Franz: Ich habe keine MS aber ich (männl. 55 Jahre) leide seit 2016 unter TM (Transversal Myelitis). Zurückgeblieben sind Missempfindungen in den Füßen, sex. Funktionsstörungen und vor allem der Harnverhalt. Therapiert wird derzeit mit einem Anticholinergika (Mictonorm Unu) und ISK. Frage, gibt es noch andere Therapiemöglichkeiten, ist es möglich, dass das spontane Wasserlassen doch wieder zurückkommt, bzw. kann man etwas dafür tun, z.B. Blasentraining? Das Gefühl des Harndrang ist da und manchmal geht auch ein wenig spontanes Wasserlassen! Kann das sex. Gefühl wieder kommen und können die Missempfindungen noch verschwinden? Vielen Dank für Ihre Antwort!
Dr. Gerald Lehrieder: Hallo Franz, herzlich willkommen hier im MS-Chat. Sie stellen viele Fragen, die MS-Betroffene gleichermaßen betreffen, deshalb sind Sie hier auch richtig. Drei Jahre nach dem Eintreten der Störung ist eine weitere Besserung möglich, aber sicherlich nicht mehr mit der Geschwindigkeit, die Sie vielleicht aus den ersten Tagen und Wochen der Erkrankung vielleicht unter der Cortisontherapie erlebt haben. Das gilt dann ebenso für die Sexualfunktionsstörungen. Die Therapien, die Sie machen, die Blase medikamentös dämpfen und dann intermittierend zu katheterisieren, ist schon sehr gutes Blasentraining. Denn die Blase tut zumindest in der Phase, in der sie den Harn speichern soll, nämlich zwischen den Entleerungen, das was sie soll. Und der Reiz durch die Entleerung (wenn auch mit dem Einmalkatheter) simuliert ja quasi das normale Wasserlassen. Insofern ist das rhythmische Dehnen und Entleeren der Blase richtig gutes Training. Vielleicht probieren Sie vor dem Katheter öfter mal auch geduldig das spontane Wasserlassen. Probieren Sie doch mal dabei das Triggern: Bei manchen Betroffenen hilft da klopfen auf die Bauchdecke, Bestreichen der Oberschenkel-Innenseite, ... Dadurch gelingt es manchmal ein spontanes Wasserlassen zu initiieren. Seien Sie bei diesen Triggermaßnahmen ruhig kreativ und beobachten sich selbst, was gut funktioniert und was nicht so gut. Viel Glück dabei
anni: Kann etwas dagegen unternommen werden, dass Betmiga seit August diesen Jahres ein Zusatznutzen von den Krankenkassen abgesprochen wird und daher eine hohe Selbstbeteiligung nach sich zieht?
Dr. Gerald Lehrieder: Diese Entscheidung ist ja letztlich nach einem ausführlichen Gutachten unter Berücksichtigung von Studienergebnissen im Gemeinsamen Bundesausschuß getroffen worden. Letztlich kann man als einzelner kaum was dagegen machen. Wenn es gelänge, diesen Zusatznutzen in einer neuen Studie zu belegen, vielleicht mit anderen patientenorierten Parametern zu belegen, könnte man ja mal ne Neubewertung anstrengen. Ob sich die Industrie diesen teuren und relativ unsicheren Weg antut, wage ich zu bezweifeln.
Ste: Guten Abend Fr. Fleischmann, guten Abend Herr Dr. Lehrieder, in welchen Bereichen des Gehirns, der HWS oder BWS zeigen sich Läsionen im MRT, wenn es zu Blasenstörungen kommt? Kann man das genau verorten? Vielen Dank schon jetzt für Ihre Zeit und Ihre Antworten...
Dr. Gerald Lehrieder: Die Blasenfunktion ist an vielen Stellen im Gehirn verschaltet und das macht auch die Vielgestaltigkeit der möglichen Störungen aus. Da ist einerseits das Frontalhirn, wo Wille, Antrieb und Motivation repräsentiert sind, und die Verbindungen zum Hirnstamm. Der Hirnstamm ist ein wichtiges Zentrum, wo "Verknüpfungen" stattfinden und Impulse über lange Nervenbahnen durch das gesamte Rückenmark in die unteren Abschnitte des Rückenmarks, das sog. Sakralmark, geschickt werden. Dort ist ein weiterer "Umschaltpunkt" auf die Nerven, die schließlich zu Blase und Mastdarm führen, angesiedelt. Sie sehen, letztlich sind nahezu alle Teile des Zentralen Nervensystems beteiligt.
Allgemein - Claudi: Hallo, ich bin das erste Mal in einem solchen Chat.
Moderator Patricia Fleischmann: Hallo Claudi, super, dass Sie heute teilnehmen.
Sarah: Ist ein tauber Arm ein Schub?
Dr. Gerald Lehrieder: Hallo Sarah, immer wenn bei einem MS-Betroffenen ein neues neurologisches Symptom auftritt oder ein vorbestehendes sich relevant verschlimmert, muss man natürlich an einen Schub denken. Aber diese Diagnose stellt besser der/die Neurologe/in. Zur Schubdiagnose gehört nämlich IMMER auch der Ausschluss anderer Ursachen für die Symptome oder die Verschlimmerung. Und da ist man selbst meist überfragt. Schließlich gibt es ja auch andere Ursachen für einen tauben Arm, z.B. das man beim Schlaf einen Nerv gedrückt hat. Also sich nicht scheuen, und einen raschen Kontakt suchen. Der Arzt schaut auch nach so banalen Dingen wie Fieber oder ein Infekt z.B. der Blase. Und ein Infekt kann manchmal einen Schub vortäuschen und Sie machen sich unnötig Sorgen. Zudem müssen Sie ja eh wegen der Konsequenz mit dem Neurologen reden: Cortison ja oder nein?, Ist vielleicht eine Umstellung der Immuntherapie notwendig? Braucht man eine neue MRT ? Fragen über Fragen, die besprochen werden wollen und müssen. Ihnen dafür Alles Gute.
Claudi: Es ist ein hoher Leidensdruck für mich. Ziehe mich von vielen Sozialen Aktivitäten zurück.
Dr. Gerald Lehrieder: Liebe Claudi, der Rückzug ist für viele Betroffene der Weg, statt dass sie das Thema offen mit ihren Ärzten angehen. Oft wird es aus Scham oder auch Unwissen gar nicht angesprochen. Wer es nicht versucht,hat schon verloren. Und wenn die erste Strategie nicht funktioniert, hat Ihr Arzt sicherlich noch eine oder zwei andere, die er Ihnen vorschlagen kann. Oft hilft auch das Gespräch mit Mitbetroffenen. Da kann man viel über Strategien ohne Medikamente lernen, zum Beispiel (siehe die Antwort an Franz) Vorschläge, welche Tricks beim Blasentriggern erfolgreich sind. In den Amsel- oder DMSG-Gruppen, werden oft auch themenorientiert diesbezüglich Angebote gemacht. Und nicht zuletzt ist Selbsthilfe eine wichtige soziale Aktivität.
uppps: Guten Abend Mein Arzt schickt mich zum Urologen, weil er denkt, dass meine Blase ein Problem hat. Seit Jahren lebe ich mit dem Gefühl ständig auf Toilette zu müssen, mindestens 10 bis 15 mal am Tag renne ich bei normalem Trinken. Wenn ich etwas vorhabe, dann verkneife ich mir das Trinken. Meinen Alltag habe ich soweit im Griff, d.h. Ich plane mein Trinken. Kann man das wirklich der MS zu ordnen oder geht man dann einfach davon aus? Vielen Dank
Dr. Gerald Lehrieder: Diese Art der Blasenstörung ist eine relativ häufige bei der MS. Bis zu 90 % der MS-Betroffenen erleiden irgendwann im Krankheitsverlauf, sei es vorübergehend oder auch teilweise bleibend, eine Blasenstörung. Natürlich muss der Urologe oft bei Beginn der Symptome hinzugezogen werden, um andere Ursachen auszuschließen, auch wenn sich Symptome mal plötzlich verändern. Aber dass die MS als Erkrankung des Gehirns und des Rückenmarks über die Entzündungsherde die Steuerung der Blase beeinträchtigt und damit solche Symptome macht, ist gesichertes Wissen und nicht nur Mutmaßung.
Sandro: Guten Abend Dr.Lehrieder, Ich wache jede nacht immer 1-2x auf und muss aufs Klo. Um schnell wieder einzuschlafen hilft ein Antidepr. Was wäre Ihre Strategie? Schlafhy., wenig trinken ... alles schon probiert ...durchschlafen unmöglich
Dr. Gerald Lehrieder: Bei manchen Antidepressiva kann man eine Nebenwirkung dieser Medikamente auf die Blase ausnutzen. Manche dämpfen nämlich die Blase, quasi im Nebenschluss und das kann dann hilfreich sein. Schlafhygiene ist bei der Blase ein bisschen schwierig. Besser ist es, die Trinkmenge anders über den Tag zu verteilen, aber nicht reduzieren. Denn die Flüssigkeit braucht der Organismus ja für praktisch alle Stoffwechselvorgänge und für die Ausschwemmung von Giftstoffen. Wenn die Situation so ist wie Sie sie schildern , würde ich zunächst mal kontrollieren, ob abends, wenn Sie zu Bett gehen, wirklich die Blase leer ist. Eine abends teilweise gefüllte Blase wird sich natürlich nachts früher wieder melden, als eine leere. Und wenn sie wirklich leer ist, würde ich zunächst ein Medikament geben, das gezielt die Blase beruhigt. Vielleicht reicht das aus, und Sie brauch kein Antidepressivum.
Franz: Herzlichen Dank für die ausführliche Antwort!
Dr. Gerald Lehrieder: Sehr gerne!
susi: Kann regelmäßiges Beckenbodentraining ms-bedingten Blasenstörungen vorbeugen bzw. diese verbessern/ lindern? Wie häufig treten sie infolge einer MS auf?
Dr. Gerald Lehrieder: Hallo Susi, Statistiken sagen oft, bis zu 90 % der MS-Betroffenen leiden irgendwann (oft auch nur vorübergehend) an Blasenstörungen. Die Prozentzahlen schwanken ein bisschen, aber gehen Sie davon auch, dass wenn Sie Betroffene sind, viele Leidensgenossen haben, mit denen Sie sich austauschen können. Beckenbodentraining kann helfen, wobei das Beckenbodentraining bei der MS nicht viel mit der Beckenbodengymnastik z.B. nach einer Schwangerschaft zu tun hat. Ich spreche gerne von Beckenbodenwahrnehmungstraining, viele Menschen wissen gar nicht wie man den Beckenboden willkürlich "ansteuert". Mancher kneift bei der Aufforderung den Beckenboden anzuspannen, nur die Pobacken zusammen oder zieht den Bauch ein. Deshalb empfehle ich da gerne professionelle Anleitung.
Josefa: Sehr geehrter Herr Dr.Lehrieder, mir wurde SPASMEX gegen die Blasenstörungen /starker, nicht unterdrückbarer Harndrang /empfohlen. Jetzt ist es so, dass sich die Fatigue verstärkt. Ich nehme noch Lyrika und Sativex gegen Schmerzen. Gibt es noch andere wirksame Mittel?
Dr. Gerald Lehrieder: Hallo Josefa, Spasmex KANN in der Tat die Fatigue verstärken, die anderen genannten Medikamente aber gleichermaßen, vielleicht sogar noch mehr. Bei den blasendämpfenden Medikamenten, und dazu gehört Spasmex (Trospiumchl.), gibt es aber auch andere Substanzen, die unterschiedliche Nebenwirkungsprofile haben. Da sollten Sie vielleicht nochmal den Verordner fragen, ob es für Sie im speziellen auch eine Alternative gibt.
anni: Vielen Dank, Herr Dr. Lehrieder Ich möchte leider nicht auf ein anderes Medikament umsteigen, da diese oft Mundtrockenheit verursachen, was bei einem Sprechberuf sehr ungünstig ist. Das Betmiga wirkt am Tag meist sehr gut. Allerdings muss ich jede Macht zur Toilette und schlafe somit keine Nacht durch. Wie kann hier geholfen werden?
Dr. Gerald Lehrieder: Na ja, wenn es Betmiga sein muss, wird es schwierig, dann muss es letztlich ja über ein Privatrezeptierung funktionieren. Aber als Krankenhausarzt kennt man da die "Schlupflöcher" des Verordnungswesens in der ambulanten Med. nicht so gut. Vielleicht hilft eine Bescheinigung Ihres Neurologen und Sie können eine außerordentliche Erstattung erzielen. Das weiß ich nicht. Und andere Wege will ich nicht empfehlen. Wenn Ihre Frage auf die Linderung der Mundtrockenheit zielt: Mal saure Drops zwischendurch lutschen, Zitronensaft oder -stäbchen regen den Speichelfluss an. Aber Sie müssen natürlich auch genügend trinken, damit die Flüssigkeit sowohl vor Ort, aber auch insgesamt zur Verfügung steht.
Moderator Patricia Fleischmann: @alle: Im AMSEL-Shop (für Betroffene aus anderen Bundesländern der jeweilige Landesverband, s. hier: https://www.amsel.de/amsel-ev/im-verbund/landesverbaende-der-dmsg/ ) gibt es übrigens eine ausführliche Broschüre zu Blasen- und Darmstörungen zu bestellen: https://www.amsel.de/shop/index.php?kategorie2=shopartikel&shopartcnr=40&shopartanr=96 Für Mitglieder wie immer kostenfrei.
Emma: Apropos Scham - diese ist bei mir seit der OP so groß geworden, dass ich mich aktuell lieber von Frauen behandeln lasse - darf man, ohne Probleme mit der Krankenkasse, zu einer Neurologin gehen bzw. ein Taxi nehmen?
Dr. Gerald Lehrieder: In Deutschland gilt doch die freie Arztwahl. Sie brauchen Vertrauen zu Ihrem Arzt oder Ärztin, das ist das wichtigste. Meine Erfahrung sagt, dass das keine Frage des Geschlechts ist. Übrigens gilt das für Patient/in und Arzt/in
Allgemein - Josefa: @alle Wer macht von Euch Beckenbodentraining? Von wem habt Ihr da die Anleitung? Physio? Ste: Danke für die sehr gute und verständliche Erläuterung...
Dr. Gerald Lehrieder: Sehr gerne geschehen.
Martin: Sehr geehrter Dr. Lehrieder, ich ( 45,m) habe seit meinem letzten Schub teilweise den Kontakt zum Unterleib bzw. der Ansteuerung der Blase verloren. Glücklicher Weise merke ich anhand einer Unruhe das ich die Blase entleeren muss und habe mich darauf eingestellt es nun anders zu merken. Im Sitzen und mit Geduld funktioniert es mehrfach am Tag. Muss ich mir Sorgen machen das die Blase eventuell nicht komplett entleert wird und sich Bakterien sammeln? Oder würde man das in der üblichen Urinprobe feststellen wenn es so ist?
Dr. Gerald Lehrieder: Es freut mich sehr, dass Sie mit Ihrer Frage, die gleichzeitig auch Antwort ist, zeigen, dass man mit Beobachtung des eigenen Körpers und Beachtung der Signale ganz viel erreichen kann. Das wird an dieser Stelle vielen Mitlesern dieses Chats Mut machen, diese Form des Selbstmanagements der Blase zu probieren und den Wert zu erkennen. Zunächst ist wichtig, dass Sie mit Ihrem die Blase offenbar deutlich besser im Griff haben als früher. Und die Sorgen können Sie leicht ausräumen, indem Sie immer wieder mal den Restharn kontrollieren lassen. Und die Untersuchung auf Bakterien geht mit einem sauber gewonnenen Mittelstrahlurin hinreichend sicher.
Moderator Patricia Fleischmann: @alle: Über das untere Schreibfeld, die "Plauderecke" können alle Teilnehmer Josefa antworten (auf die Frage zur Beckenbodengymnastik). Oder auch selbst eine Diskussion starten.
Tina: Guten Abend, wenn man das Gefühl hat auf die Toilette gehen zu müssen und es dann sehr lang dauert, bis es funktioniert und die Blase auch wirklich voll war, zählt das auch schon in den Bereich Harnverhalt? Ist gerade am Arbeitsplatz sehr unangenehm... Hatte bis vor einem Jahr eher schwierigkeiten den Harn zu halten und mittlerweile mit Spastik in den Beinen zu kämpfen. Vielen Dank.
Dr. Gerald Lehrieder: Liebe Tina, da gibt es kein Schwarz oder Weiß. Wenn es wirklich sehr lang dauert, bis es funktioniert und dann vielleicht nicht mal komplett zur Leerung führt, ist das zumindest ein Symptom das nah am Harnverhalt dran ist. Insofern sollte man mal vielleicht mal versuchen, gar nicht direkt an der Blase anzusetzen. Manches spricht ja dafür, dass die Spastik nicht nur in den Beinen ist, sondern auch den Beckenboden betrifft. Und so öffnet sich der äußere Schließmuskel nicht. Wenn willkürliche Entspannung nicht funktioniert (siehe meine Antwort zur Beckenbodengymnastik), dann kann man mit einer niedrigen Dosis Antispastika versuchen, wohldosiert den Schließmuskel ein wenig zu schwächen. Wichtig: Wer zuviel nimmt oder wenn der Beckenboden sehr empfindlich darauf reagiert und zu schlaff wird, der riskiert den unwillkürlichen Urinverlust, also Inkontinenz. Da kann man als Geber eines solchen Rates rasch verflucht werden. Also bitte vorher nachfragen, ob dies ein Weg wäre....
Allgemein - Franz: @Josefa: Ich habe in 6 Sitzungen Beckenbodentraining im Rahmen einer Physiotherapie gemacht, hat aber leider in meinem Fall nichts gebracht! Emma: Kommen Fieberschübe auch bei MS-Schüben vor? Das Fieber Bis 39,8° ist nur im Unterbauch messbar, am übrigen Körper messe ich normale Temperatur und finde mich selber sehr seltsam - das Fieber wiederum löst heftige Zuckungen meiner Beine bis in die Hüfte aus, was teilweise sehr schmerzhaft ist und mich sehr schwächt - z.B. Paracetamol hilft nach ca. 1Stunde
Dr. Gerald Lehrieder: Im Unterbauch und rektal mißt man ja die relevante Körperkerntemperatur. Und Fieber kann letztlich alle Symptome der MS verschlimmern ohne dass dies einen akuten Schub bedeutet. Bei Ihnen scheinen dies häufige, schmerzhaft einschießende Spastiken zu sein. Da hilft im wesentlichen in der Tat rasches Fieber senken und die Ursache angehen. Manchmal heißt dies auch rasch zum Antibiotikum greifen.
Nicole: Guten Abend Dr. Lehrieder, ich nehme jetzt seid 3.9.19 7.5 mg Emselex, das hat mir bisher auch gut geholfen, aber in letzter Zeit merke ich das ich wieder öfter dringend auf Toilette muss und auch Nachts wieder öfter. Kann ich die Dosis einfach erhöhen?
Dr. Gerald Lehrieder: Ganz allgemein kann das genannte Präparat nach ca. 2 Wochen auch gesteigert werden auf die doppelte Dosis. Der ursprüngliche ERfolg legt dies ja nahe. Aber Sie sollten vorher mal eine oder zwei Restharnbestimmungen durchführen (lassen). Um sicher zu sein, dass für die Verschlechterung nicht eine ungenügende Entleerung der Blase verantwortlich ist.
Emma: Eine zurückliegende Blaseninfektion hat mir einen recht großen Herd im Gehirn eingebracht - wird ein solcher bei einer weiteren Infektion aktiviert?
Dr. Gerald Lehrieder: Eine Blaseninfektion, die Ihnen einen großen Herd eingebracht hat? Kann die Kette der Ereignisse auch umgekehrt gewesen sein: Ein Herd, der eine Blasenstörung verursacht und diese dann wiederum eine Infektion. Das würde plausibler sein, ist aber letztlich egal. Der Herd wird vielleicht bei einer Infektion nicht aktiviert, aber die Symptome der MS können sich bei fieberhaften Infekten verschlimmern. Das ist dann zwar kein Schub, aber Sie müssen trotzdem eine vorübergehende Verschlechterung auf einem anderen Gebiet wieder aufholen.
Allgemein - Josefa: @Franz: Machst Du die Übungen weiterhin zuhause? Ich habe bei meiner Physio mal wegen Training nachgefragt, aber letztendlich war es Gymnastik wie nach der Schwangerschaft. Claudia: Hallo Dr. Lehrieder, sobald ich im Auto unterwegs bin, muss ich nach ein paar Minuten auf die Toilette,obwohl ich zu Hause meine Blase entleert habe.Was kann ich dagegen tun.Meine nächste Frage hat jetzt aber nichts mit diesem Chat zu tun.Grippeimpfung ja oder nein? Für ihre Antwort vielen Dank im voraus.
Dr. Gerald Lehrieder: Frage zwei zuerst: Grippeimpfung wird empfohlen, also ein ja, um eine unnötige Verschlechterung durch eine unnötige fieberhafte Erkrankung zu vermeiden. Ich bin übrigens auch wieder geimpft. Man tut damit nicht nur was für sich, sondern auch für seine Kontaktpersonen. Frage eins: Das ist leider ein häufiges Phänomen. Hier empfehle ich Ihnen, zu gucken, ob die Blase wirklich leer war. Das entzieht sich ja manchmal der eigenen Wahrnehmung. Ein anderes Thema, das man selber auch kennt. "Ich geh noch mal schnell zur Toilette, bevor ich losfahre". Der Satz sagt schon, dass man eigentlich los will und sich für den Toilettengang keine Zeit nimmt. Das Gegenteil ist richtig: Sich die Zeit nehmen, vielleicht auch mal die komplette Entleerung mit irgendeinem für erfolgreich gehaltenen Triggermechanismus stimulieren und Geduld üben. Ich denke mir immer wieder, warum diese Frage oft das Autofahren betrifft. Wahrscheinlich sind es zwei Dinge, die dieses Phänomen bewirken: Zum einen das Wissen und die Angst, "im Auto unterwegs, hast du jetzt nicht schnell eine Toilette zur Verfügung, und was ist , wenn jetzt doch.....?" Und noch was: Letztlich wirkt wahrscheinlich auch die Erschütterung beim Fahren wie ein Trigger. Denken Sie mal drüber nach und triggern Sie dann zuhause etwas geduldiger.
Allgemein - Franz: @Josefa: Zu Anfang habe ich die Übungen zu Hause gemacht, aber wie gesagt, bei mir hat es keinen Erfolg gebracht, es war halt, wie vieles, einen Versuch wert
Dr. Gerald Lehrieder: Nein, Fieber allein ist natürlich kein Grund, Antibiotika einzuwerfen. Nur wenn eine BAKTERIELLE Infektion der Grund ist, sollten MS-Betroffene nicht lange zögern, um die Fieberphase kurz zu halten. Wie Sie wissen, wirken Antibiotika nicht bei viralen Infekten, da sind also keine Antibiotika hilfreich. Aber das Fieber sollte man schon auch rasch senken, z.B. mit Paracetamol.
Emma: Vielen Dank für Ihre Antworten und Ihre Zeit!
Dr. Gerald Lehrieder: Wie immer: sehr gerne! run: Hallo Herr Doktor Lehrieder, Ich leide unter Harnverhalt. Ohne mich selbst zu kathetiriesen geht gar nichts. Das mache ich bis zu 15 mal am Tag. Einen Dauerkatheter will ich allerdings auch auf gar keinen Fall. Ich habe bereits viele Medikamente ausprobiert. Aber ohne eine Toilette in der Nähe geht gar nichts bei mir. Für soziale Leben ist es natürlich fatal. Aber was kann ich tun? Zu allem Überfluss brauche ich rollstuhlgerechte Toiletten Die gibt es fast nirgends Haben Sie noch weitere Ideen?
Dr. Gerald Lehrieder: Die Häufigkeit des Katheterisierens erscheint ja wirklich sehr hoch. Dass Sie keinen DK wollen, kann ich gut verstehen, diese Haltung kann ich nur bestärken. Ich will mich aber hüten, mich hier zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Sicher waren Sie schon bei manchem Spezialisten. Auf jeden Fall sollten Sie überlegen, ob eine ausführliche aktuelle urodynamische Untersuchung Sie weiterbringt. Wenn noch nicht geschehen, sollten Sie dies unbedingt anstreben. Überhaupt wäre nochmals auch eine eingehende urologische Untersuchung notwendig, wie die Blasenkapazität überhaupt ist, ob Aussackungen in der Blasenwand vorliegen, ob dieDehnbarkeit der Blasenwand überhaupt eine weitere Kapazität über 100 oder 120 ml hinaus überhaupt zulässt. Gibt es schon einen Behandlungsansatz mit Botulinumtoxin in die Blase ? Das ist oft sehr gut hilfreich, das katheterisieren, das man dazu lernen sollte, können Sie ja schon. Also beste Voraussetzungen. Theoretisch könnte man nach dem katheterisieren auch gelöste Medikamente über den Katheter in die Blase einbringen, die dann direkt über die innere Blasenwand wirken sollen. Aber jetzt sind wir schon bei wirklich selten anzuwendenden Dingen. Elektrotherapie wäre auch noch eine Idee. Aber auch dafür brauchen Sie einen Spezialisten.
Moderator Patricia Fleischmann: LIebe Chatter, an Sie alle vielen Dank für Ihre FRagen - die helfen zusammen mit Dr. Lehrieders Antworten auch anderen MS-Betroffenen über unser Chatprotokoll. Die offenen Fragen beantwortet Dr. Lehrieder noch. An ihn ein riesiges DANKE für sein Engagement hier und heute. Der nächste Multiple-Sklerose-Chat ist erst am 21. Januar. Thema und Experte geben wir rechtzeitig bekannt, immer auch über unseren Newsletter. Ihnen allen einen schönen restlichen Abend und alles Gute!
Allgemein - Martin: Sehr geehrter Dr. Lehrieder, vielen Dank für ihre umfassende Antwort und ihren Einsatz heute Abend in dieser Runde |
