Forschung

06.03.07 - Im Tiermodell zeigte EGCG, eine Substanz aus dem grünen Tee, einen günstigen Effekt, so Dr. Orhan Aktas im AMSEL-Expertenchat.

Moderator Patricia Fleischmann: Herzlich willkommen zum AMSEL-Chat mit Dr. Orhan Aktas und dem Thema Forschung - die Chattore sind geöffnet!

Dr. Orhan Aktas: Hallo und einen schönen guten Abend, liebe Chatter! Ich freue mich auf einen bestimmt anregendes Miteinander im AMSEL-Chat.

 
 
Dr. med orhan aktas
 
 
 
     
     

    Facharzt für Neurologie, Stellvertretender Leiter der Cecilie-Vogt-Klinik für Molekulare Neurologie, (Direktor: Univ.-Prof. Dr. Frauke Zipp).

    • Er verbindet die Arbeit für Patienten auf der Station mit der Forschung.
    • 2005 machte er die Entdeckung, dass Apoptose-regulierende Systeme, wie z.B. der TRAIL Signalweg, an Immunregulation und Schädigung im Gehirn beteiligt sein und (im Tiermodell)blockiert werden können.
    • Auszeichnung mit dem Wyeth-Preis 2005.

     

    sassa: Guten Abend, ich "schieße" einfach schon mal los... Natürlich interessiert immer, ob in absehbarer Zeit ein orales Medikament auf den Markt kommt. Nebenbei finde ich es aber auch sehr wichtig, MS-spezifische Symptome besser zu behandeln. Vor einiger Zeit las ich bzgl. eines Medikaments, welchen die MS-Müdigkeit behandeln soll. Wie sieht es da aus ? DANKE

    Dr. Orhan Aktas: Hallo Sassa! Das ist eine für den Alltag in der MS-Behandlung ganz wichtige Frage, die Frage nach der "Pille gegen MS". Hier muß man unterscheiden zwischen den ursächlich wirksamen (meist "immunmodulatorischen") Medikamenten und den symptomatischen Medikamenten. Zu den ursächlichen Medikamenten - hier gibt es derzeit zahlreiche unterschiedliche Substanzen, die in großen Studien auf ihre Wirksamkeit in der MS getestet werden. Dabei wird fast ausschließlich die schubförmige MS zuerst geprüft. Erfreulicherweise sind es Medikamente mit ganz unterschiedlichen Wirkmechanismen - die einen richten sich gegen die Aktivierung und das Wachstum von Entzündungszellen, die anderen gegen die Wanderung dieser Zellen, und schließlich gibt es auch welche, die direkt das Nervengewebe schützen sollen. Wir hoffen, daß eines dieser unterschiedlichen Medikamente in den Studien wirksam ist und gleichzeitig - das ist wirklich wichtig - ein gutes Nebenwirkungsprofil aufweist.

    Moderator Patricia Fleischmann: Hallo sassa, danke fürs schon mal Losschießen! Hallo nochmals an alle Chatter, da hier ziemlich viel loszusein scheint, ein kleiner Tipp: Sie könne sich gerne untereinander austauschen, einfach über das Feld "Allgemeiner Beitrag", dann vergeht die Zeit bis zu Herrn Dr. Aktas' Antwort im Nu ;-)

    Baumi: Guten Tag Dr. Aktas, vor einigen Wochen habe ich Ihnen eine Mail an die Charite geschickt. Ich kann aber verstehen, dass Sie keine Zeit haben, jede Anfrage zu beantworten. Deshalb hier nochmal die Frage: ist die EGCG-Studie, von der das BMBF berichtet hatte, schon angelaufen ? Gibt es evtl. schon erste Zwischenergebnisse ? Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Orhan Aktas: Hallo Baumi! Die Verzögerung tut mir leid, ich kann sie mir jetzt direkt nicht erklären. Manchmal dauert es wirklich, bis wir zum Antworten kommen, und manchmal spielt auch unser Spam-Filter einen Streich. Zu der Frage: Wir haben die Studie schon seit langem fertig vorbereitet. Allerdings muß jede Studie entsprechende "Verwaltungshürden" nehmen. Dazu gehören wichtige Fragen wie z.B. auswärtige Gutachten zur Sicherheit der Studie. Schließlich ist oberstes Ziel, niemandem zu schaden. Die Studie ist derzeit bei dem zuständigen Bundesamt (BfArM) in Begutachtung, wenn wir von da grünes Licht haben, geht es los!

    Resi: Weiß man bereits aus der Forschung, ob die neuen oralen Medikamente den bisherigen Basistherapien (z.B. Copaxone) in der Wirksamkeit überlegen sind?

    Dr. Orhan Aktas: Hallo Resi! Bislang haben wir höchstens Ergebnisse aus Tierversuchen, die leider nur einen ungefähren Anhalt geben. Um die Wirksamkeit endgültig zu vergleichen, braucht man echte klinische Vergleichsstudien - d.h., eine Hälfte erhält das neue Medikament, die andere Hälfte erhält die etablierte Basistherapie, und nach einigen Jahren wird geschaut, wie es den Gruppen ergangen ist. Solche Vergleichsstudien sind geplant, allerdings sind Ergebnisse noch längst nicht in Sicht.

    olafruessel: Wann ist mit ersten Ergebnissen der Atorvastatin Studie zu rechnen?

    Dr. Orhan Aktas: Hallo olafruessel! Wir werden bald die letzten Untersuchungen bei den letzten Patienten durchführen und danach alle Daten analysieren. Wenn alles klappt, wissen wir Ende des Jahres hoffentlich mehr.

    Abba: Guten Tag, zum Thema Grüntee: gibt es Erfahrungen mit der Zubereitung? Zerstört kochendes Wasser das EGCG oder hilft es, so viel wie möglich zu extrahieren? Gibt es Erfahrungen mit der Ziehzeit oder mit speziellen Sorten? EGCG: Haben die Experimente schon Erfolge gezeigt?

    Dr. Orhan Aktas: Hallo Abba! Wir haben in unseren Studien mit Epigallokatechin-3-Gallat (EGCG) gearbeitet. Wir haben diese Substanz, die in grünem (=nicht fermentiertem) Tee generell (also in allen Grünteesorten) vorkommt, und die auch das kochende Wasser "übersteht", als Reinsubstanz im Tiermodell der MS untersucht und hier einen günstigen Effekt gezeigt. Wir stellten fest, daß die Substanz sowohl die überschießende Immunreaktion drosselt, als auch Nervenzellen vor dem Untergang schützt. Wir haben allerdings nicht normalen Grüntee-Aufguß untersucht, daher kann ich zu unterschiedlichen Ziehzeiten nichts sagen. Außerdem wissen wir nicht, ob EGCG auch tatsächlich in der MS hilft. Daher darf derzeit keine Empfehlung zur Behandlung der MS mit EGCG oder grünem Tee gegeben werden. Wir haben aber eine Studie vorbereitet, die hoffentlich bald an unserem Zentrum starten und diese Fragen beantworten wird.

    Bärbel: Hallo, ich werde seit einiger Zeit mit Mitoxantron behandelt, beim letzten mal war es für mich sehr unangenehm und ich würde gern eine andere Klinik, oder ambulant versorgt werden. Kann ich von euch Adressen bekommen wo in Berlin die Möglichkeit besteht Mitox zu erhalten? Die Umgebung von Berlin ist auch O.K.

    Patricia Fleischmann: Hallo Bärberl, über die "Klinik- und Praxissuche" der DMSG (auch auf der amsel.de-Startseite verlinkt) finden Sie Kliniken in Ihrer Nähe.

    Ulli: Guten Tag miteinander! Meine Fragen: Von Acorda wird ein neues Medikament auf Basis 4-Aminopyridin entwickelt und getestet. 1. Was halten Sie davon? 2. Was halten Sie von einer jetzigen Selbstmedikation? 4-AP ist ja bereits altbekannt und verfügbar.

    Dr. Orhan Aktas: Hallo Ulli, und hallo F.! Ich fasse mal die Antwort zu beiden Fragen zusammen, da sie zusammenhängen: Die Substanzen 4-Aminopyridin (4-AP) und 3,4-Diaminopyridin wurden bereits in kleinen Doppelblind-Studien getestet. Für 4-AP wurde gezeigt, daß es temperaturabhängige MS-Symptome bessern kann. Allerdings ist die "therapeutische Breite" gering, d.h. die genaue Dosierung ist nicht einfach (Gefahr der Überdosierung), und die Substanz ist als Handelspräparat in Deutschland nicht erhältlich. Allerdings kann man die Substanz sich auch auf Rezept vom Apotheker zubereiten lassen, und hier konnten tatsächlich in einzelnen Fällen teils recht günstige Effekte gesehen werden (auch eigene Erfahrungen), weshalb sich bei Vorliegen solcher Beschwerden ein Therapieversuch (nach Aufklärung) lohnen kann. Das "Fampridine" ist eine retardierte Form von 4-AP, die in einer Studie auch gegen die "fatigue" (=rasche Ermüdbarkeit) wirksam war und gerade in klinischen Studien getestet wird. Hier heißt es noch etwas abwarten.

    viva: Hallo Dr. Orhan Aktas, ich habe gelesen, dass eine Sojasubstanz Ratten wieder zum laufen gebracht hat. ( Extrakt enthält große Mengen des Bowman-Birk-Protease-Hemmers.) Nun zur Frage, meine Frau hat seit 25 Jahren MS, ( sekundär progredienten Verlauf ) ist es Ratsam Sojaproduckte vermehrt zu sich zu nehmen, oder eventuell Sojakapseln aus der Apotheke einzunehmen ?? Viele Grüße im voraus

    Dr. Orhan Aktas: Hallo viva! Das ist eine ganz aktuelle und spannende Frage: In der Tat ist gerade in einer Fachzeitschrift ein Artikel erschienen, wonach die Substanz "Bowman-Birk Inhibitor" (BBI), ein sogenannter Proteaseinhibitor (=hemmt den Abbau von Eiweißen), in einem Tiermodell der MS wirksam war. Die Kollegen haben hierzu BBI aus Soja extrahiert, angereichert und haben das BBI-Konzentrat oral an Ratten gegeben, die an einer MS-ähnlichen Modellerkrankung litten. In der Tat sahen sie hier günstige Effekte auf das Immunsystem, d.h. die überschießende Immunreaktion wurde gebremst. Soweit das Tiermodell - was wir jetzt brauchen, sind klinische Studien, die wirklich eine Wirksamkeit von BBI bei der MS belegen. Davor wäre es viel zu verfrüht, eine allgemeine Empfehlung zum Einsatz von Sojaextrakten zu geben. Man muß nämlich auch mit überraschenden Wechselwirkungen der Medikamente rechnen, es wäre so gut möglich, daß solche Extrakte die Wirksamkeit von anderen (Basis-)Therapien verändern und womöglich zu mehr Nebenwirkungen führen. Daher kann die Einnahme nur im Rahmen von kontrollierten Studien empfohlen werden!

    Arabella: Guten Abend Herr Aktas, Ich hoffe, daß ich mich mit meiner Frage nicht lächerlich mache: Man liest im Internet immer wieder mal was von der Gefährlichkeit / nervenschädigenden Wirkung von dem Süßstoff Aspartam. Oft hört man, daß dies dummes Geschwätz (ein "Hoax") sei. Stimmt das? Ich trinke seit den 80er Jahren täglich viel Cola Light. Bin 2006 MS diagnostiziert (Alter: 39) Gibt es da eventuell einen Zusammenhang? Gibt es seriöse Studien zu dem Thema? Vielen Dank für Ihre Antwort.

    Dr. Orhan Aktas: Hallo Arabella! Hierzu gibt es keine seriösen Studien in der Literatur. Auch "theoretisch" (also von der möglichen Wechselwirkung der chemischen Struktur mit dem Immunsystem oder mit dem Nervengewebe) kann ich hierzu nichts ableiten. Umgekehrt stellt sich die Frage: Aspartam wird so viel konsumiert, wenn tatsächlich ein Zusammenhang bestünde, müßte die Häufigkeit der MS mit Einführung von Cola light zugenommen haben? Das wäre mir neu.

    F.: Sehr geehrter Herr Dr. Aktas ! gibt es hoffnungsvolle Forschungsergebnisse für die SPMS und wie ist Ihre Meinung zu MBP8298? Danke für Íhre Antwort im Voraus !

    Dr. Orhan Aktas: Hallo F.! Bei der sekundär-chronischen MS gibt es eine kleine ermutigende Studie zur Wirksamkeit der Substanz Pirfenidon, die in Tablettenform erhältlich ist. Allerdings müssen wir hier wieder warten, bis diese Ergebnisse in unabhängigen Studien mit einer größeren Patientenzahl bestätigt werden. Zu MBP8298: Auf dem letztjährigen Amerikanischen Neurologenkongreß (AAN) in San Diego wurden erste Daten aus klinischen Studien mit dieser Substanz bekannt. MBP8298 ähnelt dem körpereigenen Myelin-basischen Protein (MBP) und wurde als intravenöse Infusion gegen Plazebo bei Patienten mit SP- oder PP-MS getestet. Insgesamt (d.h. wenn man alle Patienten zusammen betrachtete) sah man keine Unterschiede! Allerdings zeigte eine genauere Subgruppenanalyse, daß bei Pat., die ganz bestimmte immunologische Eigenschaften aufwiesen (bestimmte "HLA-Typen"), doch das Voranschreiten günstig beeinflußt wurde. Daher läuft gerade eine weitere Studie, diesmal nur in SP-MS, in den USA, deren Ergebnisse noch auf sich warten lassen.

    F.: warum werden Medikamente meist zuerst für die schubförmige MS getestet? danke für Ihre Antwort !

    Dr. Orhan Aktas: Hallo F.! Dazu gibt es verschiedene Antworten, eine Auswahl: Erstens ist die schubförmige MS die Verlaufsform, die am häufigsten vorkommt. Daher fällt es leichter, für eine groß angelegte Studie die notwendige Zahl an Patienten zu erreichen. Zweitens setzen viele Medikamente von ihrem Wirkmechanismus her an Frühstadien der MS an, und diese ist bei der überwiegenden Mehrheit (80-90%) halt die schubförmige Verlaufsform.

    sassa: Ich meinte jetzt in erster Linie nicht die Basistherapien per Medikament. Mich interessiert mehr die MS-Pille gegen Müdigkeit. Wie ist der Stand zur Zeit ? Dann wäre es auch schön, wenn man ein Medikament gegen die Konzentrationsprobleme oder Gedächtnisprobleme hätte. Hier muss man leider immer wieder auf Demenz- oder Alzheimermedikamente zurückgreifen. Etwas MS-typisches gibt es da wohl nicht, oder ?

    Dr. Orhan Aktas: Hallo sassa! Die rasche Ermüdbarkeit ("fatigue") bei MS ist eines der ganz wichtigen Themen. Ein möglicher Umgang besteht darin, nach Möglichkeit Situationen zu vermeiden, die zur fatigue führen - z.B. hohe Temperaturen, übermäßige körperliche Anstrengungen (wobei mäßiges Ausdauertraining nach aktuellen Studien trotzdem empfehlenswert ist, es kommt halt auf die "Dosis" an). Dazu gehört auch eine Änderung der Tagesstruktur mit festen Ruhepausen, um die fatigue erst gar nicht aufkommen zu lassen. Alternativ gibt es medikamentöse Ansätze: Hier sind z.B. Amantadin und 4-Aminopyridin (einschließlich des in klinischer Studie befindlichen Fampridine) zu erwähnen, auf die man die behandelnden Kollegen ansprechen kann. Eine kleine Studie aus den USA zeigte auch die Wirkung von Acetylsalicylsäure, allerdings in doch recht hohen Dosierungen (2x650 mg täglich), die auf jeden Fall individuell mit den behandelnden Ärzten abgesprochen werden müssen.

    F.: Sehr geehrter Dr. Aktas, die Hoffnung vieler MS-Patienten richtet sich auf die Neubildung von Myelin. Das Immunglobulin rHIgM22 hat dies im Tierversuch bestätigt. Wie ist Ihre Meinung dazu? Danke !

    Dr. Orhan Aktas: Hallo F.! rHIgM22 ist ein ganz spezieller Antikörper der sogenannten IgM-Klasse. Die Arbeitsgruppe um Moses Rodriguez an der Mayo-Klinik erforscht schon seit längerer Zeit die Wirkung von Antikörpern dieser Klasse in Tiermodellen der MS. Für rHIgM22 konnten die Kollegen in einem ganz bestimmten Tiermodell der MS, der Virus-induzierten Entmarkung, einen klaren Effekt auf die sogenannte "Remyelinisierung" (=Wiederaufbau der Markscheide) zeigen, die Studie wurde gerade im Februar 2007 veröffentlicht. Sicherlich müssen diese Ergebnisse in anderen, nicht Virus-vermittelten Tiermodellen bestätigt werden, bevor an einen Einsatz in klinischen Studien zu denken wäre. Der Gedanke einer Reparatur ist natürlich sehr attraktiv - offen bleibt aber, ob eine solche Behandlung das Axon selbst, d.h. die leitende Nervenfaser retten kann? Wir wissen mittlerweile, daß bereits in frühen Stadien der MS die Nervenfasern untergehen können. Wenn das Axon also bereits untergegangen wäre, könnte eine Reparatur der Hülle direkt nicht weiterhelfen.

    F.: Sehr geehrter Dr. Aktas, gibt es neue Ergebnisse zu Pirferidon bei SPMS? Danke für Ihre Antwort !

    Dr. Orhan Aktas: Hallo F.! Ich möchte hierzu an meine Antwort oben (zu den Behandlungsmöglichkeiten bei SP-MS) hinweisen, dort habe ich auch etwas zu Pirfenidon geschrieben.

    F.: Sehr geehrter Herr Dr. Aktas, haben Sie Erfahrungen mit dem Kaliumkanalblocker Frampridine zur symptomatischen Behandlung (Erhöhung der Nervenleitgeschwindigkeit)?

    Dr. Orhan Aktas: s. Frage von "Ulli".

    Moderator Patricia Fleischmann: Nochmals der Hinweis: Über "Allgemeiner Beitrag" können Sie sich auch untereinander austauschen.

    F.: Sehr geehrter Herr Dr. Aktas, wann ist Ihrer Meinung nach mit einem sicheren Stillstand der Progression zu rechnen und kann man davon ausgehen, wenn dies erreicht ist, dass der körpereigene Reparaturmechanismus die Schäden behebt und dies somit eine gute undweniger gefährliche Alternative zu einer Stammzelltherapie wäre? Danke für Ihre Antwort im Voraus !

    Dr. Orhan Aktas: Hallo F.! Ich vermute, daß es um die Krankheitsprogression geht? Wir kennen ja das Phänomen, daß die MS / SP-MS "ausbrennen" kann, d.h. es ist keine akute Entzündungsaktivität (also z.B. Schübe, Kontrastmittelanreicherung im MRT) zu sehen, und die Krankheit schreitet auch nicht mehr voran. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind allerdings nicht bekannt. Zur "Stammzelltherapie" - darunter wird erstens eine Behandlung mit sogenannten hämatopoietischen Stammzellen (=Knochenmarksstammzellen) verstanden, man ersetzt hier quasi das blutbildende System, und hierzu gehören auch weite Teile des Immunsystems. Diese Therapie ist nur speziellen Ausnahmefällen und Spezialzentren vorbehalten, da die Therapie potentiell tödliche Nebenwirkungen haben kann! Zweitens wird unter "Stammzelltherapie" eine Transplantation mit sogenannten Vorläuferzellen des Nervengewebes gemeint, die direkt am Ort der Schädigung die untergegangenen Abschnitte reparieren sollen. Eine solche Therapie kann im Prinzip funktionieren, dies wurde in bestimmten Tierversuchen gezeigt. Allerdings ist eine Übertragung dieser Therapieform auf die MS bislang nicht vorstellbar.

    Biene: Sehr geehrter Herr Dr. Aktas, da ich vor der Entscheidung stehe Tysabri zu nehmen oder sonstige Medikamente (außer Interferonen und Copaxone) interessiere ich mich für die Studie im Rahmen von FTY 720 leider konnte ich nicht herausfinden ob es eine Studie ist in der auch ein Plazebo gegeben wird. Für mich wäre nur eine Studie interessant in der an alle Teilnehmer der Wirkstoff gegeben wird. Vielen Dank im voraus für Ihre Antwort.

    Dr. Orhan Aktas: Hallo Biene! Die genauen Details zu dieser Studie sind an allen beteiligten Zentren (siehe Homepage der DMSG) zu erhalten. In der Tat ist es möglich, daß man Plazebo erhält.

    Moderator Patricia Fleischmann: Verehrte Chatter, der Chat schließt für heute. Bitte stellen Sie keine weiteren Fragen mehr. Am 20. März öffnet der AMSEL-Chat wieder, dann mit Dr. Herbert Schreiber und dem Thema "MS-Therapie aus neurologischer Sicht". Für Ihre anregenden Fragen, ebenso wie für die höchst kompetenten Antworten Dr. Aktas' bedanke ich mich und wünsche allen noch einen angenehmen Abend.

    F.: sehr geehrter Herr Dr. Aktas, herzlichen Dank für Ihre Antworten und Ihre wichtige Forschungstätigkeit !

    Dr. Orhan Aktas: Ich darf mich für die Fragen bedanken, es hat mir sehr viel Spaß gemacht!

    Redaktion: AMSEL e.V., 07.03.2007