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Ausbildung, Studium, Job & Multiple Sklerose

Eine wahrheitsgemäße Beantwortung der Frage nach chronischen Erkrankungen beim Betriebsarzt muss nur dann erfolgen, wenn die Einschränkungen aufgrund der chronischen Erkrankung nachteilige Auswirkungen auf die Ausübung der Tätigkeit haben, so RA Andreas Czech im AMSEL-Expertenchat.

Moderator Patricia Fleischmann: Guten Abend, liebe Chatter zum Multiple-Sklerose-Chat der AMSEL. Heute unser Thema: Arbeitsrecht. Es antwortet ab 19 Uhr Rechtsanwalt Andreas Czech.

Moderator Patricia Fleischmann: Es sind bereits 4 Chatter angemeldet. Wer stellt die erste Frage ?


Allgemein - Maja: Guten Abend. Fragen werden sich hoffentl. Noch ergeben :-)


Moderator Patricia Fleischmann: Hallo Maja, so ist es :-)

Rafael: Guten Abend, ich studiere Medizin und bin im 3. Vorklinischen Semester, was bisher ganz gut geklappt hat. Nur ist es so, dass ich mich gerade mit Lernintensiven Fächern etwas schwer tue: Hierbei insbesondere Fächer, in denen viel Detailwissen gefragt wird in möglichst kurzer Zeit. Ich brauche dafür etwas Länger als meine "gesunden" Kommilitonen. Zurzeit klinisch stabil ohne sichtbaren Einschränkungen, hatte aber bei Erstdiagnose ganz viel "Schaden" in Form von Läsionen. Und es ist auch klinisch erwiesen, dass Betroffene einige "Problemchen" in Sachen Gedächtnis haben. Gibt es für mich Möglichkeiten, dass ich da zukünftig etwas stressfreier durch mein Studium gehe? Es gibt an unserer Uni keine Prüfungskomission und hatte mal ein Gespräch mit dem Sekretariat, worin es hieß, dass ein Nachteilsausgleich nur in Form eines ärztlichen Attestes mit genauer Beschreibung der Einschränkungen gewährt werden kann. Was kann ich tun? Welche Möglichkeiten gibt es für mich? Besitze aufgrund meines bisherigen Verlaufes einen Schwerbehindertenausweis mit GdB 50, Markenzeichen G, Gültigkeit unbestimmt. Ich bedanke mich im Voraus für eine Antwort. Grüße Rafael

RA Andreas Czech: Guten Abend Rafael, die Beantwortung der Frage ist anhand der Informationen leider nicht möglich. Für die Beantwortung Deiner Frage müsste man sich zunächst mit der konkreten Prüfungsordnung Deiner Uni auseinandersetzen, die nicht bei jeder Universität exakt gleich ist. Darüber hinaus weiß ich aus meiner Studienzeit noch, dass die Lehrstühle und später die Prüfungsämter ein großes Ermessen haben, wenn es um Einschränkungen der Prüfungsteilnehmer geht. Wir hatten einen Fall, bei dem die Prüfungsteilnehmerin nur 20 Prozent Sehkraft hatte. Soweit ich mich noch erinnern kann, wurde die Bearbeitungszeit der Prüfung bei dieser Teilnehmerin damals um eine Stunde verlängert.

Moderator Patricia Fleischmann: Für alle Studierenden sei hier auch verwiesen auf unseren Chat mit Ursula Jonas vom Deutschen Studentenwerk: https://www.amsel.de/beratung/expertenchat/index.php?w3pid=beratung&kategorie=expertenchat&kategorie2=chatprotokolle&anr=5293 Gleich in der 1. Frage geht es um Nachteilsausgleiche.

RA Andreas Czech

Publizistisch präsent auf AMSEL-Veranstaltungen und auf www.amsel.de. Eigene Kolumne im Magazin "together".

  • Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Passau in Bayern mit Schwerpunkt Arbeits- und Sozialrecht.
  • 1996-2003 Tätigkeit bei verschiedenen Rechtsanwaltskanzleien in Passau, Regensburg und Stuttgart, teilweise in den Bereichen Arbeits- und Sozialrecht.
  • 2002 Rechtsreferendariat in Regensburg.
  • 2003 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Regensburg bei OLG Richter Maihold.
  • Seit 2004 niedergelassener Rechtsanwalt in Stuttgart mit Schwerpunkten Arbeits-, Zivil- und Sozialrecht.

reza: Guten Abend Herr Czech! Ich habe vor 8 Jahren eine Job wegen Burnout gekündigt - jetzt bin ich bereits berentet und möchte eine Betriebsrente erhalten. In den Unterlagen steht eine mindest- Betriebszugehörigkeit von 5 Jahren , ich habe nur 4... Kann ich ein Jahr nachzahlen und so ein Recht zu erwerben?

RA Andreas Czech: Guten Abend, ich gehe davon aus, dass eine Nachzahlung des fehlenden Jahres nicht zu einem Erwerb der Betriebsrente führt. Zur genauen Prüfung müsste ich die Bedingungen der Betriebsrente kennen. Genaue Auskünfte kann in diesem Zusammenhang eventuell auch der ehemalige Arbeitgeber oder aber der Träger/Versicherer der Betriebsrente geben.

reza: Der Rentenbescheid ist derart kompliziert, dass ich mich frage, welcher Laie in der Lage ist diesen zu kontrollieren? Gibt es hier Hilfen?

RA Andreas Czech: Guten Abend Reza, bei Fragen zur Rente oder zum Rentenbescheid kann Herr Heller vom AMSEL-Beratungs-Team helfen. Er ist auf diesem Gebiet ein Fachmann.

reza: Ich habe in den letzten 4 Jahren vor meiner Berentung am meisten verdient - wird dies auch höher bewertet?

RA Andreas Czech: Bei rentenrechtlichen Fragen kann Herr Heller vom AMSEL-Beratungsteam Auskunft geben.

Martin: Guten Abend! Ich habe noch recht frisch MS und bis jetzt auch nur ein paar bleibende Taubheitsgefuehle. Ich promoviere und muss mich bald bewerben. Wuerden Sie als RA empfehlen, dem Arbeitgeber von der MS zu erzaehlen? Immerhin habe ich ein paar Mal pro Monat Arzttermine waehrend der normalen Arbeitszeit, sonst bin ich aber normal arbeitsfaehig. Und koennte/sollte man die MS evtl. sogar bereits im Bewerbungsgespraech erwaehnen?

RA Andreas Czech: Guten Abend Martin, eine Pflicht zur Offenbarung der MS-Erkrankung gegenüber dem zukünftigen Arbeitgeber besteht nur dann, wenn die aufgrund der MS-Erkrankung aktuell bestehenden Einschränkungen dazu führen, dass der Arbeitnehmer seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommen kann. Sollten sich die Taubheitsgefühle hier konkret auf die Ausübung de zukünftigen Tätigkeit auswirken dann würde ich dem zukünftigen Arbeitgeber von der MS-Erkrankung und den bleibenden Taubheitsgefühlen erzählen. Wenn nicht, dann würde ich ganz unabhängig von mehreren Arztterminen im Monat empfehlen, weder beim Bewerbungsgespräch noch später dem Arbeitgeber gegenüber die MS-Erkrankung zu offenbaren.

Julia: Hallo, ich werde hoffentlich im Mai mein Referendariat an einer Gesamtschule beginnen. ich arbeite schon seit 2 Jahren an der Schule, also schon während des Studiums. Seit 2011 habe ich die Diagnose MS, habe aber einen positiven Verlauf und bin in keinster Weise beeinträchtigt. Meine Frage ist nun, muss ich meiner Schule von meiner Krankheit erzählen? Zumal ich vor der Einstellung ins Referendariat zu einer Amtsärztlichen Untersuchung muss und dort wohl auch Erkrankungen angeben muss.

RA Andreas Czech: Guten Abend Julia, die Frage ist sehr interessant. Leider kann ich sie heute nicht genau beantworten und möchte Dich bitten, Dich an die AMSEL zu wenden, damit die Frage in Kürze beantwortet werden kann.

Sally: Guten Abend. Ich habe demnächst einen Termin bei unserem Betriebsarzt (wg. Impfungen). Sollte er mich nach (chron.) Krankheiten fragen,muss ich ihm wahrheitsgemäß antworten? Klar hat auch er eine ärztl. Schweigepflicht, allerdings muss ich auch immer daran denken, dass mein Arbeitgeber letztendlich aus der "Auftraggeber" des Betriebsarten ist. Oder kann ich das irgendwie umgehen? Danke.

RA Andreas Czech: Guten Abend, eine wahrheitsgemäße Beantwortung der Frage nach chronischen Erkrankungen beim Betriebsarzt muss nur dann erfolgen, wenn die Einschränkungen aufgrund der chronischen Erkrankung nachteilige Auswirkungen auf die Ausübung der Tätigkeit haben. Sollte dies nicht der Fall sein kann die Frage nach einer chronischen Erkrankung selbst dann verneint werden, wenn sie tatsächlich vorliegt.

Madi: Guten Abend, Ich habe erst seit kurzem MS und bin noch recht unsicher mit allem. Ich habe noch keine abgeschlossene Ausbildung- und habe nun bei der Rentenversicherung einen Antrag zur Teilhabe am Arbeitsleben gestellt sodass ich dadurch eine Ausbildung über ein Berufsförderungswerk absolvieren kann. Nun dauert das ganze Verfahren echt sehr lange und ich bin mir sehr unsicher ob dies noch bewilligt wird. Haben Sie damit Erfahrung? Wie die Aussichten sind? Oder haben Sie mir einen Tipp? Vielen dank!!

RA Andreas Czech: Guten Abend, die Bewilligung eines Antrages zur Teilhabe am Arbeitsleben kann von sehr vielen und unterschiedlichen Voraussetzungen anhängen. Leider beginnen die Ausbildungen in der Regel nur ein oder nur zwei Mal im Jahr, so dass ich Ihre Sorgen sehr gut nachvollziehen kann. Ich würde mich an Ihrer Stelle mit dem Hinweis, dass die nächsten Ausbildungen erst wieder in vielen Monaten beginnen werden, an die Rentenversicherung wenden und nach dem Stand des Verfahrens fragen. Sollte die Rentenversicherung keine konkrete Antwort auf diese Frage geben, könnte ein Hinweis auf eine Untätigkeitsklage hilfreich sein.


Allgemein - Martin: Zu MS und Verbeamtung gibt es ein Gerichtsurteil: https://www.amsel.de/multiple-sklerose-news/recht/Auch-MS-Betroffene-haben-Recht-auf-Verbeamtung_4936


Moderator Patricia Fleischmann: Danke, Martin, den Link hatte ich auch eben kopiert :-)


Allgemein - Martin: Vielen Dank fuer Ihre Antwort. Ja, das ich dazu nicht verpflichtet bin, weiss ich. Ich dachte, dass es vielleicht trotzdem empfehlenswert sein koennte. Falls man dann haeufiger krank ist als andere, ist vielleicht Offenheit doch foerderlicher fuer ein vertrauensvolles Verhaeltnis als Krankmeldungen ohne Erklaerung - die vielleicht dann zu einer fristgerechten Kuendigung fuehren. Daher haette ich gedacht, dass so eine Empfehlung evtl. vom jeweiligen Verhaeltnis/Draht zum Arbeitgeber abhaengt. (Wegen der Verbeamtung war mir gar nicht bewusst, dass MSler mit rasch fortschreitender MS ausgeschlossen sind...)


Sally: Vielen Dank Hr. Czech, das beruhigt mich nun sehr. Damit könnte ich als mit gutem Gewissen "Nein" sagen.

RA Andreas Czech: Gern geschehen.

Martin: Nun habe ich doch noch einmal eine Frage. MS soll ja oft Fatigue oder psychologische Probleme ausloesen, die ja wohl die Ausuebung jeder Taetigkeit erschweren duerften. Muesste man ab dem Zeitpunkt, wo solche Probleme auftreten, dem Arbeitgeber von der MS selbst oder nur dem jeweiligen Problem erzaehlen?

RA Andreas Czech: Nein, die Fatigue führt in der Regel dazu, dass die vertragliche Arbeitserfüllung langsamer aber nicht unbedingt fehlerhaft oder gar nicht mehr erfolgt. Die verlangsamte Erfüllung der Arbeit kann aber sehr viele Gründe haben, so keine Pflicht besteht, von der MS-Erkrankung dem Arbeitgeber zu erzählen.

Gina B.: Schönen Abend. Ich bin 26, aufgrund psychischer Probleme habe ich bis jetzt keine abgeschlossene Ausbildung. Nun würde ich gerne trotz einiger Einschränkungen (habe keinen SBA) nochmal "durchstarten" bevor es zu spät ist. Das Jobcenter sagt, ich solle mich auf normalem Wege bei Betrieben bewerben, ich sei kein Fall für das Reha-Team. Ich denke aber nicht, dass ich es so schaffen werde, da ich ja auf einen Betrieb angewiesen bin der Rücksicht nehmen kann. Ich weiß, ich kann die Erkrankung verschweigen, aber durch die Gangstörung sieht man es spätestens wie ich laufe ;) Gibt es andere Vermittlungsstellen als das JC, an die ich mich wenden könnte? Sonst muss ich versuchen nächstes Jahr eine Stelle in einem CAP-Markt zu ergattern;) Danke schonmal!

RA Andreas Czech: Guten Abend Gina, eventuell könntest Du Dich an die ortansässige IHK wenden und nachfragen, ob weitere Vermittlungsstellen bekannt und vorhanden sind. Mir persönlich sind leider keine andere Vermittlungsstellen bekannt.


Allgemein - Madi: Vielen Dank für die Tipps Herr Czech.


Sabine: Kann ich den Fragebogen einer BU-Versicherung alleine ausfüllen oder sollte ich dazu lieber im Voraus einen Anwalt konsultieren? Der BU-Vertrag ist von 01/2010. Kann der Versicherer durch eine nicht im BU-Vertrag genannte Skoliose, Senk-, Knick- und Spreizfuß aus der Vergangenheit den BU-Vertrag aufkündigen. Diagnosen: MS seit 1/2014, Morbus Crohn seit 09/2013. GdB: 60.

RA Andreas Czech: Guten Abend, der Fragebogen einer BU-Versicherung sollte in jedem Fall wahrheitsgemäß ausgefüllt werden. Ob man hierzu im Voraus einen Anwalt konsultieren sollten ist aus meiner Sicht nicht zwingend. Ich würde eher meinen Arzt konsultieren und ihn bei Fragestellungen zu Rate ziehen. Eine Kündigung des BU-Vertrages ist aus meiner Sicht nur möglich, wenn Vorerkrankungen, die vor dem 01/2010 vorlagen und nach denen bei der Antragstellung konkret gefragt worden ist, nicht angegeben wurden.

Moderator Patricia Fleischmann:

Sozialrechtliche Fragen klärt außerhalb des Chats das AMSEL-Beraterteam: www.amsel.de/beratung/

 


Allgemein - Martin: Vielen Dank, das hilft weiter. Ich nehme an, solange es nicht eindeutig von der MS kommt, muss diese auch nicht als Ursache genannt werden. @Gina: Ich kenne eine 30jaehrige, die neulich trotz Psychotherapie wegen Studiumsabbruch einen Ausbildungsplatz gefunden hat (Hilfe bei den Bewerbungen kam da nur von der Mutter). Sie hat auch direkt im Bewerbungsgespraech von der Therapie erzaehlt um zu erklaeren wie sie zukuenftig motivierter sein wird und weil sie auch Termine waehrend der Arbeitszeit haben wird - trotz offensichtilichen 'Einschraenkungen' kann es also klappen bei einem verstaendnisvollen Arbeitgeber. :)


Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, vielen Dank für Ihre Teilnahme heute. Ein ganz großes DANKE nicht zuletzt an Rechtsanwalt Andreas Czech für seine Auskünfte heute. Und allen miteinander einen schönen weiteren Abend.

Redaktion: AMSEL e.V., 06.10.2015