung der MS. Daher ist auch in nächster Zukunft nicht abzusehen, daß das Kortison an sich abgelöst wird. Glücklicherweise ist das Diabetes-Risiko bei Berücksichtigung des individuellen Profils akzeptabel, wenn wir die intravenöse Kurzzeit-Behandlung mit den "Kortison-Kuren" vergangener Jahrzehnte vergleichen, bei denen über Monate hinweg niedrigdosiertes Kortison als Tabletten genommen wurde... das ist jetzt passé.

fb: Sehr geehrter Herr Prof. Orhan Aktas, gibt es schon erste Ergebnisse zu BG12 (Fumarsäure) bei SPMS? Herzlichen Dank für Ihre Antwort schon im Voraus!

Prof. Orhan Aktas: Liebe/r fb, mir sind keine Ergebnisse zu BG12 bei SPMS bekannt.

fb: Sehr geehrter Herr Prof. Orhan Aktas, habe noch eine Nachfrage zu Ihrer Antwort auf Isabells Frage weiter oben: Mich interessiert bei welchem in der Erprobung befindlichen Medikament sich der klinische Zustand gebessert? Danke für Ihre Anrwort!

Prof. Orhan Aktas: Liebe/r fb, bei der Phase-II-Studie CAMSS223 wurde die Wirkung des monoklonalen Antikörpers Alemtuzumab erprobt. Den 2008 veröffentlichten Ergebnissen nach besserte sich der Behinderungsgrad bei den Patienten, verglichen mit einer Standardtherapie, sowie verglichen mit dem Ausgangsbefund Allerdings wurden nur Patienten mit schubförmiger MS untersucht, die in einer frühen Phase ihrer Erkrankung waren (EDSS kleiner/gleich 3.0). Derselbe Antikörper war einige Jahre zuvor bei Patienten mit sekundär progredienter MS erprobt worden. Dort wurde zwar auch die Entzündung reduziert, aber es zeigte sich kein günstiger Effekt auf die Behinderung. Derzeit laufen groß angelegte Folgestudien, in denen Alemtuzumab weiter erprobt wird.


Allgemein - Helge: Tschüß aus Kiel, schönen Abend noch!


fb: Lieber Prof. Aktas, noch eine Frage zu der Hemmungswirkung von Fingolimod(Hemmung der Wanderung der Immunzellen zwischen den Immunorganen). Werden hier nur bestimmte Immunzellen an der Wanderung gehindert? Ansonsten wäre es ja auch eine globale Beeinflussung der Immunabwehr mit hohem Krebsrisiko oder sehe ich das falsch? Danke für Ihre Erklärung im voraus!

Prof. Orhan Aktas: Liebe/r fb, in der Tat stellt sich heraus, daß nicht alle Immunzellen an der Wanderung behindert werden. Darum ist Fingolimod nicht als "klassisches" Immunsuppressivum einzuschätzen. Die Forschung in diesem Bereich ist recht intensiv, daher ist die Frage nach der Wanderung noch nicht abschließend zu beurteilen.

Moderator Patricia Fleischmann: Tschüß in den hohen Norden, lieber Helge!

Alice: Sehr geehrte Herr Prof. Orhan Aktas,ich bin Neuling und frage mich welche Medikamente gibt es bei einer schleichenden verlaufsform der Ms.

Prof. Orhan Aktas: Liebe Alice, das kommt ganz darauf an, welche Form der schleichenden MS das ist - bei der von Beginn an schleichenden Form (primär chronisch progredient) haben wir leider keine Medikamente, die wir routinemäßig anwenden / anbieten. Wir probieren hier viel und müssen leider zu häufig einsehen, daß die üblichen Therapien nicht anschlagen. Dagegen gibt es je nach dem Verlaufsmuster bei der sekundär chronisch progredienten Form (SP-MS) zugelassene Medikamente wie das Mitoxantron. Gerade bei der SP-MS ist das eine vom Verlauf und Schubmuster (Frage nach überlagerten Schüben) abhängige individuelle Entscheidung. Dann kommen auch Antikörper wie das Natalizumab in Frage.

Sonnenblume: Sehr geehrter Herr Prof. Aktas, bisher ging es mehr um neue Medikamente bei MS allgemein - gibt es auch in Richtung Fatigue neue Ansätze für neue Medikamente?

Prof. Orhan Aktas: Liebe Sonnenblume, es laufen derzeit eine ganze Reihe von kleinen ernsthaft betriebenen Studien zur Behandlung der Fatigue, das reicht von Ginseng bis zum Fampridin. Die Fatigue ist gehört in meiner MS-Sprechstunde zu den häufigsten Beschwerden, und leider haben wir bislang keine speziellen Behandlungen. Wir wissen, daß eine erfolgreiche immungerichtete Therapie häufig die Fatigue bessern kann. Darüber hinaus wissen wir, daß die Körpertemparatur eine wichtige Rolle spielt - hier gibt es in der neuesten Zeit interessante Entwicklungen hinsichtlich vergleichsweise schicker Kühlwesten.

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, noch knappe 10 Minuten und damit Zeit für die letzte Fragerunde hier im Osterferienchat

fb: Sehr geehrter Herr Prof. Dr. med. Orhan Aktas, ich möchte mich nochmals für Ihre sehr kompetenten Antworten und Ihre Engagement bedanken. Es macht Mut zur Hoffnung für eine Besserung - auch herzlichen Dank an Frau Fleischmann!!

Prof. Orhan Aktas: Liebe/r fb, haben Sie und alle, die ansonsten heute beim chat dabei waren, vielen Dank für Ihr Interesse und die guten Fragen. Ich wünsche Ihnen alles Gute und darf mich mit nachösterlichen Frühlingsgrüßen verabschieden!

Moderator Patricia Fleischmann: @ fb: Gern geschehen! Herzlichen Dank für Ihr Interesse hier.

oeliger: Lieber Prof.Orhan Aktas, ich hatte vermutlich 1995 mein erstes Symptom. 1998 wurde der Verdacht auf MS gestellt aber nicht bestätigt. Seit fast 3 Jahren spritze ich Copaxone und vertrage es eigentlich super. Letztlich geht es mir persönlich nicht um orale oder in subkutane Anwendungen. Was steht denn auf dem Schirm bezüglich der besseren Schubreduktion. Mir ist die Anwendung bei entsprechender Erfolge eher nebensächlich. Klar ist das tägliche Spritzen nicht angenehm, wenn es aber hilft! Ich habe "klopf auf Holz" keine signifikante Einschränkungen im Leben... Und noch eine Frage... Man hört ja öfters, dass Copaxone nicht so eine gute Wirkung hat... was halten Sie von diesem Medikament? Besten Dank für Ihre Zeit hier für uns :-)

Prof. Orhan Aktas: Lieber oeliger, verstehe ich Sie richtig, daß Sie unter Copaxone keinen Schub hatten? Damit hätten wir ein wichtiges Ziel - die Schubfreiheit - erreicht. Wenn sich auch keine schleichende Verschlechterung einstellt, wäre das sehr günstig, und eine Änderung der Therapie wäre vorläufig nicht anzuraten ("never change a winning team"). Aber auch wenn alles stabil erscheint, ist es sinnvoll, sich alle Jahre wieder bei einem spezialisierten Zentrum/Facharzt vorzustellen. In der neurologischen Untersuchung läßt sich dann rausarbeiten, ob wirklich alles stabil geblieben ist. An Alternativen, sei es im Rahmen von Studien (siehe Hinweise auf den entsprechenden Internetauftritten, z.B. unserer Gastgeberin: www.amsel.de), oder als bereits zugelassene Therapien, mangelt es nicht. Eine Vorstellung in einem Zentrum / Spezialisten ist sicherlich hilfreich für eine individuelle Beratung.

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, schon wieder halb Neun und der Chat zu Ende. Danke an Sie, ganz großen DANK natürlich an Prof,. Aktas! Wenn Sie wollen, beantwortet Ihnen PD Dr. Peter Flachenecker in 2 Wochen Fragen zum Thema Reha bei MS - Aufwiederchatten!

Redaktion: AMSEL e.V., 06.04.2010