Fatigue

In geringen Dosen hilft manchmal auch Kaffee: ExpertenChat vom 05.10.04 mit Dr. Peter Flachenecker zum Thema "Fatigue".

Moderator Patricia Fleischmann: Einen herzlichen guten Abend an alle ChatterInnen! Ich darf heute Dr. Peter Flachenecker als Experten begrüßen. Seit gut einem Monat leitet Dr. Flachenecker die Reha-Klinik Quellenhof. Er ist Spezialist auf dem Gebiet der chronischen Müdigkeit und genau darum geht es heute Abend: Der Chat ist eröffnet!

Hagen: Guten Abend, Herr Dr. Flachenecker, ich leide seit Jahren unter chronischer Müdigkeit, die nicht behandelt wird, wie könnte ein Behandlungsbeginn aussehen?

Dr. Peter Flachenecker: Guten Abend, Hagen! Sie sprechen ein wichtiges und - leider - oft unbefriedigendes Thema an, denn die Therapie der Fatigue ist schwierig. Im Vordergrund steht die Aufklärung und Beratung, dass es sich bei der Fatigue um ein Symptom der MS handelt, und die Strukturierung des Tages mit ausreichenden Ruhepausen, ergänzt durch ein körperliches Training ("Fitnessprogramm"). Medikamentös gelingt die Behandlung leider nicht immer, versucht werden kann Amantadin (PK-Merz) oder Modafinil (Vigil), beides aber nur nach Rücksprache mit Ihrem behandelnden Arzt.

Mouse: Hallo, welche schulmedizinischen oder naturheilkundlichen Präparate empfehlen Sie mir? Ich hatte Ihnen unter dem Namen Marie-Luise meine Frage ausführlich gestellt! Besten Dank, Marie-Luise.

Dr. Peter Flachenecker: Hallo Mouse! Wie bereits gesagt - die medikamentöse Therapie der Fatigue ist of unbefriedigend und wenig erfolgreich. Untersucht sind - mit wechselndem Erfolg - Amantadin (PK-Merz) und Modafinil (Vigil), wobei letzteres nur zur Behandung der Narkolepsie zugelassen ist. Ich empfehle zumindest einen Behandlungsversuch mit PK-Merz bis 2 x 100 mg (morgens und mittags), aber bitte nur
nach Rücksprache mit Ihrem Arzt!

Moderator Patricia Fleischmann: Hallo Marie-Luise, könnten Sie bitte nochmals kurz Ihre Situation schildern? Ihr Beitrag (von heute Nachmittag, wenn ich nicht irre) ist leider irgendwo in den Weiten des Web verschollen. - Dankeschön!

Mouse: Hallo, ja ich bin 33. Bei mir wurde 02 MS diagnostiziert, habe eine 7 Monate alte Tochter. Habe mein ganzes Leben schon mit Fatigue gekämpft, habe immer schon Erschöpfungsphasen, es hieß immer ich hätte niederen Blutdruck etc... Will aber aktiv sein! Danke, M-L

Moderator Patricia Fleischmann: Danke, Marie-Luise, für Ihre Mithilfe!

Dr. Peter Flachenecker: Hallo Mouse, Ihre Situation ist kein Einzelfall, denn Fatigue ist ein häufiges Symptom der MS, und in der Tat gibt es viele verschiedene Ursachen dieses Symptoms. Ein niedriger Blutdruck ist eine Möglichkeit, und falls das bei Ihnen zutrifft, könnte dieser tatsächlich eine (Mit-) Ursache der Fatigue sein, d.h. Sie sollten versuchen, den Blutdruck zu steigern - viel trinken, viel Bewegung (Fitnesstraining), evtl. blutdrucksteigernde Medikamente.

Irmchen: Wie sieht der Beginn einer Fatigue bei MS typischerweise aus? Schleichend/ abrupt? Von Anfang an, oder kann man auch später das Symptom dazukriegen?

Dr. Peter Flachenecker: Hallo Irmchen! In der Regel kommt es langsam zur vermehrten Müdigkeit, so dass diese von den Betroffenen zunächst gar nicht als Krankheitssymptom wahrgenommen wird - kann allerdings auch ein Schubsymptom sein und dann relativ plötzlich auftreten (etwa so wie bei einer Erkältungskrankheit oder Grippe). Die Müdigkeit kann von Anfang an vorhanden sein (bei vielen Patienten oft vor der neurologischen Symptomatik) oder erst später dazukommen. Sie sehen - alles ist möglich, und die Diagnostik wird dadurch erschwert, dass es noch keine spezifische Untersuchungsmethode für die Fatigue gibt.

Hagen: Da viele Medikament z.B. zur Reduzierung der Spastik Müdigkeit als Nebenwirkung haben ist mir nicht klar, wie man Fatigue von diesen Nebenwirkungen unterscheiden kann. Gibt es typische Anzeichen für eine Unterscheidung?

Dr. Peter Flachenecker: Sie haben völlig recht - viele Medikamente habe derartige Nebenwirkungen, solche zur Reduzierung der Spastik, aber auch Antidepressiva oder auch Blasenmedikamente. Daraus folgt, dass man die Medikation kritisch überprüfen und diese Substanzen ggf. absetzen sollte. Eine Unterscheidung ist nicht möglich.

Hagen: Gibt es pflanzliche oder homöopathische Präparate - ohne gravierende Nebenwirkungen - die die Fatigue lindern?

Dr. Peter Flachenecker: Da kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen - mir sind keine bekannt.

irmchen: Hat man die Fatigue dann für immer oder verschwindet sie vielleicht wieder? Oder wird sie gar schlimmer?

Dr. Peter Flachenecker: Dazu gibt es nur wenige Untersuchungen. Eine ganz neue Untersuchung bei Patienten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung, die am Donnerstag auf der Neurologentagung in Düsseldorf präsentiert wird und von den Kollegen der Rostocker Universitätsklinik durchgeführt wurde, besagt, dass nach 12 Monaten die Symptomatik bei etwa 2/3 stabil blieb und beim restlichen Drittel entweder gebessert oder verschlechtert war, nach 36 Monaten berichtete nur noch die Hälfte der Patienten (gegenüber 63 % bei Diagnosestellung) über Fatigue. D.h., die Fatigue bleibt häufig, kann aber verschwinden (oder man hat sich daran gewöhnt).

Ronja: Wie gehe ich damit um, daß viele Arbeitskollegen und auch Freunde mir meine Müdigkeit nicht glauben, und ich immer wieder den Satz höre: "Stell dich nicht so an"?

Dr. Peter Flachenecker: Hallo Ronja, das ist leider ein weitverbreitetes Problem - man sieht Ihnen die Müdigkeit nicht an, und müde ist ja jeder einmal. Allerdings - die MS-bedingte Müdigkeit ist anders: man ist schon am Morgen müde, es ist ein überwältigendes Gefühl der Müdigkeit, und man kann überhaupt nichts mehr in Alltag oder Beruf leisten. Da hilft nur ein selbstbewusster Umgang mit der Erkrankung und ihren Symptomen, und im zweiten Schritt die Aufklärung bei Verwandten, Freunden und Arbeitskollegen - aber das ist sicherlich schwierig. Hilfreich dabei ist, auf Artikel (z. B. der "Together" oder der "DMSG aktiv") zu verweisen - dann müssen Sie nicht alleine alles erklären.

Irmchen: Vielleicht eine doofe Frage: Hilft Kaffee? Schadet er?

Dr. Peter Flachenecker: Kaffee hilft manchmal - so wie auch anderen mit "normaler" Müdigkeit, aber eben nicht immer. Koffein wirk stimulierend, ähnlich den Substanzen, die man auch bei der Behandlung einsetzt (PK-Merz oder Modafinil). Schaden tut er nicht, wenn man nur 1 - 2 Tassen trinkt.

Irmchen: Was ist dann mit Hallo-wach-Präparaten ohne Rezept? Kann man die anwenden?

Dr. Peter Flachenecker: Was genau meinen Sie damit?

Irmchen: Ich kenne die Namen nicht, aber in meiner Schulzeit waren sogenannte "Coffees" beliebt, Coffeintabletten nehme ich an.

Dr. Peter Flachenecker: Wirken im Prinzip wie Kaffee, aber durch die höhere Dosis eben wie viele Tassen Kaffee, und das belastet neben der zentralnervösen Wirkung auch das Herz-Kreislaufsystem und ist deshalb nicht zu empfehlen.

Dr. Peter Flachenecker: Ihnen allen vielen Dank für die Fragen und das damit gezeigte Interesse, ich wünsche allen ebenfalls einen schönen Abend!

Moderator Patricia Fleischmann: Ein ganz herzliches Dankeschön an alle MitChatter und natürlich an unsern Experten Dr. Flachenecker! Der Chat schließt für heute: Bis zum nächsten Mal vielleicht. - Am 19. Oktober wird Prof. Henze Fragen zur MS-Therapie beantworten.

Redaktion: AMSEL e.V., 05.10.2004