Ernährung bei MS (2)

Wildfleisch ist eine Alternative, meint Prof. Olaf Adam im Expertenchat vom 18.07.06.

Moderator Patricia Fleischmann: Guten Abend, liebe AMSEL-Chatter, guten Abend, lieber Herr Prof. Adam. Puh, so eine Hitze, und da soll man auch noch übers Essen reden. Trotzdem: Los gehts, die ChatTore sind geöffnet!

sassa: Bringt die Einnahme von Fischöl Kapseln etwas positives ? Wenn man nicht gerade zu den Menschen gehört, die 3 x pro Woche Fisch essen.... Welche Dosierung ist empfehlenswert und über welchen Zeitraum ?

Prof. Olaf Adam: Mehrere Studien wurden mit verschiedenen Fetten durchgeführt. Die mit Fischöl waren die erfolgreichsten. Man kann also davon ausgehen, dass Fischöl eine Wirkung bei MS hat. Diese Wirkung setzt aber langsam ein, da die im Überschuss vorhandene ungünstige Arachidonsäure erst verdrängt werden muss. Das dauert etwa 2 Monate. Die Dosierung des Fischöl sind etwa 900 mg EPA pro Tag, entspechend 3 Kapseln EPAMAX oder 6 Kapseln "Lachsöl", das man in allen Großmärkten, Drogerien oder Reformhäusern erhält. Besser ist die Wirkung des Fischöls, wenn man eine "vegetarisch orientierte" Kost einhält. Wie das geht, habe ich im Buch "Diät und Rat bei Rheuma und Osteoporose" (erhältlich bei Amazon) oder etwas weniger ausfühlich im Leitfaden "Ernährungsrichtlinien bei MS" (Serono oder Amazon) beschrieben. Wenn die ungünstige Arachidonsäure, die nur in Produkten tierischer Herkunft (Fleisch, Wurst, Käse, Milch, Butter) enthalten ist, im Blut nur noch doppelt so hoch ist wie die EPA, kann mit einer Wirkung gerechnet werden. Dann benötigen manche Menschen keine Fischöle mehr und es geht auch mit Speiseölen, wie z. B. Rapsöl oder Leinöl.

Ronald: In einem Chat vor ungefähr 2 Jahren habe ich gelesen, das Wildfleisch, speziell vom Rotwild für Ms erkrankte nicht „schädlich“ sei. Seither suche ich vergeblich nach mehr aussagen über dieses Thema. Meine Frage hierzu: Ist es tatsächlich so, das Wildfleisch gewisse Inhaltstoffe nicht enthält und dadurch für erkrankte Menschen eine vernünftige alternative bietet, und wen welche Stoffe sind dies genau. Auf was sollte man achten wenn man sich zum Verzehr von Wildfleisch entschließt?

Prof. Olaf Adam: Tatsächlich hat Wildfleisch (von Pflanzenfressern wie Reh, Hase und Antilope) eine Zusammensetzung des Fettes, die fast der von Fischen entspicht. Das liegt an der Grasnahrung, die viel Omega-3 Fettsäuren als Vorstufe der EPA enthält. Die Tiere machen daraus EPA und die wirkt bei MS günstig. Es müssen aber wirklich "Wildtiere" sein, keine Stallhaltung, wie man es leider häufig bei uns findet. Man sieht es dem Wild nicht an, wo es das Futter her hatte. Deshalb sollte man sich beim Einkauf erkundigen. Wildfleisch ist wirklich eine Alternative. wir sind auch an diese Nahrung gewöhnt, da bereits in der Steinzeit die Jäger davon gelebt haben. Bei denen war der Omega-6 / Omega-3 - Quotient übrigens sehr günstig: 2 / 1.

Aki: Schoenen guten Abend aus Shanghai Prof. Adam, Ich nenne mich hier im Chat Aki und stecke in einer “Oelkrise”. Ihr Leitfaden fuer Patienten war so ziemlich eine der ersten Schriften, die ich als MS-Novizin 2004 durchgelesen habe. Die chinesische Kueche ist gemeinhin die Antithese zu Ihren Ernaehrungsvorschlaegen. Der chinesische Speisezettel enthaelt tierische Nahrungsmittel im Ueberfluss, Fleisch, alles was auf dem Land umhergeht, watschelt, kriecht, kreucht und dazu Eier ohne Ende im Reis, in Nudelgerichten, Suppen. Hauptsache fett und gebraten muss das Essen es sein. Ich war noch nie ein Freund dieser Ernaehrung und habe keine Probleme auf andere Lebensmittel (Seafood, Gemuese, Low Fat Milchprodukte, eifreie Pasta, etc.) auszuweichen. Eine Frage habe ich generell zur Verwendung von Oelen, auf die man ja nicht vollstaendig verzichten kann. Manche Oele sind wohl nur fuer den “kalten” Gebrauch bestimmt. Rapsoel, organic Flaxoil, was ich schade finde. Zum Kochen benutze ich Sonnenblumenoel, ohne Olivenoel geht’s nicht immer (zu lecker, kalt und warm), Walnussoel und seit Neuestem Grapeseedoil. Was halten Sie denn davon? Noch eine Frage: Die ganze Familie nimmt zwischenzeitlich Fischoele zu sich, einschliesslich meines aeltesten Hundes, dem das bei seinen neurologisch Deffiziten offensichtlich sehr gut bekommt. Was halten Sie persoenlich von der zusaetzlichen Einnahme von Evening Primrose Oil Kapseln? Ich denke da jetzt allerdings mehr an mich, der Hund ist schon mit Omega 3 ok… Vielen Dank fuer jeden Tipp!

Prof. Olaf Adam: War sehr interessant, Ihr Bericht aus China. Ich fahre im Oktober dort hin und meine Frau lernt schon chinesisch. Offenbar kommen Sie doch auch an Seafood. Bezüglich der Öle ist zu sagen: Olivenöl ist nicht schlecht, es hat nur sehr wenig von den gewünschten Omega-3 Fettsäuren. Die sind im Rapsöl, Walnussöl mehr vertreten. Mit diesen Ölen können Sie ohne weiteres Kochen und Braten. Wichtig ist, dass Sie dies bei "halber Flamme" tun, da die Öle sonst anfangen zu "rauchen". Der siedepunkt der Öle darf beim Braten nicht erreicht werden. Natürlich dauert es dann etwas länger. Aber auch gegen harte Pflanzenfette ist nichts einzuwenden, mit denen kann man vorzüglich Braten. Sie haben aber keinen gesundheitlichen Nutzen. Sonnenblumenöl ist weniger geeignet, da es zu viele "omega-6" Fettsäuren enthält. Das Verhältnis der Omega-6 / Omega-3 -Fettsäuren sollte in der Nahrung bei höchstens 4 / 1 liegen. Im Sonnenblumenöl ist es 157 / 1, im Rapsöl 2 / 1. Grapeseedoil und Evening Primerose Oil enthalten eine Fettsäure (gamma-Linolensäure), die fast wie Fischölfettsäuren wirkt. Wie die alllerdings bei Ihrem Hund wirkt, weiss ich nicht. Mein Hund (ein Cocker) mag sie schon.
A.W.: als ich vor 5 Jahren mit Interferonspritzen angefangen habe, habe ich noch viel auf Ernährung geachtet, habe Vitamine, Fischölkapseln genommen. Aber trotzdem ist meine MS weiter fortgeschritten, so das ich 2 Jahre Mitox. bekommen habe, letzteres mit Erfolg. Seit dem Mitox. bis jetzt nehme ich nur noch Vit. C. Seit ein paar Monaten ist das Mitox. abgesetzt. Ich bin jetzt am Überlegen, ob es angebracht ist wieder mehr auf Ernährung u. Vitamine, Fischöl (Cholesterin ist schon was erhöht, HDL u. LDL normal) zurückzugreifen. Welchen Stellungswert hat das alles, weil es damals auch nicht viel gebracht hat? Fleisch, Wurst, Eier esse ich sowieso wenig.

Prof. Olaf Adam: Leider sind die Gene viel stärker als die Ernährung. Deshalb kann die Ernährung, selbst wenn sie ganz genau eingehalten wird, wie Sie es offenbar gemacht haben, nicht dagegen ankommen. Die Ernährung kann nur immer eine gewisse Milderung des Verlaufs bewirken. Ich würde Ihnen schon raten, wieder auf die richtige Ernährung zu achten, aber im Großen und Ganzen habe ich den Eindruck, dass sie das bereits tun: wenig Fleisch, Wurst, Eier. Fischöle können die Wirkung der Ernährung steigen und ich würde Ihnen dazu raten. Große Mengen an Vitaminen (E oder C) sind wahrscheinlich nicht ratsam. Es gibt dazu keine verlässlichen Studien. Das Vitamin C kann man mit der Nahrung ausreichend aufnehmen, beim Vitamin E kann man eine Supplementierung mit 100 bis 200 mg pro Tag überlegen. Mehr nicht. Selen kann ebenfalls supplementiert werden, in einer Dosis von 50 bis 200 Mikrogramm.

karin: Was empfehlen Sie bei den hohen Temeperaturen zu essen und zu trinken? Wirken sich bestimmte Nahrungsmittel günstig oder ungünstig auf die Körpertemperatur aus?

Prof. Olaf Adam: Bei Sommerhitze ist das Trinken von Wasser am wichtigsten. Besonders wenn man auch noch Sport treiben möchte. Entspechend dem Verlust über den Schweiß können bis zu drei Liter pro Tag erforderlich werden. Radrennsportler benötigen 10 Liter oder mehr. Kohlenhydrat- und Gemüsereiche Kost ist wegen der darin enthaltenen Mineralstoffe zu empfehlen.

Michael: Sind immunstärkende Nahrungsergänzungsmittel generell ratsam und wenn ja, wird dadurch dann nicht auch die Immunantwort gegen körpereigenes Gewebe (z.B. myelin) stimuliert? Danke für Ihre Antwort im Voraus!

Prof. Olaf Adam: Es gibt eine große Menge von "immunstärkenden NEM". Dazu gehören so geheimnisvolle Stoffe wie "Transfer Factoren" über die außer den Herstellern kaum jemand etwas Konkretes zu sagen weiss. Ebenso haben Coenzym Q 10, Carnitin, Melatonin oder DHEA noch bei keinem Test einen Wirksamkeitsnachweis erbringen können. Thymusextrakte sind gefählich, da Antikörperreaktionen erwartet werden können, Thyroid-Hormon (ein Hormon der Schilddrüse) hat keinesfalls vorzüglich eine "immunstärkende" Wirkung, unter Procain sind schwere Störungen der Blutbildung beobachtet worden. Die "immunstärkende" Wirkung von Heilpflanzen ist vorhanden, kann aber für die Behandlung der MS nicht verwendet werden. Wie sie richtig vermuten, kann eine "Immunstärkung" die Aktivität der MS erhöhen. Deshalb sind alle "immunstärkenden NEM" für MS-Kranke nicht zu empfehlen.

Michael: israelische Wissenschaftler stellten einen ursächlichen Zusammenhang zwischen MS und Vitamin-B12 fest. Welche Rolle hat Ihrer Meinung nach B-12 für die Bildung von Myelin und ggf. in welcher Quantität sollte man B-12 zuführen - evtl. auch mit Eisen ?

Prof. Olaf Adam: Stimmt. Vitamin B12 ist für die Bildung des Myelin erforderlich. Vitamin B12 ist oft bei Patienten mit MS im Defizit und ein Mangel an Vitamin B12 hat so ähnliche neurologische Folgen, wie man sie auch bei der MS beobachtet. Allerdings ist das erst eine einzige Beobachtung vom Miller A et al und es sind noch mehr Studien erforderlich, bevor man abschließend etwas sagen kann. Es ist aber nicht falsch, gelegentlich den Spiegel von Vitamin B12 messen zu lassen.

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, lieber Prof. Adam: Vielen herzlichen Dank für Ihre Beiträge und Antworten! Der AMSEL-Chat verabschiedet sich jetzt in die Sommerpause. Am 5. September sind wir wieder da. Ich wünsche allen eine gute Zeit und immer ein Plätzchen mit einer kühlen Brise!

Moderator Patricia Fleischmann: Michaels bereits gestellte Frage wird freilich noch beantwortet!

Michael: Sehr geehrter Herr Prof. Adam, herzlichen Dank für Ihre Antworten und noch einen schönen Abend !

Prof. Olaf Adam: Es war mir wie immer eine Freude und ich bedanke mich für die tolle organisation.

Moderator Patricia Fleischmann: Ich danke für die kompetenten Antworten!

Redaktion: AMSEL e.V., 18.07.2006