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Bewährte MS-Therapien - Nutzen und Wirkung

Je aktiver die Erkrankung und je früher der Behandlungsbeginn, desto eher kann man einen Nutzen der immunmodulatorischen Therapie der Multiplen Sklerose erwarten, so Dr. med. Martin Rösener im AMSEL-Expertenchat.

Moderator Patricia Fleischmann: Willkommen, liebe AMSEL-Chatter, in unserer Expertenrunde ! Ab 19 Uhr antwortet Dr. Martin Rösener. Sie können die Zeit bis dahin gern nutzen, schon mal Ihre Fragen zu posten oder sich in der "Plauderecke" (unteres Textfeld) mit andern Betroffenen auszutauschen.

Purzel: Meine Diagnose ist ein halbes Jahr alt. Der Start der Basistherapie steht noch aus. Empfohlen wurde mir Copaxone – inzwischen ist Tecfidera auf dem Markt. Meine Frage: Welche Vorteile sehen Sie in einer Basistherapie mit Fumarsäure (außer einer oralen Einnahme)?“

Dr. Martin Rösener: Guten Abend, liebe Chatgemeinde, ich hoffe auf einen anregenden und interessanten Abend. Nun zur Frage: Copaxone ist ein bewährtes, in allen Nebenwirkungen bekanntes und meist sehr gut Verträgliches Medikament. Es ist seit vielen Jahren im Einsatz und besondere Überraschungen sind jetzt nicht mehr zu erwarten. Tecfidera (Dimethylfumarat) gibt es in Deutschland seit etwa 6 Wochen in den Apotheken. Es wird als Tablette eingenommen, die Erfahrungen damit sind bislang im Einsatz bei Multipler Sklerose begrenzt. Die Nebenwirkungen sind völlig anders als bei Copaxone. Im Einzelfall müssen sie sich über Wirkungen und Nebenwirkungen aufklären lassen und dann nach Ihrer persönlichen Risikobereitschaft entscheiden.

Dr. med. Martin Rösener

Studium der Medizin in Würzburg und London.

  • Neurologische Ausbildung an den Neurologischen Universitätskliniken Würzburg und Tübingen.
  • Langjährige wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der Multiplen Sklerose.
  • Aufbau und Führung einer Ambulanz für Patienten mit Multipler Sklerose an der Universität Tübingen.
  • Seit 2000 niedergelassener Neurologe in Stuttgart mit Schwerpunkt Multiple Sklerose.
  • Häufig als Referent und Chatexperte für die AMSEL aktiv.
  • Seit 2006 Mitglied des Ärztlichen Beirates der AMSEL.

Gerd: Hallo Herr Rösener, ich spritze mich seit drei Jahren mit Copaxone. In dieser Zeit hatte ich keinen Schub mehr. Ist es sinnvoll, falls die Copaxone Spritzen mit doppeltem Wirkstoff dieses Jahr die Zulassung bekommen, auf diese umzusteigen? Es wäre schon eine große Erleichterung, mich nur noch jeden zweiten Tag spritzen zu müssen? Vorab vielen Dank für die Beantwortung meiner Frage.

Dr. Martin Rösener: Wie häufig Copaxone gespritzt werden muss, um wirksam zu sein, ist schon länger Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Wenn es eine Zulassung für Copaxone mit Injektionen nur jeden zweiten Tag gibt und die Wirksamkeit gleich der täglichen Injektion ist, werden Sie sich gerne umstellen lassen.

Marie: Guten Abend Herr Dr. Rösener, ich hatte mittlerweile bereits 20 Infusionen Tysabri. Dadurch geht es mir bedeutend besser. Aber was wäre die Alternative, wenn ich JCV positiv getestet werde? Gibt es Mittel, die genauso gut wirken? Vielen Dank!

Dr. Martin Rösener: Tysabri ist zugelassen zur immunmodulatorischen Eskalationstherapie der Multiplen Sklerose. Nach jeder Eskalation sollte eine Deeskalation angestrebt werden, wenn die Erkrankung zur Ruhe gekommen ist. Es sind inzwischen sieben Medikamente zur Basistherapie der Multiplen Sklerose zugelassen, auf die Sie nach Tysabri wechseln können.

flower: Hallo Herr Dr. Rösener. Nutzen und Wirkung werden in den Foren sehr kontrovers diskutiert. Viele Patienten entscheiden sich offensichtlich häufig gegen die Basistherapie, da aus verschiedenen Unterlagen heraus abgeleitet werden kann, dass nur ein geringer Anteil der Patienten tatsächlich von den Medikamenten profitieren. U.a. kann man der Broschüre „ Immuntherapien der multiplen Sklerose 2008, Neuauflage 2013“ (Hamburg) herauslesen, dass nur ca. 14 Patienten nachweislich von der Basistherapie einen nachweislichen Nutzen haben. Mein Neurologe spricht von 70% Nutzen – bei mir scheint es auch zu wirken. Was kann man denn nun glauben? Was ist Ihre Meinung dazu?

Dr. Martin Rösener: Je aktiver die Erkrankung und je früher der Behandlungsbeginn, desto eher kann man einen Nutzen der immunmodulatorischen Therapie der Multiplen Sklerose erwarten. Die Frage muss deshalb in jedem Einzelfall neu beantwortet werden. Wenn jemand seit 50 Jahren Multiple Sklerose hat, es ihm gut geht und der letzte Schub 30 Jahre zurückliegt, profitiert er sicher nicht von einer immunmodulatorischen Behandlung. Ich betreue solche Patienten und behandle sie entsprechend nicht mit Immuntherapeutika. Wenn jemand ganz am Anfang der Erkrankung steht und einen aktiven Verlauf mit häufigen Schüben hat, sollte früh und intensiv behandelt werden, weil dann tatsächlich ein Nutzen erwartet werden kann.

emma: Guten Abend Dr. Martin! Wie sehen sie das alte Imurek im Vergleich zu Teriflunomid?

Dr. Martin Rösener: Das gute, alte Imurek spielt in der Behandlung der Multiplen Sklerose jetzt nur noch eine sehr untergeordnete Rolle. Es wurde nie in großen, randomisierten, doppelblinden Studien auf seine Wirksamkeit bei Multipler Sklerose getestet und sollte wegen möglicher Nebenwirkungen keinesfalls länger als 10 Jahre eingesetzt werden. Teriflunomid ist neu und in großen Studien als wirksam nachgewiesen. Es ist zur Basistherapie der schubförmigen Multiplen Sklerose zugelassen.

Katharina: Hallo,ich habe meinen ersten Schub ab dem 14.2.2014 gehabt, wurde vom 25.2.-2.3. mit 1gramm Cortison täglich behandelt danach 2 Wochen ausschleichend.Bin extrem schlapp und habe weiter Schmerzen vom Rücken ausgehend über Hüfte in beide Beine.Ist das normal? Ich bin 44 Jahre alt, Entzündungsherd am 5 Brustwirbel.

Dr. Martin Rösener: Eine Behandlung mit Kortison ist kein Spaziergang und kann für einige Zeit danach noch Beschwerden machen. Diese Störungen werden im Verlauf sicher zurücktreten. Die Schmerzen im Rücken können Nebenwirkung der vielleicht durchgeführten Lumbalpunktion sein. Auch diese Schmerzen sollten sich zurückbilden.

emma: Ist es möglich, dass die antivirale Wirkung der Interferone z.zt. durch nichts zu ersetzen ist?

Dr. Martin Rösener: Die antivirale Wirkung der Betainterferone wird derzeit therapeutisch nicht genutzt. In der Behandlung der Multiplen Sklerose mit Betainterferonen spielt die antivirale Wirkung keine Rolle.

emma: unter welchen Bedingungen kommen Immunglobuline noch zum Einsatz?

Dr. Martin Rösener: Intravenös gegebene Immunglobuline sind in der Behandlung der Multiplen Sklerose nicht wirksam. Dies wurde in mehreren, großen Studien bestätigt. Entsprechend sind sie zur Behandlung der Multiplen Sklerose in Deutschland nicht zugelassen und werden von den gesetzlichen Krankenkassen nicht bezahlt. Sie spielen in der Behandlung der Multiplen Sklerose praktisch keine Rolle mehr.

emma: Ich habe Cortisonunverträglichkeit, was wäre hier eine Alternative?

Dr. Martin Rösener: Für die Behandlung schubförmiger Verschlechterungen der Multiplen Sklerose ist die hochdosierte, intravenöse Gabe von Kortison die erste Wahl. Es gibt mehrere Präparate und möglicherweise verursacht nur eines davon eine Unverträglichkeit bei Ihnen. Sie sollten dann auf ein anderes Kortisonpräparat ausweichen, wenn ein Schub unbedingt behandelt werden muss. Bei leichten Schüben kann durchaus auch auf eine Kortisontherapie verzichtet und die Spontanerholung abgewartet werden.


Allgemein - Katharina: Habe das erste Mal einen Schub gehabt bin 44 Jahre,bekomme seit dem 16.3. kein Cortison mehr. Ist es normal das ich weiter so kaputt und müde bin, habe auch fast täglich Schmerzen.


emma: Trotz negativem JC Virus habe ich mit extremen kognitiven Störungen auf Tysabri reagiert, da auch eine Entzündung nicht zurück ging wurde die Therapie beendet. der Herpes Simplex wurde 10 fach erhöht gemessen, geht das ebenso auf Tysabei-konto?

Dr. Martin Rösener: Kognitive Störungen sind eher Symptom der Multiplen Sklerose als Nebenwirkung der Behandlung mit Tysabri gerade wenn noch Entzündungsherde aktiv sind. Das Herpes simplex Virus kann eine Entzündung des Gehirns verursachen. Um die nachzuweisen, muss man entzündliche Veränderungen bei einer Nervenwasseruntersuchung nachweisen. Bei entsprechendem Befund würde dann die Infektion behandelt.

Moderator Patricia Fleischmann: @Katharina: Bitte die Frage ins obere Schreibfeld posten "Frage an den Experten" - danke !

Katharina: Danke für Ihre Antwort, die Lumbalpuktion ist Ende Februar gewesen, können es wirklich noch Beschwerden davon sein.

Dr. Martin Rösener: Manche Patienten klagen tatsächlich noch einige Zeit nach der Lumbalpunktion über Rückenschmerzen. Das hängt davon ab, wie schwierig die Punktion und wie erfahren der ausführende Arzt war.

BER: Guten Abend, bei mir wurde MS vor knapp einem Jahr diagnostiziert (erster Schub April 2013; zweiter leichter Schub Jan. 2014) und ich spritze seit Juni 2013 Avonex. Ich habe immer noch Nebenwirkungen (Schüttelfrost, Grippesymptome) bis etwa 24h nach der Injektion. Lohnt sich ein Wechsel z.B. auf Fumarsäure. Ich lebe in der Schweiz und da ist Fumarsäure noch nicht zugelassen.

Dr. Martin Rösener: In der Behandlung der Multiplen Sklerose ist sorgfältig auf das Verhältnis von Nutzen und Nebenwirkungen der eingesetzten Medikamente zu achten. Sie sollen durch die Behandlung nicht mehr beeinträchtigt sei, als durch die Erkrankung. Wenn die grippeähnlichen Nebenwirkungen von Avonex deutlich beeinträchtigend sind und nicht durch Begleitmedikamente wie z. B. Ibuprofen unterdrückt werden können, käme ggf. eine Umstellung der Behandlung auf Copaxone in Frage. Natürlich kann auch Teriflunomid (Aubagio) oder Dimethylfumarat (Tecfidera) eingesetzt werden, wenn es denn verfügbar ist.

emma: woran liegt es, dass Interferone bei einigen auf die Psyche schlage und bei anderen nicht?

Dr. Martin Rösener: Die Betainterferone können als Nebenwirkung depressive Verstimmungen verstärken. Das tun sie vor allem bei Patienten, die bereits zum Beginn der Behandlung depressiv verstimmt sind. Menschen mit einer ausgeglichenen Seelenlage bringen die Betainterferone meist nicht aus dem Gleichgewicht. So kann der Unterschied zwischen verschiedenen Patienten erklärt werden.

Katharina: Muss man mit einer Verschlechterung rechnen wenn man sich in sehr warmen Ländern aufhält,eventuell mit einem weiterem Schub?

Dr. Martin Rösener: Nein, Wärme löst keine Schübe aus. Viele Patienten mit einer Multiplen Sklerose leiden allerdings unter einer Wärmeintoleranz. Das heißt, dass hohe Umgebungstemperaturen oder Fieber neurologische Funktionen verschlechtern. Nach Abkühlung erholen sich die Funktionen aber rasch wieder. Diese Wärmeintoleranz sollte keinesfalls mit einem Schub verwechselt werden.

emma: Wenn Tysabri den "schlafenden" JC Virus aktivieren kann, wie sieht es mit diversen anderen "schlafenden Vieren" aus?

Dr. Martin Rösener: Sie sagen es genau richtig: die Behandlung mit Tysabri kann "ruhende" JC Viren zur Vermehrung bringen. Von anderen Viren ist dies bislang unter der Behandlung mit Tysabri nicht bekannt.


Allgemein - emma: wie vertragt ihr diesen sprintFrühling?


cora: Hallo Herr Rösner ICh habe seit einigen Jahren MS mit relativ mildem Verlauf. Das nervigste ist die Ataxie und der Tremor. Desshalb bekomme ich alle 3 Monate eine Cortisonstoßtherapie mit Prednisolut 3000mg. Ich habe ordentliche Nebenwirkungen, die auch eine episodische Ataxie Typ 2 angetriggert haben. Gibt es ein anderes Medikament das für mich besser geeignet wäre?? Grüße und Danke

Dr. Martin Rösener: Ataxie und Tremor sind schwer zu behandelnde Symptome der Multiplen Sklerose. 3000 mg Prednisolon in einer Infusion ist eine sehr hohe Dosis. Ich würde einen Versuch mit einer geringeren Dosis (1000 mg) unternehmen. Dann sind auch die Nebenwirkungen geringer.

isabel: Guten abend. Nachdem ich nach 4 jahren mit tysabri aufhören musste soll ich jetzt auf tecfidera umgestellt werden. Bei meinen drei letzten blutuntersuchungen waren die leukozyten zu hoch. Kann ich das medikament trotzdem bekommen? Oder welches würde dann in frage kommen?

Dr. Martin Rösener: Nach einer Behandlung mit Tysabri sollte vor Aufnahme einer weiteren, immunmodulatorischen Behandlung das Immunsystem wieder vollständig funktionsfähig sein. Es ist deshalb eine Pause zwischen den Behandlungen erforderlich. Eine zu hohe Leukozytenzahl ist kein Hindernis für eine Behandlung mit Tecfidera. Es muss eher darauf geachtet werden, dass die Zahl der Lymphozyten nicht zu stark absinkt.

Alex: Hallo, hätte da eine Frage zur Medikation. Ich bin 21 Jahre jung, ED: 2013, nehme seit Mitte November 2013 Gilenya, also knapp 4,5 Monate. Zunächst fuhr ich recht gut damit, meine Einschränkungen und Leistungsfähigkeit hat sich verbessert. Dann im Ende Januar erneut Schub mit Hemisymptomatik, Behandlung mit Kortison-Pulstherapie. Einen Monat später Exzerbation, also Verschlechterung der Hemi-Symptomatik. Weiterhin kernspintomografisch hohe Aktivität mit zahlreichen neuen black holes. Nun wird mir geraten auf Lemtrada umzusteigen, da Tysabri nicht empfohlen wird (JC-Virus positiv). Wie ist Ihre Meinung gegenüber Lemtrada? Ich bin skeptisch, weil es in den USA bisher noch nicht zugelassen ist und schwer zu handhaben, d.h. bis zu 4 Jahre danach monatl. Laborkontrolle, außerdem ist das NW-Profil nicht ganz ohne.

Dr. Martin Rösener: Alemtuzumab (Lemtrada) ist ein neuer, zur Behandlung der aktiven Multiplen Sklerose zugelassener monoklonaler Antikörper, der zu einer sehr langfristigen Veränderung des Immunsystems führt. Das Medikament ist wirksam in der Behandlung der Multiplen Sklerose und hat unter Umständen gravierende Nebenwirkungen. Die Erfahrungen mit dem Medikament sind bislang begrenzt. Es muss deshalb in jedem Einzelfall sorgfältig der Nutzen gegen die potentiellen Nebenwirkungen abgewogen werden. Auf jeden Fall ist nach der Gabe von Lemtrada eine mindestens 4 jährige, kontinuierliche Überwachung zu gewährleisten.


Allgemein - anni: Wer hat Erfahrung mit den Nebenwirkungen von Tecfidera Erfahrung? Kann man mit diesen gut voll arbeiten? Spritze Avonex und da hat man (wenn) diese Probleme nur ein Mal in der Woche.


vera476: Guten Abend, ich nehme nun seit drei Wochen Tecfidera. Eine Woche morgens und abends 120mg und seit zwei Wochen morgens 120 mg und abends 240mg. Seitdem ich 240mg nehme, habe ich nachts Magenschmerzen. Und am tag durchfall. Wie lange kann das anhalten? Und gehen diese Nebenwirkungen wieder weg?

Dr. Martin Rösener: Gastrointestinale Nebenwirkungen (Übelkeit, Durchfall) sind typisch unter der Behandlung mit Tecfidera. Meist werden sie nach einiger Zeit weniger. Manchmal muss man das Medikament aber auch deswegen wieder absetzen.

Katharina: Mein Hausarzt hat mir gesagt das ich eine Borrelieninfektion habe,mein Neurologe hat dies nicht bestätigt schreibt aber in seinem Bericht - Borrelien AK IgM i.S. 4,2 ,Borrelien AK IgM Banden positiv.Bei Vorliegen eines eines Erythema migrans ist ein ursächlicher Zusammenhang anzunehmen und eine Therapie einzuleiten.Was heißt das, bei meinem letzten Termin haz er davon nichts gesagt.

Dr. Martin Rösener: Die Laborbefunde, die Sie zitieren, beziehen sich wahrscheinlich auf die Untersuchung von Antikörpern gegen Borrelien im Blut. Damit lässt sich praktisch nie eine Borreliose beweisen. Diese Befunde belegen nur, dass Ihr Immunsystem im Verlauf Ihres Lebens schon mal in Kontakt mit Borrelien war. Eine Wanderröte (Erythema migrans) nach Zeckenstich ist dagegen eine eindeutiges Zeichen für eine Borreliose und sollte immer behandelt werden.

anni: Sehr geehrter Herr Dr. Rösener, wird man durch Tecfidera anfälliger für Infektionen? Wenn ja, sollte man bei einem Beruf mit vielen Menschenkontakten eher eine andere Basistherapie bevorzugen; ich spritze seit 2012 Avonex.

Dr. Martin Rösener: Wenn Sie Avonex gut vertragen und die Erkrankung zur Ruhe gekommen ist, gibt es keinen Grund die Behandlung zu ändern. Never change a winning team! Nach den bisherigen Untersuchungen wird man durch Tecfidera nicht wesentlich anfälliger für Infektionskrankheiten. In Berufen mit Menschenkontakt könnte eher das sogenannte "Flushing", d. h. die mit Hautrötung verbundenen Hitzewallungen, die als Nebenwirkung von Tecfidera auftreten, störend sein.

cora: Sorry, ich habe mich wohl nicht richtig ausgedrückt. Nicht in einer Infusion sind die 3000mg. sondern in 3 . Also am Tag 1000mg

Dr. Martin Rösener: Auch da können Sie bei deutlichen Nebenwirkungen einen Versuch der Dosisreduktion, d. h. nur einmal 1000 mg, machen.

Rachel: Guten Tag Frau Fleischmann, guten Tag Herr Dr. Rösener, vielen Dank für dieses Angebot der AMSEL und der beteiligten Ärzte, das uns Betroffenen die Möglichkeit uns zu informieren gibt. Leider bin ich Dienstagabend immer verhindert, so dass ich meine Frage vorab stelle. Ich stelle mir auch die Frage zu Nutzen und Wirkung der MS Therapie. Ich erhielt die Diagnose MS 2008 und spritze seitdem Copaxone. Von diesem einzigen klinisch auffälligen Schub, bei dem Entzündungsherde in der Brustwirbelsäule und im Gehirn auftraten, sind schwere Beine, Gefühlsstörungen im linken Fuß und Drangblase geblieben. Begonnen hat die MS allerdings schon ein paar Jahre davor mit leichten Gefühlsstörungen und beim MRT wurden auch ältere Narben im Halswirbelbereich gefunden. Seitdem bin ich schubfrei und ein MRT 2011 ergab keine neuen Läsionen und die vorhandenen nicht größer. Ich habe schon oft gehört: die MS schläft nie, im unmerklichen Bereich finden fortwährend Entzündungen und Untergang von Nervenzellen statt. Trifft diese Aussage zu oder kann die MS auch völlig zum Stillstand kommen? Die herkömmlichen Basistherapien wirken auf die Entzündungshemmung, auf die Reduzierung der Schübe. Wenn keine oder nur geringe Entzündungsaktivität vorliegt so wie bei mir, stelle ich mir die Frage ob die Basistherapie mit Copaxone für mich überhaupt einen Sinn hat, wenn sie den langfristigen Verlauf hinsichtlich Behinderungsprogression und Untergang von Nervenzellen ja sowieso wenig oder gar nicht beeinflussen kann. Mein Neurologe hat mir gesagt ich könne aufgrund des guten Verlaufs versuchen ohne Basistherapie auszukommen, wobei der Verlauf vor Abbruch der Behandlung und nach ungefähr ½ Jahr durch ein MRT kontrolliert würde. Zuerst hatte ich Angst davor die Basistherapie abzusetzen, aber aufgrund der vorgenannten Ausführungen kann ich mich mit dem Gedanken anfreunden. Würden Sie solch einen Versuch in meinem Fall empfehlen oder geht man damit ein Risiko ein? Wenn der schleichende, unmerkliche Untergang von Nervenzellen im Laufe der Erkrankung immer mehr in den Vordergrund tritt, dann wäre ein Medikament, das die Nervenzellen schützt besser geeignet. Da Tecfidera eine die Nervenzellen schützende Wirkung haben soll stelle ich mir die Frage, ob ich dieses Basismedikament nehmen soll für den langfristigen Schutz.

Dr. Martin Rösener: Die Entscheidung für oder gegen eine immunmodulatorische Behandlung ist immer sehr individuell mit dem Patienten zu treffen. Natürlich kann die Erkrankung vollständig zur Ruhe kommen. Ich habe in einer früheren Antwort auf Patienten mit einer seit 50 Jahren bestehenden, stabilen Multiplen Sklerose hingewiesen. Praktisch gehe ich so vor: Patienten, die unter einer immunmodulatorischen Behandlung über 5 Jahre weder klinisch noch subklinisch (d. h. in der Kernspintomographie) Krankheitsaktivität zeigen, biete ich ein Pausieren der Behandlung an. Nach jeweils einem Jahr wird die Krankheitsaktivität erneut beurteilt. So betreue ich jetzt schon viele Patienten, die seit Jahren ohne Behandlung und ohne Krankheitsaktivität sind. Wenn allerdings ein Schub auftritt oder neue Herde in der Kernspintomographie zu sehen sind, muss die Behandlung wieder aufgenommen werden.


Allgemein - emma: @cora - ich bekomme Carbamazepin gegen Tremor und Ataxie


Katja: Hallo Herr Dr. Rösner, nachdem ich 2010 meine letzte Mitoxinfusion (138mg) erhalten habe, hatte ich ausser Famphyra u. Baclofen 3x10mg keine Therapie mehr. Erfreulicherweise hat sich meine SPMS so stabilisiert, das ich ( 55 E$DSS 5,5) ganz zufrieden bin.Meine Frage: Wie lange wird das Mitox, Ihrer Erfahrung nach noch vorhalten? Vielen Dank

Dr. Martin Rösener: Die Frage habe ich doch gerade schon beantwortet, oder?


Allgemein - cora: @emma...das habe ich auch versucht, bekomme aber leider nen üblen Auschlag


Felicitas: Hallo Herr Dr. Rösner, nachdem ich 2010 meine letzte Mitoxinfusion (138mg) erhalten habe, hatte ich ausser Famphyra u. Baclofen 3x10mg keine Therapie mehr. Erfreulicherweise hat sich meine SPMS so stabilisiert, das ich ( 55 E$DSS 5,5) ganz zufrieden bin.Meine Frage: Wie lange wird das Mitox, Ihrer Erfahrung nach noch vorhalten? Vielen Dank

Dr. Martin Rösener: Im Stadium der sekundär-progredienten Multiplen Sklerose (SPMS) spielt, wenn keine Schübe mehr auftreten, die immunmodulatorische Behandlung nur noch eine untergeordnete Rolle. Es kann also sein, dass bei Ihnen die Erkrankung zur Ruhe gekommen ist und die symptomatische Behandlung (Baclofen, Fampridine, Krankengymnastik) völlig ausreichend ist.

BER: Was ist der Unterschied zwischen Natalizumab und Alemtuzumab?

Dr. Martin Rösener: Natalizumab (Tysabri) und Alemtuzumab (Lemtrada) sind zur Behandlung der Multiplen Sklerose eingesetzte, monoklonale Antikörper, die an unterschiedliche Strukturen auf Immunzellen binden und so das Immunsystem beeinflussen.

Alex: Was kann man komplementär als Ergänzung nehmen? Es gab Studien, die von Vit. D, Weihrauchkapseln als entzündungshemmend oder auch Grünteeextrakt eine angebliche Beeinflussung auf den Krankheitsverlauf haben könnten. Denken Sie, dass durch eine ketogene Diät ebenfalls ein positiver Nutzen gezogen weden kann? Und meine letzte Frage: Könnte man Simvastatin 80 mg als Ergänzung schon im Anfangsstadium bei einer RR-MS nehmen, um die Hirnatrophie zu verlangsamen? Dankeschön.

Dr. Martin Rösener: Vitamin D wird gerade in der dunklen Jahreszeit jedem empfohlen, der wenig an der Sonne ist und meist vor dem Computer sitzt. Weihrauchkapseln und Grünteeextrakt sind zur Behandlung der Multiplen Sklerose noch nicht ausreichend untersucht, eine generelle Empfehlung kann diesbezüglich nicht gegeben werden. Simvastatin ist gerade in einer kleinen Studie untersucht worden. Hier sind für eine klare Empfehlung weitere Untersuchungen erforderlich. Vielleicht könnten Sie sich für eine solche Untersuchung an einem Studienzentrum zur Verfügung stellen.

cora: Wenn ich die niedrigere Dosis Cortison bekomme, habe ich sicher dann weniger NW, und die eATyp2 wird sicher nicht so ausgeprägt, doch bleibt der Nutzen dann noch so hoch.. soll heißen:die Ataxie und der Tremor..werden wieder stärker?

Dr. Martin Rösener: Natürlich sind Wirkung und Nebenwirkungen abhängig von der Dosis, d. h. mit einer größeren Dosis haben Sie mehr Wirkung, aber auch mehr Nebenwirkung. Es kommt nun darauf an, die Dosis herauszufinden, bei der sie eine ausreichende Wirkung, bei erträglichen Nebenwirkungen haben. Das geht wahrscheinlich nur durch Ausprobieren.

anni: Vielen Dank Herr Dr. Rösener

Dr. Martin Rösener: Gern geschehen.

emma: Wird an einer alternative zu Cortison gearbeitet?

Dr. Martin Rösener: Kortison ist ein körpereigenes Hormon und in seiner entzündungshemmenden Wirkung bislang von großem Nutzen für viele Erkrankungen. Eine Alternative dazu gibt es bisher nicht.

flower: Hallo Herr Dr. Rösener, ich nehme seit Jan 2012 Interferone, erst Avonex und seit 03/2012 Rebif 44. Mittlerweile habe ich mich gut an die Nebenwirkungen gewöhnt. Gerade diskutiere ich mit meinem Mann, ob meine Müdigkeit eher von den Nebenwirkungen der Medikamente oder direkt von der MS-Erkrankung kommt...was meinen Sie?

Dr. Martin Rösener: Die chronische Müdigkeit ist ein häufiges Symptom der Multiplen Sklerose und für viele Patienten die Beschwerde, die sie am meisten beeinträchtigt. Natürlich kann auch Rebif in den Stunden nach der Injektion Müdigkeit auslösen. Diese Nebenwirkung sollte aber eigentlich einige Stunden nach der Injektion verschwunden sein. Wenn Sie abends spritzen, können Sie möglicherweise die Nebenwirkungen sogar verschlafen.

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, schon sind 90 Minuten um - danke für Ihre Beiträge und ganz besonderen Dank natürlich an Dr. Martin Rösener für sein Engagement heute Abend in diesem Chat ! Weiter geht es am 15. April, also in 2 Wochen. Thema und Experte geben wir vorher auf www.amsel.de bekannt. Ihnen allen noch einen schönen Abend

Redaktion: AMSEL e.V., 01.04.2014