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Immunmodulation bei Multipler Sklerose

Eine engmaschige klinische und bildgebende Überwachung kann die Entscheidung für ein höher wirksames Medikament erleichtern. - Mehr dazu im Chatprotokoll mit Dr. Christoph Uibel.

Patricia Fleischmann: Herzlich willkommen zum Multiple-Sklerose-Expertenchat der AMSEL! Ab 19 Uhr antwortet hier Dr. Christoph Uibel, Oberarzt am Klinikum Würzburg-Mitte. Gern dürfen Sie jetzt schon Ihre Fragen rund um die Immuntherapie der MS loswerden 🗨️😀

Patricia Fleischmann: Hallo Lisa, hallo toni, ich bitte noch um ein klein wenig Geduld. Dr. Uibel antwortet ab 19 Uhr.

Dr. Christoph Uibel: Schönen guten Abend - ich möchte alle TeilnehmerInnen herzlichst begrüßen und auffordern Ihre Frage zu stellen- ich hoffe ich kann diese beantworten!
C.Uibel

Dr. med. Christoph Uibel

  • Oberarzt der Neurologie – Klinikum Würzburg Mitte
  • Facharzt für Neurologie, Facharzt für Psychiatrie
  • klinischer Schwerpunkt in der Betreuung von Patienten mit chronisch entzündlichen ZNS Erkrankungen, darunter Multipler Sklerose
  • Erstdiagnose, Beratung, Therapieeinleitung sowie Differentialdiagnostik der MS.
  • Spezialthema: late-onset MS
  • Studien zu neuen MS-Medikamenten

Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, eine Sache noch kurz: Unser Expertenchat endet heute schon um 20.15 Uhr anstatt erst 20.30 Uhr. Ein Grund mehr vielleicht, gleich alle FRagen an Dr. Uibel zu stellen, die Ihnen einfallen. Er ist bereits am Antworten.

Lisa H.: Guten Abend Dr. Uibel! Ich nehme seit 1,5 Jahren (Erstdiagnose war vor knapp 2 Jahren) Glatirameracetat, was ich grundsätzlich gut vertrage, allerdings sind seither 4 neue Läsionen, 3 seit Mai hinzugekommen. Deswegen überlege ich nun zu welcher Therapie ich wechseln sollte. Ich bin 30, weiblich, kein Kinderwunsch momentan aber definitiv in den nächsten 3-10 Jahren, und Injektionen sind mir lieber als Tabletten (empfindlicher Magen/Darm). Mein Neurologe hat mir heute Tecfidera Dimethylfumarat, Fingolimod Gilenya oder Kesimpta Ofatumumab zur Auswahl vorgeschlagen. Haben Sie noch weitere Ideen?
Dr. Christoph Uibel: Ich denke, dass in Anbetracht der neuen Läsionen im MRT unter Glatirameracetat eine depletierende Therapie mit zum Bsp Kesimpta sinnvoll wäre - alternativ bzgl. Ocrelizumab (Ocrevus) scheint es auch bzgl dem Kinderwunsch nach den jüngsten Ergebnissen positiv auszusehen

toni: Guten Abend zusammen, seit ca. 2 Jahren werde ich mit Diroximelfumarat behandelt und habe trotz Vorkehrungen (Milchprodukte) Probleme mit meiner Verdauung. Es wird mir übel wenn ich etwas zu viel oder zu fett esse. Bei manchen Nahrungsmitteln bekomme ich einen starken Ausschlag (ähnelt einem Sonnenbrand). Was sollte man bei der Therapie mit Immunsuppressivum auf keinen Fall machen bzw. beachten?
Dr. Christoph Uibel: zu beachten wäre das Blutbild mit den Lymphozyten die nicht anhaltend unter 500/µl sinken sollte ,
bzgl der Nebenwirkungen sollte es unter Vumerity Diroximelfumarat ja besser sein - wenn es zu störend ist sollte man doch über einen Wechsel der Immunmodulation nachdenken

Barny: Guten Abend zusammen,
seit Aug 2014 nehme ich Tecfidera als Basistherapie, vorher habe ich Rebif gespritzt.
Die Diagnose habe ich seit 1993, bin noch voll Berufstätig und fahre auch noch Motorrad.
Leider sind seit langer Zeit vom Gefühl her meine Füsse wie in Watte gepackt. Auch die Oberschenkel schmerzen
und die Rippenbögen mal mehr oder weniger.
Meine Lymphos bewegen sich immer so knapp unter 800. Sollte ich mal über einen Wechsel der Therapie nachdenken ? Wenn ja, was könnte eine Empfehlung sei ?
Vielen Dank im Voraus
Dr. Christoph Uibel: soweit ich das beurteilen kann ist die MS doch recht stabil - es wäre die Frage ob die Beschwerden mit der MS zusammenhängen? Falls in den letzten 6-12 Monaten keine Bildgebung des Kopfes und des Rückenmarks durchgeführt wurde wäre dies doch eine zu überlegende Diagnostik - zur Frage Aktivität und Erklärung der Beschwerden
davor steht natürlich eine körperliche Untersuchung für die Zuordnung

TP: Guten Abend Dr. Uibel, ich (33, weiblich) habe vor wenigen Wochen die Diagnose MS erhalten. 2017 hatte ich eine Sehnerventzündung, die sich aber vollständig zurückgebildet hat. Seitdem war ich regelmäßig im MRT und nun waren multiple Herde zu erkennen. Jetzt soll ich mich für eine Therapieform entscheiden. Körperliche Einschränkungen habe ich keine. Zur Auswahl wurden mir Kesimpta und Cladribin vorgeschlagen. Haben Sie bereits praktische Erfahrungswerte mit Kesimpta sammeln können, zum Beispiel zu Wirksamkeit, Verträglichkeit, Reduzierung von Schüben und Läsionen etc.? Soweit ich weiß wird es noch nicht so lange eingesetzt.
Dr. Christoph Uibel: Kesimpta ist wie Ocrevus eine B-Zell depletierende Therapie und hat den Vorteil der einfacheren Handhabung mit der subcutanen Gabe - es ist gut verträglich, was man auch daran sieht dass man vor der Applikation keine Vortherapien wie Cortison benötigt - es hat in den Zulassungsstudien wie Ocrevus eine sehr gute Wirkung gezeigt - wäre also eine gute Entscheidung

Diana75: Guten Abend, ich bin 47 Jahre alt nehme seit 5 Jahren Gilenya. Dies habe ich bis vor einem Jahr gut vertragen und ich war ansich zufrieden.
Dann jedoch vor einem Jahr fing es an das ich ständig krank war, hatte Infektionen, dadurch auch 2 neue Herde, dazu kam eine Corona Infektion und dann kam ich überhaupt nicht mehr richtig in die Höhe. Körperlich und auch kognitiv ließ die Lebensqualität sehr. Meine Frage...sollte ich Gilenya absetzen? Wenn ja...was wäre denn die Alternative?
Dr. Christoph Uibel: sicherlich keine einfache Situation - die neuen Herde zeigen doch eine weitere Aktivität - ein Weg wäre zunächst die weitere Therapie mit Gilenya und eine engmaschige klinische und MRT Überwachung (zum Bsp 6 Mo nach der letzten Untersuchung)
der zweite Ansatz wäre doch eine Umstellung auf eine etwas höher aktive Substanz wie zum Beispiel Ocrelizumab oder Ofatunumab - das muß aber gut abgewogen werden -
Ich denke ich würde noch den ersten Weg empfehlen - vielleicht wäre auch eine MS spezifische Rehabilitation ein Vorschlag

Barny: Vielen Dank Herr Dr. Uibel,
das letzte MRT habe ich aus 2020 und es ergab keine Änderungen gegenüber dem MRT aus 2014.
Die Lymphos halten sich auch nur so um die 800, weil ich die Dosis an Tecfidera ein wenig angepasst habe.
Gut , es hat zwar so keine Zulassung mehr aber bei voller Dosis wäre ich schon raus...
Dr. Christoph Uibel: Wenn die Situation von den Beschwerden her stabil ist, passt es - aber ein Verlaufs-MRT alle 2 Jahre wäre sinnvoll - ggf., um  bei stabilen Lymphos die Dosierung anzupassen. - Viele Grüße C.Uibel

July: Guten Abend Dr. Uibel,
eine Frage zu immunsuppressiven Therapien:
Wie ist ihre Einschätzung zum Thema Reisen in tropische Gebiete mit Kesimpta? Unter Berücksichtigung der hohen Bakterien-/Virenlast in diesen Gebieten.
Vielen lieben Dank!
Dr. Christoph Uibel: Natürlich keine Einwände aber ein paar Dinge die zu beachten wären:
- notwenige Impfungen? - unter der Therapie keine Lebendimpfung
- besteht ein Utthof Phänomen - also vertragen sie gut die Hitze - falls nicht Kühlweste mitnehmen.- zum Bsp
- bzgl der Bakterien und Virenlast hätte ich bei vorsichtigem Verhalten vor Ort (Trinkwasser etc) keine wirklichen Bedenken

ClaMi: Guten Abend Dr. Uibel. Ich werde seit meinem letzten Schub, mitte 2020, mit Ocrevus behandelt. Frage 1: Die Symptome hatten sich deutlich verbessert, haben sich dieses Jahr aber merklich verschlechtert. Ist Ocrevus hier noch die richtige Therapie? Wie kann ich das beurteilen? Frage 2: Meine Immunglobuline sind deutlich unter dem Sollwert. Welche Auswirkungen kann das haben? Besten Dank und viele Grüße
Dr. Christoph Uibel: Ocrevus ist ja schon ein paarmal angesprochen worden und wirklich eine gut wirksame Therapie
Falls sich die Symptome verschlechtert haben ist es wichtig zu wissen ob es wirklich ein Schub ist - ob es sich auch in der Bildgebung als neue Aktivität zeigt und wie der Leidensdruck ist
Falls weitere Aktivität passend zu den Schüben besteht wäre eine Schubtherapie mit Cortison zu überlegen
Falls die Immunglobuline unter dem Sollwert sind ist es wichtig ob sie auch vermehrt Infekte haben - dann wäre - natürlich in Rücksprache mit der dem betreuenden Neurologin - eine Immunglobulingabe zu überlegen
Eine Therapiewechsel wäre bei weiterer Aktivität dann zu überlegen

Lisa H.: Vielen Dank für die hilfreiche Antwort!
Dr. Christoph Uibel: Sehr gern geschehen!

Andrea A.: Guten Abend Herr Dr. Uibel,
vielen Dank dass sie sich die Zeit nehmen und uns MS-Patent:innen mit ihrer Expertise unterstützen. Zu mir, 25 Jahre alt, Studentin, seit 08/2022 RRMS diagnostiziert, dann seit 08/2022 Basistherapie Copaxone. Seit 08/2022 bis jetzt hatte ich gehäuft Sehstörungen, Sensibilitätsstörungen (kribbeln), schleiersehen u.ä. -> heute verstärkt Spastiken in der Hand + Fatigue… Im Dez. habe ich eine Verlaufs-MRT vom Neurocranium. Ich befürchte, dass die Therapie nicht ausreichend anschlägt und neue Läsionen sich gebildet haben… Meine Neurologin hatte mir im Vorfeld gesagt dass sie evtl. auf Dimethylfumarat umsteigen würde… Ich weis dass sie mir aufgrund meiner Schilderungen nicht sagen können, ob sich neue Läsionen gebildet haben und ich das finale Ergebnis meiner Untersuchung abzuwarten habe.
Zwecks Therapieform, was wäre ihrer Meinung nach die schlichteste und beste Therapie-Option für eine Studentin, die noch normal an ihren Veranstaltungen teilnehmen will? Würden Sie sich noch an meiner Stelle vor einem evtl. Therapiewechsel einer Cov19-Impfung unterziehen (Dritte Impfung liegt fast 1 Jahr zurück)
Herzlichen Dank !
Dr. Christoph Uibel: Hallo
die geschilderten Beschwerden sind sicherlich sehr störend - wichtig wäre es ob es sich um kürzer anhaltende Beschwerden handelt - da man von einem Schub spricht wenn neue Beschwerden > 24 Stunden anhalten , und die sie nicht auf ein Utthof P. zurückzuführen sind (also bei Körpertemperaturerhöhung auftreten)
falls neue Herde vorhanden sind wäre ein Wechsel zu überlegen wobei die Zeit ab 8/22 doch recht kurz ist - vielleicht noch etwas Geduld - besonders wenn die Bildgebung stabil ist
eine vierte Impfung ist zu empfehlen

toni: Vielen Dank Herr Dr. Uibel, nachdem ich unter Glatirameracetat fast nicht mehr laufen konnte, ist das erst einmal auszuhalten. Ich werde es beobachten und nochmal durchsprechen. Alles Gute toni
Dr. Christoph Uibel: Sehr gern geschehen, auch Ihnen alles Gute!

Simon94: Wie sind den die Perspektiven mit den hochaktiven Therapien wie Kesimpta und Ocrevus, wenn man schon im jungen Alter beginnt und vermutlich noch viele Jahrzehnte der Therapie vor sich hat?
Dr. Christoph Uibel: Die bisherigen Daten sprechen für eine gute Perspektive - wie gesagt bislang keine Signale für vermehrte Tumorerkrankungen oder nachlassende Wirkung. Was nach einer langen Therapiedauer ist (zum Bsp, > 20Jahre), bleibt noch offen, aber eine Option bei stabilem Verlauf und stabilen MRT wäre die Deeskaltion auf eine niedrigere aktive Substanz bei langem stabilem Verlauf und stabilen MRTs -  Viele Grüße C.Uibel

Andrea A.: Sehr geehrter Herr Dr Uibel, vielen Dank für Ihre Hilfe =)
Dr. Christoph Uibel: Sehr gern geschehen!

Natalie: Guten Abend Dr. Uibel,
Ich bin männlich, 29 und habe dieses Jahr meine Diagnose erhalten. Klare Schübe kann ich im Nachhinein nicht genau festmachen, aber schon deutliche Einschränkungen (Probleme beim Gehen, Schleiersehen, Blasenschwäche, Fatigue, Schwindel, schwache Hand). Mir wurde aber eine milde remittierende MS diagnostiert und ich werde mit Rebif behandelt. Ich habe die Befürchtung, dass es eher ein progressiver Verlauf und somit die Medikation zu schwach ist. Wie oder wann stellt man fest, ob es ein progressiver Verlauf ist?
Dr. Christoph Uibel: bei primär progressiven Verläufen sind keine Schübe abgrenzbar, die Patienten sind statistisch gesehen bei Beginn der Beschwerden etwas älter und das Geschlechterverhältnis ausgeglichener - also mehr Männer
es besteht oft eine langsame Verschlechterung der Beschwerden die häufig auch die Beine das Gehen betrifft
Dann sollte man - wie Sie es sagen - auf eine Therapie auf eine höher wirksame Substanz am Besten eine B-Zell Therapie umstellen

Andrea A.: Noch einmal eine kurze frage: MS mit Fokus kognitiver Schwäche... Würden Sie eher eine immunmodulierende Therapie oder eine immunsuppressive Therapie vorschlagen?
Dr. Christoph Uibel: So recht unterschiedlich sind die Begriffe nicht zu verwenden - ich meine das wichtigste ist der stabile Verlauf bei keinen oder akzeptalen Nebenwirkungen - bzgl der Kognition ist eher der schubunabhängige Verlauf mit der über Jahre auftretenden Atrophie - Untergang der Nervenzellen - das Thema - da scheinen die verfügbaren  Medikamente nicht schlecht zu sein aber es bleibt eine große Herausforderung- meiner Meinung nach sind da Dinge die gut zu beeinflußen sind und wichtig - kein Nikotin, viel Bewegung, Gewicht im Normbereich, Schlaf >7h und viele soziale Kontakte, sowie kognitive Anreize - allgemeine Ratschläge und im Alltag zum teil schwer umsetzen aber ich denke das Immunsystem ist dafür sehr dankbar- Viele Grüße C.Uibel

Jan: Hallo und Guten Abend,
mittlerweile bin ich 7. Zyklus mit Ocrevus bei RRMS und hoher Herdlast in der WS (aktuell EDSS 1). Durch die Corona-Situation und die abfallenden IgG-Werte stellt sich hier natürlich die Frage nach der Perspektive. Es wird ja teilweise diskutiert, ob Ocrevus hier auch eher in den Bereich der Immunrekonstruktionstherapien fällt. Haben Sie eine Einschätzung, inwieweit hier demnächst bessere Daten vorliegen, für wie lange eine Ocrevus-Gabe sinnvoll ist? Wäre in meiner Situation ein Umstieg z.B. auf Kesimpta ggfs. sinnvoll?
Dr. Christoph Uibel: Hallo
EDSS von1 nach einer mehrjährigen Therapie mit Ocrevus liest sich doch als stabile Situation, eine Weiterführung halte ich für sicher sinnvoll- bislang liegen Daten vor die auch nach mehrjähriger Gabe von Ocrevus keine negativen Folgen zeigen unter Beachtung der möglichen NW wie zum Bsp vermehrte Infekte und zu niedrige IgG Werte- dann sollte man über eine Immunglobulingabe nachdenken
Also Ocrevus weiter
Bei guter Verträglichkeit und wenn es vom Handling passt sehe ich keinen Wirkungsvorteil von Kesimpta

Simon94: Guten Abend,
ich bin mänlich, 28 Jahre alt und habe im vergangenen Februar die MS Diagnose erhalten. Seit dem behandle ich mit Rebif 44 (Interferon-beta) jedoch möchte ich die Therapie gerne wechseln da sie mich sehr müde macht und ich dadurch Schwierigkeiten habe mich in meinem Beruf zu etablieren. Die Frage ist zu welchem Medikament soll ich wechseln? Ich habe vier Läsionen im Kopf und drei in der HWS. Symptome wie Schwindel, Lämung im Arm und Bein (kann seither nur noch 2 km am Stück laufen), Schleiersehen und Störungen der Blasen und Darmfunktion, kamen zum Teil schleichend zum Teil aber auch in Schüben und sind auch nach der Schubtherapie mit Cortison, vor fast einem Jahr, nur teilweise bis garnicht remittiert. Ist in in diesem Fall eine Basistherapie mit Tecfidera oder eher eine Eskalation z.B. mit Kesimpta zu empfehlen?
Dr. Christoph Uibel: ich denke das in anbetracht der Läsionslast und der Beschwerden und dem Alter eine Therapieumstellung auf zum Bsp Kesimpta- oder eine andere höher aktive Substanz sinnvoll-
das "therapeutische" Fenster ist zu Beginn der Erkrankung zu nutzen
Gute Frage bzgl der Dauer dieser hochaktiven Therapie- aber meines Erachtens überwiegen die Vorteile einer frühen Therapie zu Vermeidung einer weiteren Verschlechterung
Man sieht in den bisherigen Daten auch keine negativen Folgen- aber sicherlich ist diese Frage letztlich noch nicht beantwortet

Mike: Guten Abend Herr Dr. Uibel
Bei meiner Tochter (18 Jahre) wurde vor 12 Monate MS diagnostiziert.
Seit 9 Monaten wird Sie mit Copaxone 40 mg behandelt. Also mit einer Basisthearapie.
Nun wird im Artikel von AMSEL die Strategie „Hit hard and early“ angesprochen.
Macht dies in allen Fällen Sinn? Sind die Nebenwirkungen bei stärkerem Medikamenten nicht höher als bei einer Basistherapie? Wie wird entschieden ob auf eine „Hit hard and early“ Therapie umgestellt wird. Gibt es schon Erfahrungen ob diese Strategie erfolgreich ist?
Viele Grüße aus Hessen
Dr. Christoph Uibel: Es ist eine individuelle Therapieentscheidung- Sie kennen bestimmt die Formulierung: "MS die Krankheit mit den tausend Gesichtern"-   d.h. schauen wie aktiv ist die MS, es gibt prognostische Faktoren für den Verlauf: Symptomausprägung wie zum bsp.motorische Beschwerden wie Lähmungen sind ungünstiger einzuschätzen wie Gefühlsstörungen, die Schubfrequenz , dh. zwei Schübe /Jahr  oder Schübe mit bleibender Behinderung trotz Schubtherapie sowie die "Menge" und Verteilung der Entzündungsherde. Herde im  Hirnstamm und Rückenmarksherde sprechen für eine  aktiveren Verlauf und natürlich die Stabilität unter der Therapie.

Es gibt Erfahrungen zur der Strategie Hit and Early- die bei  großen MS Gruppen in der Nachschau über viele Jahre/Jahrzehnte zeigen dass ein früher Therapiebeginn und bei Konstellationen mit Zeichen für einen aktiveren Verlauf mit dem Einsatz einer höher aktiven Therapie auch einen besseren Verlauf zeigen -

Unter einer höher aktiven Therapie  gibt es mehr NW und die Betreuung und Überwachung muß entsprechend sein - wichtig ist dass eine verlaufsmodifizierende Therapie läuft - und unter einer Basistherapie  ist eine regelmäßige neurologische Untersuchung und eine regelmäßige Bildgebung auch wichtig um den Zeitpunkt - das therapeutische Fenster - nicht zu verpassen um dann bei weiterer Aktivität auf eine aktivere Substanz zu wechseln - aber es ist nicht sinnvoll in allen Fällen mit der Strategie Hit and early vorzugehen

Emma: Guten Abend Dr. Uibel! Mein letztes und vorletztes MRT waren ohne Veränderung, ist das nach 15 Jahren Diagnose, ein Zeichen für SPMS?
Dr. Christoph Uibel: Das ist nach dem langen Verlauf sehr gut.- Die sekundär chronische MS wird anhand der Klinik mit langsamer progredienter Verschlechterung der neurologischen Symptome festgemacht, teilweise mit aufgesetzten Schüben und zum Teil ohne Schübe- eine mögliche Definition ist die Verschlechterung im EDSS zum Vorwert um >1 bei einem EDSS >4 ohne das dies durch einen Schub bedingt ist.

Nicki: Hallo, bin m, Anfang 40, seit 2015 diagnostizierte RRMS. Seitddem unter Copaxone MRT ohne jede neuen Läsionen, konstant starke Fatigue.Seit einigen Monaten subjektiv zunehmend Gedächtnisstörungen. Gelegentliches Schwächegefühl. Kein objektivierbarer Schub.
Macht ein Umstieg auf ein stärker wirksames Mittel nach 8 Jahren Glatiramer mit nun Anfang 40 noch Sinn? Oder ist es besser bei Copaxone zu bleiben? Ist ein Wechsel überhaupt nötig? Lässt sich soetwas ohne Bauchgefühl überhaupt sagen?
Dr. Christoph Uibel: Eine stabile Bildgebung ist ja schon einmal gut
bzgl der Fatigue wäre eine Testung mit einem Fatiguefragebogen gut um eine Schweregrad zu erfassen- ebenso bzgl der Gedächtnis-Konzentrationsstörung auch als Ausgangstests zur Verlaufsbeurteilung
hierzu gibt es etablierte Tests wie den zum Bsp den SDMT
ich würde aktuell nicht umstellen

Nicki: Welche Vorteile im Hinblick auf Nebenwirkungen haben Siponimod, Ponesimod und Ozanimod gegenüber Fingolimod in der Praxis? Lohnt der Umstieg bzw ist eine Neueinstellung auf Fingolimod noch sinnvoll?
Dr. Christoph Uibel: Diese neueren S1P Modulatoren sind insbesondere bzgl. der kardialen Nebenwirkungen (Langsamer Herzschlag- Herzrhythmusstörungen) besser verträglich und haben in den Zulassungsstudien eine gute Wirksamkeit gezeigt, waren den mituntersuchten Therapien wie Teriflunomid (Aubagio) oder Interferon-beta 1a (Avonex) bzgl Schubrate und MRT Aktivität überlegen ohne einen signifikanten Unterschied in den Nebenwirkungen oder Abbruchraten zu zeigen- 

Wenn sich unter der bisherigen Therapie weitere Schübe zeigen oder eine relevante Aktivität im MRT wäre sicher eine Umstellung zu überlegen- 

Siponimod ist für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit aktiven Verläufen der sekundär progredienten MS (SPMS) – nachgewiesen durch Schübe oder Bildgebung

Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, für den Fall, dass Sie noch auf Ihre Antwort warten: Kennen Sie schon die AMSEL-Plattform MS behandeln? Hier werden alle immunmodulierenden Wirkstoffe vorgestellt. In diesem Text auch in ihre Wirksamkeitsklassen eingeteilt: https://www.amsel.de/multiple-sklerose/behandeln/therapiemoeglichkeiten-und-verlaufsformen/  Da können Sie sich manche Info holen, auch wenn der Chat hier vorbei ist.

Patricia Fleischmann:

Liebe Chatter, um 20.15 Uhr müssen wir den Chat für heute leider schließen. Dr. Uibel wird jedoch alle offenen Fragen noch beantworten. Spätestens morgen Abend finden Sie Ihre Antwort dann hier bei den Chatprotokollen: www.amsel.de/beratung/expertenchat/chatprotokolle/

3er: Guten Abend Herr Dr. Uibel,
bei mir wurde 2018 die MS diagnostiziert. Einen Schub hatte ich bisher nicht. Ich werde mit Copaxone behandelt. Unter diesem Medikament sind nun 3 neue Läsionen entstanden. Meine Neurologin würde nun ein Medikamentenwechsel in Betracht ziehen und hat aufgrund des Kinderwunsches Natalizumab oder Tecfidera empfohlen. Auch wegen der möglichen Nebenwirkung PML bin ich ziemlich verunsichert.
Haben Sie vielleicht eine Empfehlung? Falls dies eine Rolle spielt, ich bin 33 und hatte einen gutartigen Gehirntumor, der 2017 entfernt wurde.
Dr. Christoph Uibel: keine so einfache Situation
Natalizumab ist sicher eine sehr gutes Medikament aber in den Anbetracht Ihrer Symptomfreiheit gut zu überlegen, da eher für sehr aktive MS patienten sinnvoll. auf jeden Fall sollte man den JC-Virus AK im Blut zuvor bestimmen
Aufgrund der weiteren Aktivität scheint ein Therapiewechsel angezeigt - Tecfidera ist auch eher problematisch
Cladribin als gepulste Therapie wäre eine Option dann müsste man aber noch warten mit der Schwangerschaft. dh erst 1,5 Jahre nach der Beginn Therapie

Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, für heute schließt der Multiple Sklerose-Expertenchat der AMSEL seine Tore. Offene Fragen werden im Nachgang beantwortet und mit ins Chatprotokoll aufgenommen. Haben Sie herzlichen Dank für Ihre Teilnahme!

Ein besonders großes DANKE geht an Dr. Uibel für seine Zeit heute Abend! Es war außerdem eine Premiere mit dem Oberarzt aus Würzburg.

Im Dezember macht der Expertenchat Pause. Weiter geht es am 17. Januar 2023. Ich wünsche allen miteinander einen schönen restlichen Abend und alles Gute!

Dr. Christoph Uibel: Ich möchte mich verabschieden-aber ich werde ich noch bestehenden Fragen später noch beantworten!
Noch allen einen schönen Abend!

Redaktion: AMSEL e.V., 15.11.2022