Arbeits- und Rentenrecht

Drei-Wochen-Frist nach Kündigung unbedingt einhalten, rät Andreas Czech im Expertenchat vom 17.01.06.

Moderator Patricia Fleischmann: Einen wunderschönen guten Abend an alle AMSEL-Chatter und an Andreas Czech, Rechtsanwalt aus Stuttgart - die ChatTore sind geöffnet!

abba: Hallo, ich bin als Rettungssanitäter im öffentlichen Dienst angestellt. Seit gut einem halben Jahr habe ich die Diagnose MS und "nur" eine Gangunsicherheit. Bei Stress wirkt sich dies schlimmer aus, als im ganz "normalen" Leben. Seit November 05 spritze ich Rabiff 22 , welches ja doch irgendwie nachweisbar ist. Sollte es auch nur die Erhöhten Leberwerte sein. Inwieweit ist der Amtsarzt verpflichtet, dem Arbeitgeber (also der Stadt) mitzuteilen, was mit mir los ist? Muss ich ihm reinen Wein einschenken und von mir aus mit der Diagnose herausrücken? Seit 5 Jahren bin ich angestellter des gleichen Arbeitgebers. Da ich als Rettungssanitäter bei der Stadt angestellt bin, inwieweit ist mein Arbeitgeber verpflichtet mich auf eine andere Stelle zu versetzen, sollte es mal nicht mehr gehen?

Andreas Czech: Der Amtsarzt ist grundsätzlich nicht berechtigt, Ihrem Arbeitgeber Mitteilungen über Diagnosen oder Befunde zu erteilen. Er ist lediglich berechtigt dem Arbeitgeber eine Auskunft darüber zu geben, ob Sie Ihre Tätigkeit in der Zukunft ohne besondere Einschränkungen ausüben können. Hinsichtlich Ihrer eigenen Mitteilungspflicht ist zunächst zu sagen, dass eine Offenbarungspflicht grundsätzlich nicht besteht. Ungefragt müssen Sie grundsätzlich keine Anagben machen. Etwas anderes dürfte allerdings dann gelten, wenn eine gesundheitliche Beeinträchtigung vorliegt, die es Ihnen erheblich erschwert oder gar unmöglich macht, Ihren arbeitsvertraglichen Pflichten, inbesondere der Ausübung der Tätigkeit, nachzukommen. Hinsichtlich einer Verpflichtung des Arbeitgebers zur Versetzung wird es entscheidend auf die Vereinbarungen in Ihrem Arbeitsvertrag und den Regelungen im BAT ankommen.

niels: Hallo, ich bin zur Zeit in ungekündigter Stellung und möchte mich auf eine Stelle als Pharmarefernt bewerben. Ich hatte nachweislich die letzten 7 Jahre keinen Schub, habe manchmal ein leichtes Kribbeln für 1-3 Tage. Muß ich meinem potentiellen neuen Arbeitgeber von meiner MS erzählen?

Andreas Czech: Fragen des Arbeitgebers müssen nur dann beantwortet werden, wenn sie zulässig sind. Das heißt, der Arbeitgeber muss an der Antwort ein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse haben. Nur dann besteht eine Pflicht zu wahrheitsgemäßen Antwort. In Ihrem speziellen Fall kann gesagt werden, dass Sie von sich aus, also ungefragt, jedenfalls nicht mitteilen müssen, dass Sie MS haben. Nachdem Ihre Krankheit keine wesentlichen Auswirkungen auf die Ausübung einer Tätigkeit als Pharmareferent hat, müssen Sie auch auf eine Frage des Arbeitgebers keine Antwort über Ihre Krankheit geben.

Evita: Ja, am 23.12.2005 wurde ich fristlos gekündigt, obwohl ich nachweisbar krank bin (ärtzlich bescheinigt), mit der Begründung, weil ich einen selbständigen Nebenerwerb betreibe, für den ich geworben und aqueriert habe. Dem Arbeitgeber ist meine Selbständigkeit bekannt, da ich auch nur auf Teilzeit (20 Stunden) angestellt war. Der Arbeitgeber verneint die Kenntnis meiner Selbständigkeit. Ist diese Kündigung berechtigt?

Andreas Czech: Aus meiner Sicht ist die fristlose Kündigung bei Zugrundelegung Ihres Sachverhaltes unberechtigt und folglich unwirksam. Bitte suchen Sie unbedingt sofort einen Rechtsanwalt. Einen Kündigungsschutz nach dem KSchG werden Sie leider nicht mehr erhalten, weil die Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG bereits verstrichen ist. Es ist aber durchaus denkbar, dass die Kündigung aus anderen Gründen unwirksam ist, zum Beispiel wegen fehlender Einhaltung der Schriftform, § 623 BGB oä..

Nelly: Hallo Herr Czech, ich möchte meine Arbeitszeit auf 5-6 Stunden am Tag reduzieren. Mein Arzt wäre sehr dafür. Nun habe ich gehört, das der Rententräger einen Teil zum Ausgleich des Gehaltes übernimmt. Welche Auswirkung hat das auf meine spätere Rente? Und wie ist das Vorgehen? Muss ich das über die VDK machen, oder kann ich das auch privat regeln? Vielen Dank Nelly

Andreas Czech: Zunächst einmal übernimmt der Rentenversicherungsträger nicht einen Teil zum Ausgleich des Gehaltes, wenn Sie Ihre Arbeitszeit reduzieren. Sie können allenfalls einen Antrag auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung stellen. In der Praxis ist es allerdings sehr schwierig, diesen Antrag bewilligt zu bekommen. Eine Arbeitsreduzierung wirkt sich grob gesagt wie folgt auf die Rente aus: EUR 1.000,00 weniger Monatsverdienst ergibt eine Minderung der Monatsrente von circa EUR 0,90. Hinsichtlich des Antrags auf Rente wegen Erwerbsminderung hilft der VDK bei der Antragstellung mit.

bernd: welchen kündigungsschutz und welche kündigungsrechte habe ich als chronisch kranker mit befristetem vertrag?

Andreas Czech: Die Besonderheit an einem befristeten Arbeitsvertrag ist, dass dieser mit Ablauf der Befristung endet und in der Regel nicht durch eine Kündigung beendet wird, so dass Fragen des Kündigungsschutzes und der Kündigungsrechte nur dann auftauchen können, wenn der Arbeitgeber ausnahmsweise auch im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses zur Kündigung berechtigt ist. Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn dies einzelvertraglich oder tariflich vereinbart ist, vgl. § 15 III TzBfG. In Falle einer Kündigung genießen chronisch kranke Menschen grundsätzlich keinen größeren Kündigungsschutz gegenüber anderen Mitarbeitern. Etwas anderes dürfte allerdings dann gelten, wenn die chronische Krankheit gleichzeitig eine Schwerbehinderung ist, also ein GdB von 50% und mehr vorliegt.

Claudia: Hallo Herr Czech. Ich habe seit ca. 7 Jahren MS-mit hin und wieder kleinen Beeinträchtigungen. Ich arbeite als Krankenschwester und wollte wissen, wer beurteilt denn ob eine Arbeitstauglichkeit noch besteht. Ich fühle mich fit-mein Arzt meint es seine Einschränkungen da.

Andreas Czech: Grundsätzlich beurteit der Amtsarzt, ob eine Arbeitstauglichkeit, eine bedingte Arbeitstauglichkeit oder keine Arbeitstauglichkeit vorliegt. In dem Moment, in dem Sie der Auffassung sind, dass keine Einschränkungen vorliegen, ist von freiwilligen amtsärztlichen Untersuchungen abzuraten.

Doro: Guten Abend Herr Czech, ich bin seit 10 Jahren bei einer bay.Stadtverwaltung angestellt- zunächst als Schwangerschaftsvertretung, mittlerweile mit Jahresverträgen. Sollte es zu einer Festanstellung kommen, muss ich meine MS-Diagnose mitteilen ? (EDSS 1,5 - Copa-Therapie - fühle mich voll leistungsfähig)

Andreas Czech: Eine grundsätzliche Offenbarungspflicht besteht nicht. Nachdem Sie voll leistungsfähig sind und Ihre MS-Krankeit Sie bei der Ausübung Ihrer Tätigkeit nicht einschränkt, sind Sie nicht verpflichtet, Ihrem Arbeitgeber von Ihrer MS-Krankheit zu berichten. Anders verhält es sich allerdings, wenn relevante Beeinträchtigungen für die Ausübung der Tätigkeit auftreten.

RoseMarie.Rosemarie: Wegen einer Behinderung nach meheren OP`s meines Kindes war ich zu Hause geblieben, dann kamen nach Krankheiten,Unfälle, MS-Symptome zunächst ohne Diagnose. Deshalb bekomme ich erst ab 60 eine kleine Rente. Gibt es Möglichkeiten einer früheren Rente oder privat noch etwas zu machen?

Anreas Czech: Ohne die genauen Daten, wie z.B. Versicherungsdaten im Rentenkonto, Kindererziehungszeiten etc., kann Ihre Frage leider nicht beantwortet werden. Bitte wenden Sie sich an eine Beratungsstelle der Deutschen Rentenversicherung, Kronenstraße 25, Stuttgart Mitte. Diese Stellen haben einen Datenzugriff auf Ihre Daten und können Ihnen eine exakte Auskunft darüber geben, wann Ihnen Rente zusteht.

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, lieber Herr Czech, für heute ist der AMSEL-Chat geschlossen, Weiter geht's am 07.02. mit Dr. Ulrich März "TCM & Akupunktur". Einen angenehmen Abend noch an alle!

Redaktion: AMSEL e.V., 14.02.2006