MS behandeln - aber wie?

Bei Rückenmarksherden kommt eine intrathekale Therapie mit einem Depot-Kortison (Triamcinolonacetonid - Volon A) in Frage, so Dr. Dieter Pöhlau im AMSEL-Expertenchat 'MS behandeln - aber wie?'.

Moderator Patricia Fleischmann: Werte AMSEL-Chatter, in knapp 30 Minuten geht es los mit Antworten von Dr. Dieter Pöhlau. Sie dürfen sich solange gern in der "Plauderecke" (2. Schreibfeld unten) aufhalten. - Herzlich willkommen!

Jonas: Hallo, ich habe von einer alternativen ms therapie mit aloe vera gehört,gibt es dazu schon irgendwelche erkenntnisse im bezug auf deren wirksamkeit? (ich leide unter der chronisch progredienten form der ms) vielen dank

Dr. Dieter Pöhlau: Es gibt leider keine belastbaren Daten zur Wirksamkeit von Aloe Vera bei der MS. Das Aloin wirkt abführend und in hohen Dosen können Nebenwirkungen auftreten. Dem Extrakt werden wundheilungsfördernde und antientzündliche Wirkungen zugeschrieben, leider nicht bewiesen.

Dr. Dieter Pöhlau

Seit 01.01.2001 Chefarzt der Kamillus-Klinik in Asbach, 120 Betten Akut-Neurologie mit überregionalen Schwerpunkt in der Behandlung der Multiplen Sklerose neben der Regionalversorgung für neurologische Patienten.

  • Vom 01.01.1998 bis 31.12.2000 Chefarzt der Sauerlandklinik Hachen in Sundern, einer neurologischen Fachklinik, die überwiegend Patienten mit Multipler Sklerose behandelt.
  • Zivildienst beim Roten Kreuz, Anerkennung zum Rettungssanitäter, Psychologiestudium in Erlangen, danach Medizinstudium.
  • Doktorarbeit zum Thema: "Akustisch evozierte Potentiale".
  • Arbeit als Arzt: zunächst an der Neurologischen Universitätsklinik am St. Josef Hospital bei Prof. Przuntek, dann Ausbildung in Psychiatrie am Westfälischen Zentrum für Psychiatrie Bochum (Universitätsklinik) bei Prof. Dr. Dr. Payk. Anschließend wieder an der Neurologischen Universitätsklinik am St. Josef Hospital bei Prof. Przuntek.
  • Dort: Ernennung zum Oberarzt, Aufgaben: Neuroimmunologisches Labor, Intensivstation, Therapie neuroimmunologischer Erkrankungen.

Karin: Guten Abend, Dr. Pöhlau. Gibt es homöopathische Möglichkeiten, Symptome wie Spastik, Gleichgewichtsprobleme und dadurch bedingte Schwierigkeiten beim Gehen zu behandeln?

Dr. Dieter Pöhlau: Möglichkleiten aus der klassischen Homöopathie, die bewiesenermassen wirksam sind, gibt es nicht. Natürlich sind Krankengymnnastik, evtl. Hippotherapie und auch Yoga, Feldenkrais und andere "körperorientierte" Therapien sinnvoll bei Gleichgewichtsstörungen. Als "Weiterentwicklung eines Naturheilmedikamentes" wurde ja jüngst ein Cannabinoid-Spray zur Therapie von Spastiken bei MS zugelassen, die auf andere Antispastika nicht ausreichend ansprechen.

Karin: PS : Bin mittlerweile spms, mache keine Therapie mehr (Mitox ist mir nicht geheuer). Versuche durch Yoga die Spastik und die Fatigue etwas in Schach zu halten!

Dr. Dieter Pöhlau: Krankengymastik, Yoga und andere "Physiotherapien" durchaus nutzen, die Fatigue zu verbessern, es gibt übrigens eine Broschüre der DMSG "Fatiguemanager", in dem viele Tipps zu Fatigue stehen. Aber sie sollten vielleicht auch etwas dafür tun, dass die Behinderung durch die MS nicht oder so langsam wie irgend möglich fortschreitet. Mitox hat natürlich Risiken, und kommt wirklich nicht für jeden in Frage, aber es gibt auch andere denkbare Therapiestrategien, z.B: Kortison-Pulse...

Sofia: Ich heiße Sofia und muss das tysabri, wegen positiven JC-Virus absetzen. Gibt es eine alternative?

Dr. Dieter Pöhlau: Ja, als Eskalationstherapie ist in Deutschland Fingolimod zugelassen, das als o,5mg Tablette einmal pro Tag eingenommen wird, es gibt auch andere Eskalationstherapien, z.B. Mitoxantron, im nächsten Jahr kommen weitere Medikamente

Dagi: Hallo, ich habe seit 14 Tagen die Diagnose MS. Vor 19 Jahren hatte ich eine Sehnervenentzündung und jetzt erst einen neuen Schub. Ist ihrer Meinung nach eine Basistherapie sinnvoll? Wenn ja, welche.

Dr. Dieter Pöhlau: Das ist nicht so einfach zu beantworten, wenn Krankheitsaktivität da ist, sollte eine Basistherapie eingesetzt werden, dazu stehen 4 Interferon-beta Präparate und Glatirameracetat zur Verfügung, die alle gespritzt werden müssen, im nächsten Jahre werden orale Therapien zur Basistherapie der MS zugelassen werden. Bei sehr gutartigen Verläufen reicht es im Einzelfall auch, den Betroffenen nur zu überwachen. Sprechen Sie mit Ihrem Neurologen....

Sonja: Hallo, ich bin 37 Jahre alt und leide seit 17 Jahren an MS. Im Laufe der Jahre habe ich Einiges an Medikamenten wie z.B. sämtliche Interferone wie Betaferone, Avonex usw. über mich ergehen lassen müssen. Leider ohne Erfolg bis mir mein Neurologe das Mittel „Tysabri“ vorschlug. Mit anfänglichen Bedenken (nachdem ich mir die Nebenwirkungen zu Gemüte führte) stimmte ich dann dennoch der Einnahme über Infusion zu. Dies liegt nun schon wieder drei Jahre zurück und ich bin seit dem schubfrei. Gott sei Dank, habe aber leider trotzdem noch genügend bekannter Nebenwirkungen der MS. Seit ca. zwei Jahren versuche ich diese bekannten Nebenwirkungen mit einem Homöopathischen-Mittel „Natrium muraticum LM XX“ etwas erträglicher zu machen. Mal funktioniert es besser mal weniger. Nun meine Frage an Dr. Pöhlau: Hallo Dr.! Was halten Sie von der Einnahme dieser zwei Medikamente und halten Sie die Einnahme für sinnvoll oder hätten Sie für mich einen anderen Vorschlag? Vielleicht ganz weg von der Medizin? PS: Was vielleicht noch erwähnt werden sollte: Ich sitze nicht im Rollstuhl benötige aber beim Spazierengehen Stöcke da mein linkes Bein durch den letzten Schub in Mitleidenschaft gezogen wurde und ich seit dem Schwierigkeiten mit dem Gehen habe.

Dr. Dieter Pöhlau: Natalizumab (Tysabri) ist ja gut wirksam zur Schubprophylaxe und Behinderungsprophylaxe, und offenbar wirkt es bei Ihnen ja gut. Ich kenne "Natrium muraticum LM XX" nicht, aber wenn es ein entsprechend potenziertes homöopathisches Arzneimittel ist, dann hat es keine Interaktionen mit Natalizumab und sie können es weiternehmen. Ein generelles Problem der homöopathischen Medizin ist allerdings, dass es keinen Wirksamkeitsbeweis für diese Medikamente gibt. Das Hauptproblem von Tysabri ist eine mögliche Entwicklung von PML, das ist Ihnen sicherlich bekannt. Wer keine Antikörper gegen das JC Virus im Blut hat, hat ein sehr viel geringeres Risiko eine PML zu bekommen.

Uli: Gibt es neue, wirklich wirksame, Behandlungsmöglichkeiten der langjährigen SPMS? Verringerung des EDSS und Verbesserung des subjektiven Befindens?

Dr. Dieter Pöhlau: So richtig neue Verfahren gibt es nicht, Mitoxantron kann sinnvoll sein, bei spinalen Herden intrathekale Kortison-Therapie. Das Befinden kann durch symptomische Therapien, Krankengymnastik, andere Therapien, evtl. Medikamente, Lebensstiländerung und vieles andere gebessert werden...

Dagi: Zur Vorfrage: 7 Läsionen im T2, T1 und Kontrastmittel. Keine Signalintensitätssteigerungen. Im Liquor 4 identische Banden, fragliche zusätzliche. Welche zusätzliche Untersuchungen sind sinnvoll?

Dr. Dieter Pöhlau: Die Messung der Nervenbahnen (visuell evozierte Potentiale, magnetisch evozierte Potentialen, somatosensorisch evozierte Potentiale) können eine sinnvolle Ergänzung sein. Wenn im Liquor und Serum identische oligoklonale Banden vorliegen, kann auch ein systemischer Immunprozess (z.B. eine sog. "monoklonale Gammopathie") vorliegen, die man durch Blutuntersuchungen beweisen kann.

Karin: Was halten Sie von der Anwendung einer Progesteron-Salbe? Sie soll lt. einer Studie zur Verminderung der Läsionslast im MRT führen.

Dr. Dieter Pöhlau: Östrogen und Progesteron wirken immunmodulatorisch, es gibt Hinweise, keine Beweise für einen Nutzen bei der MS. Bei Mangelzuständen oder entsprechenden Symptomen in der Menopause kann eine "Hormonersatztherapie" sinnvoll sein, allerdings erhöht diese das Brustkrebsrisiko und das Thromboserisiko.

Katja: hallo Herr Dr. Pöhlau, bei mir wurde vor 3 Wochen MS diagnostiziert. Vor 19 Jahren hatte ich eine Sehnervenentzündung und seit August 2012 Missempfindungen in Armen und Beinen und Taubheitsgefühl im Gesicht. Mein MRT (vom September) zeigt ca. 7 Läsionen. Keine Kontrastmittelanreicherung. Oligoklonale Banden: 4 in Liquor und Serum. Würden Sie mir eine Basistherapie empfehlen?

Dr. Dieter Pöhlau: Wenn Sie oligoklonale Banden im Liquor und im Serum haben (und evtl. vielleicht sogar die gleichen), dann muss man zunächst überlegen warum, denn für die MS typisch sind "Olis" die nur im Liquor nachweisbar sind. Wahrscheinlich würde ich Ihnen zu einer Therapie raten, allerdings sollten Sie das mit Ihrem Neurologen besprechen, denn wenn jemand eine sehr gutartige MS hat, dann kann es im Einzelfall auch sinnvoll sein, unter Kontrollen ohne Therapie abzuwarten.

Sandra: Sehr geehrte Damen und Herren, bei mir wurde vor ca. 2 Wochen MS diagnostiziert (als klinisch isolierstes Syndrom...) und als zerviklae Myelitis HWK 2-4. Leider hat mich die Ärtzin im Krankenhaus ganz verrückt gemacht und sofort eine Kortison Schubtherapie und hinterher eine Propykaxe empfohlen. Die ganze Diagnose erhielt ich innerhalb von 2 Minuten zwischen Tür und Angel, also im Nach Hause gehen. Das Wochenende war geliefert. Montags bin ich dann gleich zu meinem Neurologen gegangen, der die Kortisontherapie ablehnte, da der "Schub" ja schon 4 Monate zurücklag. Auch zur Prophylaxe meinte er erst einmal abwarten. O.K. da war ich schon etwas ruhiger, bis mich die Ärztin nochmals anrief und mir die letzten Untesuchungsergebnisse mitteilen wollte - immer wieder machen sie die Kortisontherapie, bei uns wird da so gamacht..... Irgendwann war es mir dann zu bunt und ich habe mich bei dem Chearzt erkundigt, der gab mir einen Termin und beruhigte mich erst einmal. Ich wäre ja schon 52 und sollte doch erst mal abwarten und ein Kontroll MRT in ca 2 Monaten machen, dann könnte man immer noch über eine Prohylaxe entscheiden. Toll - der sagt das gleiche wie meine Neuorolge und genau das Gegenteil seiner Stationsärztin. Ich bin einfach total durcheinander, was tun?? Natürlich wäre es mir lieber es wäre eine begine MS (so der Chefarzt) und ich könnte abwarten. Jedoch hat mich diese 2 Minuten Aufklärung der Arztin gründlich verunsichert. Ich habe ein leichtes Taubheitsgefühl in der linken Hand das ganz langasm eider besser wird. Ich konnte auch nicht umhin der Ärztin und dem Chefarzt zu sagen, dass man niemanden im nach Hause gehen einen Arztbrief, mit der Worten: es ist MS, gehen sie sofort zu ihrem Neurologen und machen die empfohlene Therapie, ansonsten och ein schönes Wochenende, leider hab ich keine Zeit......, entläßt. Es gibt Leute die springen wegen so was von einer Brücke....., ich glöaube der Chefarzt hat das auch verstanden, auch dass ich das Vertrauen in seine Klinik verloren habe. Vielleicht können Sie mir einen Rat geben. Ich habe mir zur Sicherheit noch einen Termin in der Uni Klinik geben lassen.

Dr. Dieter Pöhlau: Natürlich sollte man so eine Diagnose in Ruhe mitteilen, Raum für Fragen lassen und einen weiteren Termin anbieten. Wenn Krankheitsaktivität da ist und die Herde im Kopf und der Rückenmarksherd sprechen dafür, dann ist es meist sinnvoll, mit einer Basistherapie zu beginnen. Evtl. kann auch einige Zeit nach dem Schub eine Kortison-Therapie noch sinnvoll sein, sicher dann, wenn noch Kontrastmittelaufnahme der Herde im MRT nachweisbar ist. Die Kollegen der Uniklinik werden wahrscheinlich eine Basistherapie empfehlen.

Karin: Kortison-Pulse haben den Nachteil der Osteoporosegefahr.Sehen Sie noch andere Möglichkeiten bei der SPMS?

Dr. Dieter Pöhlau: Ja, Osteoporose ist ein Thema bei MS, wir sehen viele Patienten, die im Vergleich zur Altersgruppe bereits eine deutlich geminderte Knochenmasse haben. Da die Knochenmasse bei jedem in Laufe des Lebens abnimmt, muss man rechtzeitig gegensteuern, z.B. mit Vitamin D (1000 i.E./Tag bis 2000 i.E). Wenne eine Osteoporose vorliegt, sollte man mit Medimenten (z.B: Bisphoshonaten oder Strontium-Ralenat) einem Fortschreiten der Osteoporose entgegenarbeiten. Formal sind für die SPMS neben Mitoxantron auch Interferon beta Präparate zugelassen.

Helmut: Hallo Herr Dr. Pöhlau, 2010 habe ich Betaferon nach 5Jahren abgesetzt, nehme seither kein Medikament wegen MS. Ich habe keine Schübe aber meine Gehstrecke beträgt 1KM. Auch das MRT zeigt seit langem keine Verschlechterungen. Könnte ich mit Fumarsäure/BG12 nach der Zulassung beginnen oder ist dieses Medikament nur für die schubförmige Form geeignet? Danke Helmut

Dr. Dieter Pöhlau: Fumarsäure (BG12) wird für die schubförmige MS zugelassen werden. Daten für die sekundär chronisch progrediente MS liegen noch nicht vor.

ivory: Guten Abend, inwieweit hilft NEURONSÄURE bei MS?Scheint ja schon ein Zusammenhang zwischen den beiden zu sein.

Dr. Dieter Pöhlau: Hyaluronsäure scheint auch bei der MS eine Rolle zu spielen....aber eigentlich keine gute...das wird zur Zeit systematisch untersucht

jens: hallo,ich leide seit mehreren jahren (2010 diagnostiziert) an chronisch progredienter ms und habe schon therapien mit betaferon,interferon,fampyra,sativex und dantamacrin hinter mir. nach aussage meines neurologen sind damit alle möglichkeiten ausgeschöpft um die spastik des linken beines unter kontrolle zu bringen.haben sie evtl. noch alternativvorschläge?

Dr. Dieter Pöhlau: Wenn die Spastik durch einen oder mehrere Herde im Rückenmark entsteht, dann kommt eine sog. intrathekale Therapie mit einem Depot-Kortison in Frage, das ins Nervenwasser mittels Lumbalpunktion gespritzt wird. Bei schweren Fällen von Spastik kann auch eine Pumpe implantiert werden, durch die in das Nervenwasser ein Antispastikum abgegeben wird (Baclofen). Bevor eine Pumpe implantiert wird, wird durch eine Probebehandlung, bei der mittels Lumbalpunktion eine geringe Menge des Baclofen in das Nervenwasser gespritzt wird nachgesehen, ob diese Therapie klappt. Eine Pumpe wird nur bei sehr gutem Ansprechen auf diese Probebehandlung implantiert. Wenn nur einige Muskeln spastisch sind, kommt auch eine Behandlung mit Botulinum-Toxin in Frage.

Moderator Patricia Fleischmann:

@ Karin: kleiner Nachtrag - hier können Sie den Fatigue-Manager bestellen: www.amsel.de/shop/index.php ODER Sie führen auf Ihrem Smartphone ein MS-Tagebuch, hier die kostenlose App:

https://www.amsel.de/amsel-ev/presse/index.php?kategorie=presseservice&anr=4458&searchkey=app&wholewords=0


Allgemein - Karin: @Fr. Fleischmann: Danke für den Hinweis!


Moderator Patricia Fleischmann: @ Karin: Gern geschehen !

Dagi: Seit meinem letzten Schub habe ich extreme Probleme mit Kältegefühlen in den Armen und Beinen. Kann ich dagegen noch etwas machen, außer Wärmflasche?

Dr. Dieter Pöhlau: Evtl. kommt ein Behandlungsversuch mit Medikamenten in Frage, die "Nerven stabilisieren", Antileptika...

Dagi: Mit welchen Nebenwirkungen muss bei BG 12 gerechnet werden? Gibt es Gegenanzeigen?

Dr. Dieter Pöhlau: Es gibt möglicherweise Magen/Darmprobleme, plötzliche Gesichtsrötungen ("Flush"), selten Blutbildveränderungen, Leberwerterhöhungen. Jedes Medikament, das eine Hauptwirkung hat, hat auch Nebenwirkungen. Über alles ist Fumarsäure meist recht gut verträglich und es sind auch keine unbekannten Nebenwirkunge zu erwarten, da dieses Medikament schon lange zur Behandlung der Schuppenflechte eingesetzt wird.

Dagi: Ich hatte vor meinem Schub eine Behandlung mit Hyaluronsäure wegen Knieathrose. Kann ein Zusammenhang bestehen?

Dr. Dieter Pöhlau: Eher nicht....

ivory: Oh,verzeihung.Meinte NERVONSÄURE. Wie wichtig sowie sinnvoll ist NERVONSÄURE bei MS?

Dr. Dieter Pöhlau: Nervonsäure ist ein sog. Omega-9-Fettsäure (Doppelbindung am 9. Kohlenstoffatom), diese Fettsäure ist in Zellmembranen auch im Myelin enthalten, bei MS-Betroffenen weniger als bei Gesunden. Einen Beweis einer Wirksamkeit gibt es nicht.

tom085: Guten Abend Dr. Pöhlau, haben sie Erfahrungen mit der Horvi Therapie??

Dr. Dieter Pöhlau: Bei der Horvi-Enzymtherapie werden Gifte in sehr hoch verdünnter Form eingesetzt. Ich kenne keine Daten dazu, die für eine Wirksamkeit sprechen, ich würde deshalb zunächst davon abraten.

Moderator Patricia Fleischmann: @ ivory: Seit etwa einer Woche gibt es Neuigkeiten zu einem Enzym, das beim Abbau der Hyaluronsäure entsteht: Bei Tierexperimenten sorgte dessen Blockierung für eine Verbesserung der Nervenzellfunktionen. Bis daraus ein Medikament werden könnte, Verträglichkeit nebst Wirkung vorausgesetzt, vergehen allerdings Jahre, s. AMSEL.DE: https://www.amsel.de/multiple-sklerose-news/medizin/index.php?kategorie=medizin&anr=4558

tom085: Können Interferone Hautunreinheiten (Akne) fördern bzw. verstärken?

Dr. Dieter Pöhlau: Interferone können Reaktionen an der Einstichstelle machen und die Haut "ärgern". Sie können über andere Mechanismen wahrscheinlich auch eine Akne verstärken, allerdings gibt es für Akne viele Ursachen...

Karin: Wie wichtig erachten Sie den Ernährungsgesichtspunkt? Was sollte man beachten?

Dr. Dieter Pöhlau: Ernährung spielt eine Rolle bei der Entstehung und wohl auch beim Verlauf der MS. Also: möglichst tierische Fette vermindern, vermehrt Öle mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren (Rapsöl, Maiskeimöl...), viel Obst und Gemüse (enthalten u.a. Vitamine und Antioxidantien), genügend Ballaststoffe...

tom085: Sollte man als MS-Erkrankter keine Vitamin A Präperate zu sich nehmen?

Dr. Dieter Pöhlau: Vitamin A ist fettlöslich und kann überdosiert werden. 0,8mg/Tag werden empfohlen. Wenn man länger das ca. 5 fache dieser Dosis zu sich nimmt, kann es Probleme geben.

Moderator Patricia Fleischmann: Ok, noch eine Viertelstunde - fragen Sie jetzt !

ivory: Aber wäre es schädlich trotzdem Nervonsäure zu nehmen,wenn man MS hat?

Dr. Dieter Pöhlau: In geringen Dosen wahrscheinlich nicht

Karin: Sie haben oben auch von einer Interferonbehandlung bei SPMS gesprochen. Ich habe zu Anfang meiner MS Betaferon gespritzt. Bin dann wegen Unverträglichkeit auf Copaxone umgestiegen. Ist Interferon dann jetzt kontraindiziert oder könnte man es nochmal probieren? Wie oben gesagt habe ich Angst vor Mitox! Wäre das also vllt. nochmal eine Alternative?

Dr. Dieter Pöhlau: Wenn Sie es damals "nicht vertragen" haben, besteht das Risiko der Unverträglichkeit wahrscheinlich immer noch. Am Besten, Sie besprechen das mit Ihrem Neurologen.

Ilsebill: Guten Abend Dr. Pöhlau, ich hatte vor 6 Monaten eine sehr schwere Entzündung im RM und sitze seitdem im Rollstuhl. Hierbei handelte es sich um meinen zweiten Schub (Diagnose erst seit Dezember 2010). Ich habe die Hoffnung irgendwann wieder Laufen zu können, gibt es Möglichkeiten die Heilung der Entzündung im RM zu beschleunigen oder zu begünstigen?

Dr. Dieter Pöhlau: Bei Rückenmarksherden kommt eine intrathekale Therapie mit einem Depot-Kortison (Triamcinolonacetonid - Volon A) in Frage, selbstverständliche sollten Sie Krankengymnastik machen.

Ilsebill: Vielen Dank für den Tipp!! Was halten Sie von Nahrungsergänzungen? In Asien gibt es kaum MS. Könnte dies mit der Ernährung zusammenhängen? Omega-3-Fettsäuren+Vitamin D (beides in Fisch enthalten) und Grünem Tee sagt man eine entzündungshemmende Wirkung nach. Außerdem wird in Asien kaum Milch getrunken (wegen Laktoseintoleranz), der man einer entzündungsfördernden Wirkung nachsagt. Gibt es diesbezüglich neue Studien?

Dr. Dieter Pöhlau: Fetter Seefisch enthält viele mehrfach ungesättigte Fettsäuren, ist also eher nützlich. Grüner Tee enthält Wirkstoffe, die im Tiermodell der MS wirksam sind, einen Beweis für die Wirksamkeit beim Menschen liegen nicht vor (in Asien werden auch sehr große Mengen von grünem Tee getrunken). Milch enthält rel. viel tierische Fett. Allerdings gibt es auch genetische Unterschiede zwischen Asiaten und Kaukasiern.

Karin: Was ist mit Leinöl?

Dr. Dieter Pöhlau: Leinöl enthält Linolensäure (Omega-3-Säure) und Linolensäure (Omega-6-Säure) im guten Verhältnis von 6:1, beides sind mehrfach ungesättigte Fettsäuren und von daher möglicherweise nützlich bei der MS. Studien aus den 80er Jahren fanden einen Nutzen bezügloich Schubreduktion und Progressionsverlangsamung bei schubförmiger MS, allerdings genügen diese Studien nicht mehr heutigen Standards.

Flower: Guten Abend Dr. Pöhlau. Ich habe seit Jan 2012 die Diagnose MS. Auslöser war ein Doppelsehen und ich war 3 Tage im Krankenhaus mit Kortisontherapie. Ich nehme nun 1x pro Woche Avonex und vertrage dies mittlerweile ganz gut. Nach der ersten Panik und ständigen eigenen Überwachungen weiterer Symptome und Einschränkungen ist jetzt "Normalität" eingekehrt. Meine Frage ist nach Ihrer Erfahrung, welchen Einfluss die Psyche / positive Einstellung auf den Krankheitsverlauf hat / haben kann.

Dr. Dieter Pöhlau: Die Trennung zwischen Körper und Seele ist so nicht haltbar. Neu Studien zeigen, dass ein besseres Umgehen mit Stress, Entspannung zu weniger neuen Herden führt. Es ist gerade bei der MS wichtig, zu lernen, mit der Erkrankung umzugehen, eine gute Krankheitsverarbeitung ("Coping") zu haben. Die Lebensqualität hängt sehr von Gefühlen ab, wird massiv durch Ängste und Depression verschlechtert. Aber auch da gibt es Behandlungsmöglichkeiten, "Copingtraining", Entspannungsverfahren, Psychotherapie....

jens: Danke für die Empfehlung.Können Sie mir Kliniken im Raum Konstanz empfehlen? Ich habe mich schon an der Uni Ulm und am MRI München vorgestellt, Leider werde ich dort für entsprechende Studien nicht zugelassen. Symptomatisch konnten die mir nicht weiterhelfen. Ab Januar habe ich eine Reha bei Schmieder in Konstanz. Soll ich solange abwarten?

Dr. Dieter Pöhlau: MS erfahrene Zentren können Ihnen weiterhelfen, die DMSG verleiht ein Gütesiegel an solche Zentren, fragen Sie am besten danach...gerade bei der Behandlung von Symptomen kann man doch viel tun um die Lebensqualität zu bessern. Wenn es Ihnen nicht gut geht, ist es vielleicht besser, nicht zu lange zu warten.

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, für heute müsse wir den Expertenchat beenden. Weiter geht es am 20. November, Dienstagabend, 19-20.30 Uhr. Ganz herzlichen Dank an Herrn Dr. Dieter Pöhlau für sein Engagement hier. Einen schönen Abend allen zusammen !

Redaktion: AMSEL e.V., 06.11.2012