Impfen & Reisen bei MS

Kochen, schälen oder links liegen lassen: In manchen Ländern sollte man auf frisches Gemüse verzichten, so Dr. Martin Rösener am 6.6.06 im AMSEL-Expertenchat.

Moderator Patricia Fleischmann: Guten Abend, liebe Chatterinnen & Chatter, herzlich willkommen Dr. Martin Rösener! Heute geht es um Reisen & Impfen bei MS. Ein Thema übrigens auch auf dem Aktionstag der AMSEL am 15. Juli. - Die ChatTore sind geöffnet.

Corina: Hallo Dr. Rösener! Ich hab eine Frage zum Impfen: Wie wahrscheinlich ist es, dass durch eine Impfung ein Schub ausgelöst wird und ist es möglich, dass eine Impfung nicht richtig wirkt, wenn man Copaxone nimmt?

Dr. Martin Rösener: Guten Abend auch von hier aus. Wenn das Wetter nun wirklich besser wird, wird man doch angeregt über den Urlaub nachzudenken. Was dabei für die Patientinnen und Patienten mit Multipler Sklerose zu beachten ist soll heute abend hoffentlich lebhaft diskutiert werden. Zur Frage: Impfung mit Todimpfstoffen löst, nach allem was darüber bekannt ist, keine Schübe bei Multipler Sklerose aus. Alle üblichen Impfungen bestehen heute aus Todimpfstoffen, z. B. Tetanus, Diphtherie, Kinderlähmung usw.. Für Lebendimpfstoffe ist das Schubrisiko nicht so genau bekannt, deshalb wird diesbezüglich zur Zurückhaltung geraten. Lebendimpfstoffe werden allerdings nur ganz selten noch eingesetzt, z. B. bei der Gelbfieberimpfung und bei der Impfung gegen Pocken. Ob Copaxone die Impfwirkung beeinträchtigt ist bislang nicht untersucht. Für die Betainterferone weiß man, daß diese Immunmodulatoren keinen negativen Einfluß auf die Impfwirkung haben. Bei Copaxone sollte man einfach impfen und dann ggf. die Antikörperentwicklung messen.

Spatz: Zur Behandlung mit Interferon hätte ich gerne eine Behandlung eines Homeopathen um den Körper zu entgiften und ist eine Entfernung von Amalgam an den Zähnen erforderlich und wer kann dies fachgerecht machen. Unser Sohn ist 33 und seit Okt. 05 ist die MS bekannnt. Eine Therapie um mit beruflichem Stress besser umgehen zu können fände ich gut. Er wohnt in Tübingen wen kann man empfehlen? Danke

Dr. Martin Rösener: Diese Frage gehört nicht ganz zum Thema, vielleicht sind sie im falschen Chat gelandet. Eine homöopathische Entgiftungsbehandlung und eine Amalgamentfernung helfen bei Multipler Sklerose eindeutig nicht und werden deshalb zurecht nicht von der Krankenkasse bezahlt. Geeignet zur Verbesserung des Umganges mit beruflichem Streß sind Kurse, die von Krankenkassen oder von der Volkshochschule angeboten werden, und im wesentlichen die Fähigkeit vermitteln sich schnell und gut entspannen zu können. Diese Kurse werden sicher auch in Tübingen angeboten.

Ulla: Guten Abend Herr Dr. Rösener. Meine Frage ist, ich möchte im November eine Rollstuhlreiise nach Ägypten (Nilkreuzfahrt und 2 Tage Kairo) machen. Ich spritze Rebif, es ist nicht unbedingt Pflicht geimpft zu sein. Welcher Meinung sind sie, denn wenn das Immunsystem künstlich heruntergedrückt wird, ist es ja nicht so leicht mit den Nebenwirkungen der Impfungen. Ich bin da im Moment hin und hergerissen. Soll ich impfen oder nicht.

Dr. Martin Rösener: Patientinnen und Patienten mit Multipler Sklerose und auch unter Behandlung mit Rebif sollten gegen übliche Infektionskrankheiten geimpft sein. Das gilt v. a. für Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten und Kinderlähmung. Vermehrte Nebenwirkungen sind unter der Behandlung mit Rebif nicht zu erwarten. Der Impferfolg ist unter Rebif nicht vermindert. Für eine Reise nach Ägypten sollte auch eine Impfung gegen Hepatitis überlegt werden. Wenn Sie unter einer Wärmeintoleranz leiden, d. h. sich bei Hitze schlechter fühlen, sollten sie geeignete Maßnahmen vorbereiten.

Corina: Wie kann man sich denn auf eine Reise vorbereiten, wenn man nicht weiß, wie man auf den Klimawechsel reagiert oder auf Hitze. Ich gehe nämlich im September für ein halbes Jahr nach Namibia und weiß erst seit Januar, dass ich MS habe und weiß deshalb noch nicht, wie ich auf Hitze reagiere.

Dr. Martin Rösener: Ich beneide Sie um den Aufenthalt in Namibia. Das Problem mit der Wärmeintoleranz stellt sich meist erst im Verlauf der Erkrankung, d. h. wenn schon neurologische Störungen bestehen. Dann kommt es dazu, daß die Patienten z. B. an einem heißen Sommertag schlechter laufen können. Mit einer gerade erst diagnostizierten Multipler Sklerose brauchen Sie sich damit wahrscheinlich nicht beschäftigen. Ansonsten würden Sie es im Sommer, so er denn bei uns nochmal kommt, schon merken. Bei der Reisevorbereitung würden Sie dann z. B. darauf achten, in heißen Regionen immer eine Klimaanlage in der Unterkunft zu haben. Dort könnten Sie sich dann jeweils wieder erholen.

Corina: Ist es möglich einen Schub mit Kortison-Tabletten zu behandeln?

Dr. Martin Rösener: Ein behandlungsbedürftiger Schub setzt neue neurologische Störungen, die länger als 48 h andauern und nicht ausschließlich aus Gefühlsstörungen bestehen, voraus. Nach den Empfehlungen der MSTKG, einem beratenden Ärztegremium der DMSG, werden Schübe mit 1000 mg Methylprednisolon (Urbason) über 3 - 5 Tage intravenös behandelt. Die Indikation zu einer Schubtherapie sollte immer ein Neurologe stellen. Schübe treten natürlich auch im Urlaub und im Ausland auf. Nicht immer ist es dort möglich einen in der Behandlung der Multiplen Sklerose erfahrenen Neurologen zu finden. In Einzelfällen und bei erfahrenen Patienten, die bereits gelernt haben zwischen der Wärmeintoleranz und einem Schub zu unterscheiden, verordne ich eine große Menge Cortisontabletten, die dann im Falle eines Schubes von den Patienten eingenommen werden können. Meist verabrede ich vorher noch eine telefonische Rücksprache. Damit gilt: In Einzelfällen und bei guter Vorbereitung ist es möglich einen Schub im Ausland mit Tabletten zu behandeln.

Corina: Verträgt man denn soviel Kortison in Tablettenform dann schlechter, weil Kortison doch ziemlich auf den Magen geht und man sogar bei Infusionen Magenschutz nehmen muss?

Dr. Martin Rösener: Die Frage ist sehr berechtigt. Natürlich ist das nicht so einfach. Ich verordne 50 Tabletten Urbason 40 mg, die über 5 Tage eingenommen werden müssen. D. h. täglich müssen 10 Tabletten genommen werden. Die Gesamtdosis ist dann 5 x 400 mg. Ein Magenschutz mit z. B. Omeprazol sollte selbstverständlich immer dazu genommen werden. Für Menschen mit empfindlichem Magen ist diese Behandlung schwierig.

Moderator Patricia Fleischmann: @alle: Tysabri ist wieder auf dem US-Markt zugelassen. Diese Meldung hat unsere Redaktion eben erreicht.

Corina: Wirken die Tabletten genauso gut, wie Infusionen? Die Dosis ist ja dann auch geringer, als bei Infusionen.

Dr. Martin Rösener: Es ist richtig, daß die Dosis mit den Tabletten geringer ist. Ich hoffe deutlich gemacht zu haben, daß die Schubtherapie mit Tabletten nur ausnahmsweise in einer besonderen Situtation, z. B. im Urlaub im Ausland eingesetzt werden sollte. Die Standardbehandlung bleibt die hochdosierte Infusion. Ob die Wirkung geringer ist, wurde bislang nicht überprüft. In jeden Fall ist die Gabe der Tabletten in der speziellen Situation besser, als garnichts zu tun. Häufiger erlebe ich, daß die Patienten, die die Tabletten mit in den Urlaub genommen haben, keinen Schub bekommen. Möglicherweise wirkt die auch im Urlaub vorhandene Behandlungsmöglichkeit so beruhigend, daß gar kein Schub auftritt.

Moderator Patricia Fleischmann: Übrigens: Der nächste Chat "Urlaub mit MS" schließt sich thematisch an diesen hier an. In zwei Wochen geht es dann um "die schönsten Tage im Jahr". Eine hübsche Gelegenheit, in Vorfreude den eigenen Urlaub zu bequatschen und die Erfahrungen von andern - per Chat - nachzuerleben.

Corina: Sollte man sich irgendwie besonders vor "normalem Krankheiten" schützen, weil doch ein Schub auch durch eine Erkältung oder so ausgelöst werden kann. Im Ausland gibt es ja viel mehr Krankheiten, kann man sein Immunsystem davor durch irgendetwas besonders stärken?

Dr. Martin Rösener: Erkältungen durch Viren und auch bakterielle Infektionen können tatsächlich Schübe auslösen. Eine Stärkung des Immunsystems wäre bei Vorliegen einer Multiplen Sklerose allerdings genau der falsche Schritt, denn gerade diese Stärkung könnte ja einen Schub auslösen. Vor Immunstimulantien sei deshalb gewarnt. Sei können dennoch etwas tun. Die Ernährung sollte ausgewogen gestaltet sein und viel Obst, Gemüse und Salat enthalten, um die Versorgung mit Vitaminen zu gewährleisten. In Ländern mit heikler Hygiene gilt allerdings: "Boil it, peel it or leave it". Das gilt besonders für Salate. Sie sollten sich ausreichend sportliche betätigen. In heißen Ländern sind dann noch die Klimaanlagen von denen vorhin schon die Rede war besonders gefährlich. Durch häufigen Wechsel zwischen heißem "Außen" und eiskalt klimatisiertem "Innen" kann man sich besonders leicht erkälten. Es ist deshalb angeraten auch in sehr heiße Länder die entprechende Kleidung (Pullover) mitzunehmen.

Corina: Wissen Sie, ob es eine Möglichkeit gibt mit MS eine Auslandskrankenversicherung zu bekommen? Normalerweise sind chronische Krankheiten nicht versicherbar.

Dr. Martin Rösener: Sie können eine Auslandskrankenversicherung abschließen, bei Abschluß wird nicht nach Vorerkrankungen gefragt. Allerdings sind Vorerkrankungen von der Leistung ausgenommen. D. h. wenn Sie im Urlaub einen Autounfall oder eine Blinddarmentzündung haben ist alles versichert, wenn Sie einen Schub der Multiplen Sklerose haben ist nichts versichert. Sie müssen im Einzelfall entscheiden, ob sich der Abschluß einer solchen Versicherung lohnt. Allerdings kosten diese Versicherungen auch für längere Auslandsaufenthalte nicht besonders viel.

Karsten: Hallo miteinander! Sind Kombinationsimpfungen Einzelimpfungen vorzuziehen? Haben die Nachteile?

Dr. Martin Rösener: Kombinationsimpfungen haben Vor- und Nachteile gegenüber den Einzelimpfungen. Dies gilt für Gesunde ebenso wie für Patienten mit Multipler Sklerose. Der wichtigste Vorteil ist, daß man bis zu 6 Impfstoffe in einer Spritze und mit einer Injektion bekommt und nicht 6 mal gestochen werden muß. Auch die Nebenwirkungen (möglich sind Fieber, Schüttelfrost, Muskel- und Gliederschmerzen, Abgeschlagenheit) hat man nur einmal. Allerdings können die Nebenwirkungen etwas heftiger sein als bei Einzelimpfung. Es muß sich jeder selbst entscheiden, was ihm lieber ist.

Balu: Guten Abend, Meine Frage betrifft Impfen unter Mitoxantron und sek.prog.MS. Meine letzte Infusion ist 3 Monate her. Habe gehört, daß man nach 3 Monaten impfen kann, Kann ich mich jetzt noch gegen FSME impfen lassen, oder ist es jahreszeitlich schon zu spät? Geht es unter Mitox überhaupt und was kann ich überhaupt impfen lassen

Dr. Martin Rösener: Die vollständige Impfung gegen FSME schützt mindestens 3 Jahre und irgendwann muß man beginnen. Wenn die Impfung nicht in diesem Jahr schützt, dann schützt sie wenigstens im nächsten Jahr. Gegen FSME sollte man dann impfen, wenn ein relevantes Risiko besteht, von Zecken gestochen zu werden, die das Virus tragen. Wer immer nur vor dem Computer sitzt braucht nicht gegen diese Erkrankung geeimpft zu werden. Mitoxantron unterdrückt das Immunsystem, während die Betainterferone und Copaxone es nur modulieren. Der Impferfolg kann deshalb gefährdet sein und um sicher zu gehen, sollten die Antikörpertiter nach der vollständigen Impfung kontrolliert werden.

Balu: Danke Herr Dr. Rösener, Wohne am Wldrand von Stuttgart und habe einen kleinen Sohn, der viel raus will, also werde ich mich demnächst impfen lassen. Vielen Dank

Dr. Martin Rösener: Bitte, bitte, wenn ich helfen konnte hat sich der Chat schon gelohnt.

Moderator Patricia Fleischmann: Ich schließe mich dem Dank an, der freilich genauso an die Chatter geht, für ihre interessanten Beiträge! In 2 Wochen also "Urlaub mit MS". Würde mich freuen, Sie dann wieder zu treffen. Einen schönen Abend miteinander!

Wolke: Hallo Herr Dr. Rösener Zu Mitox habe ich die folgende Frage: Stimmt es daß man nur Todimpfstoffe impfen lassen kann? Wenn ja, was gehört zu diesen Impfstoffen? Danke im Voraus

Dr. Martin Rösener: Ich habe schon einmal darüber geschrieben. Die meisten gebräuchlichen Impfungen werden mit Todimpfstoffen gemacht, dazu gehören z. B. Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten, Kinderlähmung, FSME und Hepatitis. Lebendimpfstoffe sind nur noch z. B. gegen Gelbfieber, Pocken, Masern, Mumps und Windpocken im Einsatz. Wegen der Multiplen Sklerose und der theoretisch möglichen Schubauslösung sollten Lebendimpfstoffe nur mit strenger Indikation eingesetzt werden.

Moderator Patricia Fleischmann: Dr. Rösener beantwortet noch diese letzte Frage, dann schließen die Chattore für zwei Wochen.

Redaktion: AMSEL e.V., 06.06.2006