Aus der Praxis: Physiotherapie

16.09.08 - Passives Bewegen zwischenrein kann die Spastik beim Training abbauen, rät Daniela Krusche im AMSEL-Expertenchat.

Moderator Patricia Fleischmann: Einen wunderbaren guten Abend, verehrte Chatter, in wenigen Minuten beantwortet Daniela Krusche Ihre Fragen. Als diplomierte Physiotherapeutin und Sportlehrerin am Quellenhof ist sie die Fachfrau für alles rund um die Krankengymnastik und Sport bei MS und schwer gespannt auf Ihre Beiträge! - Schießen Sie einfach schon mal los mit Eintippen...


Allgemein - Tanja89: hallo


Lola: Hallo Frau Krusche, was halten Sie von dem Vibrationstraining auf einem Galileo Trainingsgerät (oder einem Power Plate)? Ist das nur eine Modeerscheinung oder kann ich damit tatsächlich Muskulatur aufbauen, Koordination + Gleichgewicht verbessern und auch gleichmäßig noch etwas für meine Beckenbodenmuskulatur tun? Was sollte ich bei dieser Trainingsform beachten? Kann ich dabei auch etwas falsch machen? Wie wäre Ihr Trainingsvorschlag für den Einstieg? Vielen Dank für Ihre Antworten + viele Grüße

Daniela Krusche: Hallo Lola, Geräte wie das Galileo oder das Powerplate aktivieren vor allem Muskelgruppen die feinste koordinative Leistung zur Stabilisation erbringen. Das heißt z. B. im Bezug auf die Muskulatur des Rückens dynamische Stabilisation die für das Gehen eine große Rolle spielt. Oder Aktivierung zur Aufrichtung des Rumpfes. All das was man heute unter dem viel genannten Schlagwort "core stability" versteht. Da diese Aktivität Haltungsstabilisierneder Art ist (den Einsatz sowohl von Rücken -als auch von Bauchmuskulatur erfordert), erfolgt auch eine Aktivierung der Beckenbodenmuskulatur. Bei dem Gebrauch beider Geräte sollte auf die korrekte Ausgangsstellung bei den jeweiligen Übungen geachtet werden, die der eigene Physiotherapeut korrigieren kann. Trainingszeiten, Übungen, Wiederholungszahlen sind sehr individuell zu handhaben, mit dem Therapeuten zu Hause abzusprechen, da diese sich am jeweiligen Problem und Ausdauerzustand orientieren sollten.

 
 
daniela krusche
 
 
 

seit Anbeginn im NRZ Quellenhof als Physiotherapeutin tätig

  • Physiotherapeutin
  • Staatl. gepr. Sport- und Gymnastiklehrerin
  • Bobath-, Vojta-, PNF-, Brunkow-Therapeutin
    Hippotherapeutin
  • jahrelange Erfahrung mit MS-Patienten

Moderator Patricia Fleischmann: Hi Tanja, hast DU (habs mir gemerkt) schon Fragen auf Lager ?


Allgemein - Tanja89: hihi, super, nee noch keine direkten fragen :-)



Allgemein - Tanja89: wie war ihr urlaub?



Allgemein - Tanja89: ist schon wer da? sieht man ja immer nicht :-(


Moderator Patricia Fleischmann: Okay, kommt vielleicht ncoh was auf im Lauf des Chats... Danke, mein Urlaub war bestens. Nur schon wieder lange her. Warst Du auch verreist oder hattest ein paar freie Tage zuhause wenigstens ? Und nein, noch keiner da außer uns. Lola hat eine Vorabfrage gestellt.


Allgemein - Tanja89: ich hab mein urlaub in vielen wartezimmern verbracht :-/



Allgemein - Tanja89: sind sie verreist?


Moderator Patricia Fleischmann: Das ist natürlich weniger erfreulich, in Wartezimmern den Sommer zuzubringen. Ich war wie meist in Norddeutschland unterwegs und einmal mehr begeistert. Machst Du irgendwelchen Sport ? Frau Krusche (gerade hat sie sich eingeloggt) ist ja auch Sportlehrerin.


Allgemein - Tanja89: ich habe sehr viel sport gemacht, auch leistungssport, nur im moment ist mir nichts möglich, oder fast nichts



Allgemein - Tanja89: dann natürlich hallo frau krusche



Allgemein - Tanja89: :-)


Moderator Patricia Fleischmann: Respekt - sogar Leistungssport. Das muss Dir ja ganz schön fehlen. Vielleicht hat Frau Krusche ja eine Idee, Fragen kost ja nix.


Allgemein - Tanja89: das tut es, sehr sogar.... ja, wäre schön


Moderator Patricia Fleischmann: Ähem, bitte ins Fragenfeld posten, sonst kann unsere Expertin nicht antworten. Kleine technische Besonderheit in unserm Chat, die wir mit einem Update hoffentlich verändern werden.


Allgemein - Tanja89: yoy



Allgemein - Tanja89: yoa


Tanja89: hallo frau krusche, ich habe früher seh viel sport gemacht, mindestens 5-6x in der woche. badminton, fußball, fitness, radfahren, etc., nun kann ich aufgrund einer halbseitenlähmung nur noch wenige schritte gehen, fahrradfahren überhaupt nicht mehr, wegen dem gleichgewicht, schwimmen geht auch nur noch bedingt.... auch meine ausdauer hat stark nachgelassen. sehen kann ich auch nicht mehr so gut. räumliche wahrnehmung und körperwahrnehmung sind eingeschränkt. ich suche verzweifelt nach einem sport, welcher mir noch möglich ist, auch in zeiten von sehr vielen schüben. hätten sie eine idee? vielen dank schon mal!

Daniela Krusche: Hallo Tanja, da Du ja auch sehr gerne Fahrrad gefahren bist könnte doch ein motorunterstützter Bewegungstrainer etwas sein. Da setzt man sich zwar nicht auf einen Sattel sondern auf einen normalen Stuhl davor, und kann mit oder ohne Unterstützung des Motors Fahrradfahren. Je nach Gerät ist es sogar möglich durch Hilfe einer Anzeige, die es auch in vergrößerter Ausführung gibt, die Symmetrie zu trainieren. Da diese durch die Halbseitenlähmung verändert ist, und durch selbständiges treten dann oft ein sehr asymmterisches (unrundes)treten resultiert wäre eine Motorunterstützung von Vorteil. Die Motorleistung gleicht diese Asymmetrie aus und ermöglicht somit eine gleichmäßige Bewegung. Der weitere Vorteil wäre, dass man dieses Training jederzeit zu Hause durchführen kann. Also je nach Zeit und Lust und Laune.

tine: Hallo Frau Krusche, laufe regelmäßig 2-3 mal die Woche auf dem Band. Seit ein paar Monaten tritt nach 5-10 Minuten ein Kribbeln in den Beinen auf, meist beide Beine, gern unterschiedlich stark und mal nur bis zum Knie, mal drüberhinaus. Kann das an der MS liegen, wie schätzen Sie das ein? Laufe dennoch meine Dreiviertelstunde zuende, aber ignorieren lässt sich das Kribbeln nicht. Die Orthopädin hat Bandscheibenfälle oder ähnliches ausgeschlossen. Kennen Sie solche Symptome von Betroffenen ? Bei strammem Spazierengehen hab ich das auch gelegentlich, aber nie von Anfang an sondern erst nach einer Weile.

Daniela Krusche: Hallo Tine, ich kenne die beschriebenen Symptome von zahlreichen Betroffenen. In der Klinik erlebe ich das sehr oft, dass darüber nach den Therapien berichtet wird. Da ich dann ja meistens auch weiß welche Art von Belastung der Betroffene hatte, kann ich feststellen dass es oft mit der Belastungsdauer und der Ermüdung der Muskulatur zu tun hat. Ignorieren hilft da nicht wirklich weiter. Sinnvoller wäre es zu beobachten nach welcher Zeit das Kribbeln anfängt und dann das Laufprogramm in Zeit und Anforderung zu verändern. Vielleicht sogar in Intervallen zu laufen, das heißt das Tempo zu variieren oder auch Gehstrecken (das heißt mal laufen mal gehen) einzubauen. Dein behandelnder Physiotherapeut kann Dir da sicher noch Tipps geben einen ganz individuellen Plan zu erstellen. Oder Du probierst einfach mal aus was passiert wenn Du ehe das Kribbeln anfängt im schnellen Gehen weitermachst. So könntest Du dann auch Stück für Stück die Laufzeit wieder steigern und die Ausdauer verbessern.

tine: Noch was zu meiner Frage von eben: Die Orthopädin hat (MUskel-?) Verhärtungen im Beckenbereich bzw. Po festgestellt.

Daniela Krusche: Da ich nicht so einfach eine Ferndiagnose stellen kann, muss ich einfach einmal mutmaßen. Diese Verhärtungen könnten Spannungen durch Kompensationsmechanismen sein. Das heißt, weil irgendeine Muskulatur vielleicht eine Schwäche aufweist, die Du an sich gar nicht bemerken musst, werden andere Muskelbereiche verstärkt gefordert. Das heißt diese wiederum haben erhöhte Muskelspannung die in dem Fall Dein Orthopäde festgestellt hat. Das würde für mich als Therapeut heißen, dass ich diese schwächere Muskulatur wieder aktivieren und sie in den Bewegungsablauf wieder einbinden muss. Während die Überbeanspruchte Muskulatur wieder gelockert oder auch gedehnt werden muss um das zu viel an Spannung wieder abzubauen.


Allgemein - Tanja89: spinnt der chat, oder mein pc? kommt nix mehr an :-( oder noch nix neues da bislang?


Tanja89: vielen dank für ihre antwort! :-) hätten sie auch noch eine idee für eine sportart, würde gern wieder in einen verein gehen, vielleicht auch in einen verein für behinderte menschen, danke nochmals

Daniela Krusche: Das finde ich eine super Idee, zumal sportliche Betätigung zusammen mit anderen viel mehr Spaß macht. Du musst Dich in der Umgebung einmal umhören, in vielen Städten gibt es solche Vereine und Gruppen die entweder an Geräten trainieren ( auch das kann man mit Einschränkung und Bedacht tun), Ballspiele machen oder auch Tanzgruppen bei denen Rollifahrer integriert sind. Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass Du Angebote der Volkshochschulen/Krankenkassen wie z.B Feldenkrais oder QiGong nutzen könntest.

Frank: Hallo Frau Krusche, ich bin aufgrund einer Streckspastik in beiden Beinen auf den Rollstuhl angewiesen. Hinzu kommt eine gelegentlich auftretende, reflexartige Beugespastik(bei Arthroseschmerzen). Neben der medikamentösen Behandlung und KG suche ich nach Möglichkeiten, diese Symptomatik selbst ein wenig durch eigenes Training positiv zu beeinflussen. Täglich übe ich das ausdauernde Stehen an meinem Rollator (mehrfach ca. 10 Min).Daneben trainiere ich an einem aktiv/passiv- Trainingsgerät (sitzendes Fahrradfahren). Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Spastik danach eher zu als abgenommen hat. Ist ausdauerndes Training bei Spastik vorteilhafter oder ist eher ein Intervalltraining (mit kleinen Pausen) besser ? Selbst konnte ich das bisher noch nicht herausfinden. Was kann ich sonst noch tun ? Was halten Sie von CranioSacraler Therapie ? Ich danke Ihnen

Daniela Krusche: Hallo Frank, den Bewegungstrainer (Fahrradfahren) finde ich hervorragend für Dein Training geeignet. Es kann durchaus sein, dass je nach Anwendung die Spastik eher steigt als abnimmt. Passives bewegt werden wird die Spastik, wenn Du in einem mittleren Umdrehungsbereich fährst, eher senken. Aktives Treten die Spannung eher erhöhen, ebenso zu schnelles Tempo. Wenn Du also aktiv trainieren willst dann wähle keinen hohen Widerstand und versuche Dein Training mit passivem bewegt werden zu beenden um die Spannung die sich beim aktiv treten raufbaut zum Ende wieder zu lockern. An sich kann ich in der Klinik beobachten, dass sich die Muskelspannung bei spastischer Muskulatur nach einem 20 minütigem Training sehr gut senken läßt ( abhängig von Tempo und Tretleistung wie ich es beschrieben habe). Zur Craniosacralen Therapie kann ich Dir so viel sagen, dass ich selbst je nach Symptomen diese Therapieform unterstützend ( zu anderen Therapiekonzepten) wähle um z. B störende Spannungen zu beseitigen. Das heißt ich kann Dir nicht sagen hilft oder hilft nicht. Das muss Dein Therapeut mit Dir ausprobieren.

tine: Danke für die Antwort! Sollte es nicht an Ermüdung der Muskulatur liegen - ich habe sonst keine Probleme mit Anstrenungen - woran könnte es denn sonst noch liegen ? Wären auch andere neurologische oder Kreislaufsymptome möglich unabhängig von MS ?

Daniela Krusche: Sollte es mit der Herz- Kreislaufausdauer zu tun haben, solltest Du Dein Training auf einen Symptomfreien Bereich reduzieren und nach einiger Zeit dann langsam in kleinen Schritten wieder steigern. Desweitern kann Dein Physiotherapeut sich auch mal Dein Laufen ansehen und analysieren, vielleicht hat es auch mit dem Bewegungsablauf zu tun. Immer wenn Bewegungsabläfe vom Normalen abweichen können Überlastungen einzelner Muskelgruppen oder Muskeln passieren, die sich dann auch in vielfältigen Symptomen äußern.

Maria23: Guten Abend Frau Krusche, nach einer erstmaligen Cortisonstosstherapie (3 x 1000) habe ich, nachdem die primären Nebenwirkungen nachgelassen haben, immer noch unter Schwindel zu leiden. 2 Termine KG haben mir keine Besserung verschafft, eher habe ich nachhaltig eine Verschlechterung empfunden , obwohl die Heiilpraktikterin hilfsbereit und sehr rührig ist. Können Sie mir sagen, A) ob es eine spezielle MS-KG gibt B) ob mir evtl. Yoga Linderung verschaffen könnte C) wo ich Hilfe finde Grüße und Dank im Voraus Maria

Daniela Krusche: Hallo Maria, zu Deiner Frage ob es eine spezielle MS Therapie gibt muss ich Dir sagen: ja es gibt spezielle Therapie bezogen auf die Symptome die die Erkrankung hervorruft. Dies sind Therapiekonzepte die auf neurophysiologischer Grundlage basieren. Ich gebe Dir hier ein paar Beispiele die Du sicher schon irgendwo gehört hast: Therapie nach Bobath, nach Vojta, nach Brunkow, PNF, Hippotherapie, Bewegungstherapie im Wasser nach MCMillan. Nur um einige zu nennen. Neurophysiologische Grundlage heißt dass diese Therapieen durch nutzen von Bahnungsmechanismen Bewegungsmuster wieder verbessern bzw. zu Ihrer Norm zurückführen sollen. Therapeuten die in diesen Bereichen weitergebildet sind werden Deine Symptome leichter erkennen können und auch dementsprechend mit Dir arbeiten. Therapeuten mit entsprechender Weiterbildung suchen kannst Du auch über die Internetseiten der Verbände für Physiotherapeuten, gelbe Seiten oder noch besser per Mundpropaganda. Ob Dir Yoga Linderung verschafft musst Du ausprobieren. Da Yoga Muskulatur durch die einzelnen Übungen dehnfähig erhält ( und Spannungen beseitigt - auch über den Einsatz der Atemfunktion) könnte es durchaus nutzen für Dich haben.


Allgemein - Tanja89: bin mal wieder wech, danke für die antworten und schönen abend noch, tschüssi


Moderator Patricia Fleischmann: Tschüß Tanja, machs gut !

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, schon ist es halb neun und der Chat für heute zu Ende - danke für Ihre Beteiligung und danke, liebe Frau Krusche, für Ihre detailierten Antworten und Tipps. In 3 Wochen, am Dienstag, 7. Oktober 2008, geht es weiter mit Norma Gäbler zum Thema Homöopathie. Ich freue mich aufs Wiederchatten und wünsche allen einen schönen restlichen Abend!

Redaktion: AMSEL e.V., 16.09.2008