Eskalation der MS-Therapie

16.02.10 - Nach Tysabri sollte man mindestens 6 Monate mit Mitox warten, so Prof. Christof Klötzsch im AMSEL-Expertenchat.

Moderator Patricia Fleischmann: Guten Abend, liebe Chatter, guten Abend, Herr Prof. Klötzsch! "Eskalation der MS-Therapie" heißt unser heutiges Thema. Schießen Sie einfach los!

Moderator Patricia Fleischmann: Ah, ich vergaß: Ein herzliches "Helau und Alaaf!" wollte ich noch einwerfen für alle Närrischen, die trotz Faschingsdienstag den Weg hierher gefunden haben.

Gerit: Hallo! Ist Natalizumab eine Eskalationstherapie oder gehört es zur Basistherapie?

Prof. Christof Klötzsch: Hallo ! Natalizumab zählt man nicht zu den klassischen Basistherapeutika (Interferone, Glatirameracetat). Es wird zumeist im Rahmen der Therapieeskalation bei hochaktiver MS mit vielen Herden eingesetzt. Im Rahmen der Zulassung kann es aber auch als primäres Therapeutikum eingesetzt werden, wenn der Pat. bei Diagnosestellung eine große Zahl aktiver Herde aufweist.

 
 
Prof. Christof Klötzsch
 
 
 

Ärztlicher Leiter der Akutneurologie Kliniken Schmieder Allensbach & Neurologische Abteilung im Hegau-Bodensee-Klinikum Singen

  • Facharzt für Neurologie, Zusatzbezeichnungen "Spezielle Neurologische Intensivmedizin", Ausbilder und Seminarleiter Neurosonologie der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) und der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie (DGKN)
  • gesamtes Spektrum der Akutversorgung neurologischer Erkrankungen

Moni: Welche Weiterbehandlung ist nach Mitox möglich? Hab jetzt die 3. Mitox vorher Tysabri. Moni

Prof. Christof Klötzsch: Wir machen es wie viele andere Kliniken auch so, dass wir die Pat. 4x über 1 Jahr behandeln und dann den Mitox-Effekt beurteilen. Ist die Krankheitsaktivität deutlich zurückgedrängt, reduzieren wir die Mitox-Dosis oder steigen wieder auf ein Basistherapeutikum um. Wenn die Mitox-Maximaldosis erreicht ist (überlicherweise nach 2-3 Jahren) hat man wenig therapeutische Optionen. Wir setzen dann teilweise Urbason für 5 Tage 1 Gramm alle 4 Monate ein.

Helena: Guten Abend Prof. Klötzsch, nachdem ich mehrere Schübe bei Interferontherapie und 2 Schübe bei Tysabritherapie hatte, hat man mir eine Therapie mit Metoxantron vorgeschlagen. Was halten Sie davon? Habe ich andere Möglichkeiten? Wenn ja,welche? Wie vertragen die meisten Patienten Metoxantron? Wenn es nicht anschlägt,wenn ich das Medikament nicht vertrage oder wenn die Therapie zu Ende ist,was kann man dann machen?

Prof. Christof Klötzsch: Nach Tysabri sollte man mindestens 6 Monate mit Mitox warten, um keine schweren Infekte zu reduzieren. Je schubförmiger die MS verläuft, um so eher kann man einen positiven Effekt von Mitox erwarten. Grob geschätzt kommen 8 von 10 Pat. gut mit Mitox zurecht. Wenn Mitox nicht wirkt oder nicht vertragen wird, hängt es von der Verlaufsform ab (Schübe oder chronisch schleichende Verschlechterung), welche Therapiealternativen man noch erwägen kann.

Moni: Sehr geehrter Herr Prof. Klötzsch Vielen Dank für ihre Antwort. Ich kann Mitox nur empfehlen. Seit der Behandlung hab ich keine neuen Schübe und Verschlechterung des Allgemeinzustandes mehr. Hoffe, daß es so bleibt und Mitox reduziert werden kann. Mit den leichten Nebenwirkungen nach der Infussion kann man leben. Gibt es in der Forschung vielleicht etwas neues was nach Mitox in Frage käme? Mhoni

Prof. Christof Klötzsch: Sorry mein Rechner ist gerade abgestürzt und ich mußte ihn erstmal neu starten: Wie gesagt wir geben gegenwärtig nach Mitox alle 4 Monate Urbason. Dass die neuen Substanzen, die in den nächsten Jahren zugelassen werden, eine Alternative nach Mitox sind, ist eher unwahrscheinlich.

Andi: Wie hoch ist die Gefahr durch Mitox Krebs zu bekommen und wovon kann das abhängen? Ist sie größer als das PMLRisiko bei Tysabri?

Prof. Christof Klötzsch: Das Leukämierisiko unter Mitox wurde bisher mit 1:1000 behandelte Pat. eingeschätzt. Es gibt einzelne Studien, die sogar von einer höheren Rate ausgehen. Das PML-Risiko bei Tysabri wird gegenwärtig ebenfalls mit 1:1000 angegeben. Tendenz steigend.

Christof: Sehr geehrter Herr Prof. Klötsch, mich interessiert Ihre Einschätzung zu einer möglichen medikamentösen Eskalation für meinen Krankheitsverlauf. Hierzu nenne ich Ihnen einige Rahmendaten. Diagnose im Jahr 2000 in meinem 33 Lebensjahr. Im gleichnen Jahr der Beginn mit Copaxone, unter der Medikation ca. 2-3 leichte bis mäßiggradige Schübe pro Jahr, vor allem die Sensibilität, Augen und Blase betreffend, anfänglich mit guter Rückbildung, später blieben die Störungen bestehen. Im Laufe der letzten Jahre stetige Zunahme der körperlichen und geistigen Erschöpftheit. Herdbildung vor allem in der HWS C1 bis C4/5 Vorder,Seiten und Hinterstrang, 5 Herde mit Zunahme der Größenprogredienz. Schädel nicht prominent. Unter Wechsel der Medikation in 2008 auf Betaferon keine wesentliche Änderung der Schubhäufigkeit, also 2-3 im Jahr und der Schubstärke. Könnte hier ein Wechsel auf ein anderes Präparat angezeigt sein ? Vielen Dank für Ihr Intresse Christof

Prof. Christof Klötzsch: Multiple Herde im Halsmark führen häufiger zu funktionell gravierenden Ausfällen. Wenn sich die Motorik deutlich verschlechtert, wäre Mitox für 1-2 Jahre eine Möglichkeit die hohe Krankheitsaktivität einzudämmen und danach mit Interferon weiterzumachen.

Moni: Bei meinem letzten MRT vor der Mitoxumstellung (thoraler Bereich) fiel der Begriff Myelitis. Können sie mir erklären was der zu bedeuten hat? Vielen Dank für die netten und hilfreichen Antworten. Schönen Abend noch.

Prof. Christof Klötzsch: Myelitis heißt Entzündung im Rückenmark. Kurzum bei der Diagnose ein frischer MS-Herd im Rückenmark.

Thomas: Warum gibtes eigendlich nur Mitox bei der Eskalation? Bei der Basisterapie gtibt es doch auch mehrere?

Prof. Christof Klötzsch: Zur Eskalation kommen Mitoxantron, Tysabri und Endoxan (Cyclophosphamid) in Betracht. Für Endoxan bei MS liegen kaum Studienergebnisse vor, das Medikament ist dafür nicht zugelassen, so dass es sich beim Einsatz um einen individuellen Heilversuch handelt. Probleme bei der Eskalation einer Therapie hat man bei Patienten, deren Verlauf in einen überwiegend chronisch progredienten V. übergeht. Hier spielen ganz andere Mechanismen eine Rolle, die für die Schädigung der Nervenbahnen verantwortlich sind. Gäbe es wirksame Substanzen, so wären sie auf dem Markt verfügbar, denn für die Pharmaunternehmen ist die MS auch ein "Riesenmarkt".

Karin: Guten Abend Herr Prof.Klötzsch Nach Erreichen der Lebensdosis Mitox bleibt mir wahrscheinlich auch nur die Kort.-Inf.Wären auch eine kleinere z.b. o,5 Korti.-Inf. alle 6 Monate möglich? Ich vertrage Kortison nich besonders gut. Vielen Dank Karin

Prof. Christof Klötzsch: Das muss man individuell ausprobieren. Ich habe eine Pat. die 5 Tage 1 Gramm Kortison nicht verträgt, aber von 3 Tagen 1 Gramm profitiert und das auch so weitermachen möchte.

Thomas: Warum wirkt Mitox mehr als Interferon aber wARUM verschreiben es die Ärzte nicht so oft?

Prof. Christof Klötzsch: Mitox ist eigentlich zur Tumorbehandlung entwickelt worden und greift viel aggressiver ins Immunsystem ein. Das bedeutet auch die Gefahr von größeren Nebenwirkungen (Knochenmarkschädigung, Herzmuskelschädigung, Infekte). Darüber hinaus darf MS-Patienten nur eine festgelegte Gesamtmenge Mitox verabreicht werden. Man weiß also schon zu Beginn der Mitox-Therapie, wann man spätestens damit wieder aufhören muss. Deshalb ist das Ziel mit Mitox hohe Krankheitsaktivität eindämmen und dann wieder mit besser verträglichen Basistherapeutika weitermachen.

Kiss_met67: Guten Abend Herr Prof. Klötzsch, habe seit Sep `08 die (Erst-)Diagnose der Sekundär progredienten MS (mit aufgesetzten Schüben). Liegt in meinem Fall hier alles etwas undurchsichtig bzw. kompliziert, da ich von orthopädischer Seite her begründet (chronische Sacral-Gelenk-Problematik) hier seit mehr als 10 Jahren Schmerz-Patientin bin..,was besagte Überlappung mit einer chronischen Hintergrunderkrankung wie der MS mit all ihren Auslöugern nicht einfach gestaltet! Die betreunde Ärzteschaft, die mir anfänglich eine Verdrängung bzw. Igorieren der MS mittels Erklärung besagten orthopädischen Probkems mit all seinen Ausuferungen der S>ymptomatik hier attestierten, hat sich im Juni `09 aufgrund meiner biis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden sehr schlechten Diagnostik (bei erstem Schub Sep `08 und klinischen Transport "Liegendtransport"), für eine unmittelbare Eskalazions-Therapie mit Mitoxandron entschieden. Basis-Therapien wurden an der Stelle nicht auch nur ansatzweise erwähnt bzw. in´s Augr gefasst, wohl weil man sich aus Ärztesicht aufgrund meiner schlechten pathologischen Befunde hier keinen sinnvollen Ansatz unf Effekt versprach!? Habe Ende Dez `09 hier nunmehr die quaetalsübliche 3. Gabe Mitox erhalten, wobei mich immer wieder unterschwellig meine Frage nach einem Abbruch der Therapue hier beschäftiht, da ich auf anderer Seite mit stetig pregnanten Nebenwirkungen bzw. REAKTIONEN meines Körpers zu kämpfen habe!... - reichen von Skelett- über Zah- bis Infektions-Pronlemen (Pilz etv.) Im Vordergund der Abbruch-Übelegung steht jedoch meine beschriebene chronische Schmerz-Patient-Problematik sowie orthop. Phänomen der Sacral-Blockade, die sich seit Laufen der Chemo - nach 2jähriger Ruhephase! - anfangs im Abstand von 6, danach 4 sowie langfristig 2 und heute leidvollerweise 1wöchigem Abstand in massivster Art und Weise bemerkbar macht!... - beinhaltet Missempfindungen ebenso wie massiv eingeschränkte Gangbar- und Beweglichkeit! Meine MS ist seit letztem aktuellen MRT unf Aussagen der Ärzteschaft "am Boden"... - sähe alles sehr gut aus!... - vorhandene Herde seien geschrumpft... - neue nicht hinzugekommen!... - fühle mich leider jedoch alles andere als ein "Sprinignsfeld"! Meine Frage jetzt an Sie: Kann Mitox an sich in seiner Zusammensetzung bzw. Chemie Schmerzen verstärken bzw. bei bzw. nach sukzessiver Gabe selbst Schmerzen verursachen??? ... - und zum anderen... - kann Mitox negative Auswirkungen auf das Skelett hier an sich haben, da meine Sacral-Gelenk-Problematik in der letzten Zeit sich massivst bemerkbar macht und mir den Alltag mehr als erschwet.., ja so gut wie UNmöglich macht in den alltäglichen Dingen!? Habe mich innerlich hier eig. bereits entschieden!!... - die MS habe ich gedanklich mehr oder weniger "begraben"... - die Oberhand hat das orthop. Problem! Bin gespannt auf Ihre Antwort und hoffe im "best case" nat auf Ihre "Unterstützung" hinsichtl. Patientinnen-Analyse...*smile*... - vielen Dank im Voraus für Ihre freundliche Stellungnahme! Mit freundlichen Grüßen Anne

Prof. Christof Klötzsch: Mist mein Rechner ist schon wieder abgestürzt, hatte die Antwort schon fast fertig. Deshalb jetzt in Kürze: Ja es gibt bei hochaktiver MS die Indikation Mitox primär einzusetzen, wird aber seit Tysabri verfügbar ist, seltener gemacht. Wenn ihr Befund stabil ist, sollte man auf eine immunmod.Therapie mit Interferon oder Copaxone umstellen. Der Neurologe sollte klären, ob sie nicht neuropathische Schmerzen bei MS haben. Diese entstehen durch Schädigung schmerzleitender Nervenbahnen. Wenn die klassischen Medikamente (Lyrica, Gabapentin, CBZ) Ihnen helfen, dann sind es neuropathische und keine orthopädisch bedingten Schmerzen

Vorab 1: Sehr geehrter Herr Prof. Christof Klötzssch, nach mehreren kurz hinterreinander folgenden Schüben, Veränderungen im MRT Kopf und starke Zunahme der Läsionen im Brustbereich erhielt ich Tysabri. Abbruch nach 2 Infusionen wegen schlechter Leberwerte und Umstellung auf Mitox. Jetzt hab ich die 3. Mitox erhalten. Es geht mir gut. Habe keine neuen Schübe und keine Verschlechterung des Allgemeinzustandes. Welche Möglichkeit der Weiterbehandlung gibt es nach Mitox? Es kann doch nur begrenzt angewendet werden.

Prof. Christof Klötzsch: Ich empfehle 4 Mitoxgaben abzuwarten, wenn klinischer Befund und MRT einen stabilen Befund zeigen, sollte eine Einstellung auf Copaxone oder Interferon erfolgen. Hatte der Pat. vor Mitox unter Interferon Schübe, empfehle ich nach Mitox Copaxone. Hatte er vorher Copaxone, mache ich nach Mitox mit Interferon weiter.

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, lieber Herr Prof. Klötzsch, dies waren wenige doch sehr spannende Fragen, die hier hoffentlich zu aller Zufriedenheit geklärt werden konnten, sofern es das Medium Internet eben zulässt. Und was lernt man aus zwei PC-Abstürzen an einem einzigen Faschingsdienstag? Dass Rechner eben auch mal eine Auszeit brauchen! Ich danke für alle Energie und Engagement hier im AMSEL-Chat und freue mich, Sie vielleicht am 2.3. wieder begrüßen zu dürfen. Dann antwortet Prof. Horst Wiethölter ganz allgemein zum Thema "Behandlung der MS". Ihnen allen noch einen schönen Abend!

Redaktion: AMSEL e.V., 16.02.2010