Aktuelle Studien zu MS

Ein Expertenchat am 20.05.03 mit Prof. Horst Wiethölter zum Thema 'Aktuelle Studien zu MS'.

Moderator Anja Köhler: Hallo und guten Abend, willkommen zum Expertenchat mit Professor Wiethölter!
Wir sind gespannt auf Fragen rund um das Thema MS-Studien, was gerade erforscht wird, wo im Moment Studien stattfinden und wer alles daran teilnehmen kann!

Erika: Guten Abend Herr Professor, mich würde interessieren, ob es auch MS-Studien gibt, die nicht von Pharmafirmen angeregt oder bezahlt werden. Und wenn ja, welche?

Prof. Horst Wiethölter: Es gibt in der Tat glücklicherweise sehr viele Studien, die nicht von Pharmafirmen gesponsert werden, die alle aufzuzählen den Rahmen sicher sprengen würden. Dieses ist uns deshalb besonders wichtig, weil wir Wert auf unabhängige Studienaussagen legen. Selbst wenn eine Studie, zumindest in Deutschland, durch Pharmafirmen gesponsert wird, sind die Kriterien der Durchführung durch Ethikkomissionen und Studienkommissionen so eng gesteckt, dass Interpretationseingriffe durch die Pharmafirmen ausgesprochen schwierig sind.

Markus: Guten Abend Herr Professor Wiethölter. Man hört immer wieder, dass neue Studien ins Leben gerufen werden. Wie hat man als Patient die Möglichkeit an einer neuen Studie teilzunehmen bzw. welchen Anteil hat hieran der behandelnde Neurologe?

Prof. Horst Wiethölter: Der Sie behandelnde Neurologe hat den entscheidenden Anteil an der Bahnung zu einer bestimmten Studie. Ich könnte mir aber vorstellen, dass der Neurologe selbst auf die Idee gebracht werden muss, dass Sie der geeignete Patient für eine bestimmte Studie sein könnten, es gibt große Übersichten, insbesondere der amerikanischen Multiple Sklerose Gesellschaft, die die einzelnen Studien beschreiben und die Voraussetzungen an der Studie teilzunehmen. Meistens ist die Studienteilnahme allerdings an ein bestimmtes Studienzentrum gebunden, so dass die Mobilität eine wichtig Voraussetzung ist, selten kann ein niedergelassener Kollege von sich aus in eine Studie einsteigen. Gute Informationen zu entsprechenden Studien, die zum Beispiel derzeit in Deutschland durchgeführt werden, finden Sie auch auf der Webseite der DMSG und in einigen Links der AMSEL, so dass Sie sich unter Umständen auch direkt mit einem Studienzentrum in Verbindung setzen können, wenn Sie an einer Teilnahme einer Studie interessiert sind.

Karl Schuble: Folgende Fragen stelle ich im Auftrag meines Bekannten Herrn Bruno Konstanzer:
1. Welche schulmedizinische, oder alternative Behandlung bei primär chronisch progredienter MS, männlich 64 Jahre, seit 6 Jahren Diagnose bekannt.
2. Gibt es schon Ergebnisse in der Forschung, daß primär chronisch progrediente MS eine eigenständige Krankheit ist?
3. Ist ein Medikament bekannt, das sich so positiv aufs Laufen auswirkt, wie ca. 2 Glas Bier, oder 2 Viertel Wein ?

Prof. Horst Wiethölter:
1.+2.) Leider gibt es bislang keine wirklich überzeugende schulmedizinische- oder alternative Möglichkeit eine primär-chronisch progrediente Multiple Sklerose ursächlich zu behandeln. Da diese Form der MS wahrscheinlich nach allem was wir bislang wissen andere Ursachen und eine andere Verlaufsdynamik hat als die anderen Formen der MS ist auch nicht zu erwarten, dass irgendeines der bisher gebräuchlichen ursächlich wirkenden Medikamente je zum Einsatz kommen. Möglicherweise gibt es in den nächsten fünf bis zehn Jahren völlig andere Behandlungsstrategien, die auf diese Sonderform Rücksicht nehmen. Es gibt aber eine Reihe von symptomatischen Behandlungsmethoden, mit denen der Verlauf und die Beschwernisse sehr gut beeinflusst werden können.
3.) Mich freut, dass Ihrem Freund ein Glas Bier oder ein Viertel Wein so gut bekommt. Eine medikamentöse Alternative würde ich dann nicht wählen. Es gibt allerdings Medikamente, die eine ähnliche Wirkung haben. Eine Auswahl ist allerdings nur dann möglich, wenn man die individuellen Bedürfnisse und Störungen, die damit behandelt werden sollen kennt.

Susanne B.: Guten Abend Herr Professor, werden auch im Bürgerhospital Studien zu MS durchgeführt? Und gibt es im süddeutschen Raum im Moment Studien, an denen man noch teilnehmen könnte?

Prof. Horst Wiethölter: Auch im Bürgerhospital werden grundsätzlich Studien bei Multipler Sklerose durchgeführt. Allerdings halten wir uns sehr zurück mit neuen Medikamenten, die aus unserer Sicht noch nicht ausreichend vorgetestet sind. Gerne allerdings beteiligen wir uns an Studien, die Aussagen zu verschiedenen etablierten Therapien im Vergleich geben, oder die uns helfen eine bereits etablierte Therapie noch zu verfeinern. Zum Beispiel kann dies durch unterschiedliche Verabreichnungshäufigkeit oder veränderte Dossierung oder noch besser durch Messung von Verlaufsparamtern geschehen, die die Therapie lenken helfen. Studien werden angeboten in Würzburg, in Berlin, in Homburg und Düsseldorf, um nur einige zu nennen. Die Studien befassen sich mit Vergleichsmedikamenten zum Beispiel verschiedenen Interferonen mit dem Einsatz von Immunglobulinen und Kombinationstherapien (z.B. Interferon und Azathioprin).

Sonja: Guten Abend Herr Professor, haben Sie Zwischenergebnisse über die laufende Studie mit Antegren?

Prof. Horst Wiethölter: Die Studie läuft gut an, das Antegren wird sehr gut vertragen, als primär erwartet. Ich rechne damit, und dies ist mein persönliches Empfinden, dass Antegren ein Bereicherung in der Behandlung der MS werden wird. Fragen, die auch mit der Studie jetzt noch nicht beantwortet werden können, werden sich vor allem in der längerfristigen Verabreichungsmöglichkeit stellen. Es ist immerhin nicht ganz unwahrscheinlich, dass gegen Natalizumab Abwehrmechanismen durch den Körper in Gang gesetzt werden, die die Wirkung dann zunichte machen. Ich rechne im Laufe des Jahres mit weiteren entgültigeren Ergebnissen.

Doreen T.: Guten Abend Herr Professor, ich spritze mich mit Rebif 44 und habe an den Einstichen an den Armen rote Flecken, welche manchmal sehr warm sind. Wie entstehen diese und wie kann ich sie gegebenenfalls vehindern?

Prof. Horst Wiethölter: Bei diesen Einstichreaktionen handelt es sich um Entzündungen, die im Prinzip ungefährlich sind, aber ausgesprochen lästig sein können. Manchmal hilft die Injektionstechnik zum Beispiel durch strenges Spritzen unter die Haut (subkutane Injektion). Die wird dadurch gewährleistet, dass man nach dem Einstich durch Bewegen der Hautfalte, in der die Nadel steckt prüft, ob die Injektion auch wirklich zwischen Haut und Muskulatur erfolgt. Eine andere Ursache könnte darin liegen, dass die Desinfektionslösung noch nicht ganz getrocknet ist, bevor die Spritze gesetzt wird. Dadurch könnte noch flüssige Desinfektionslösung in die Wunde mit hineingenommen werden und zu Entzündungen führen. Am ehesten lassen sich solche Reaktionen dadurch vermeiden, dass man im Anschluss an die Spritze das Medikament durch Reiben verteilt und eine Kühllpackung (nicht zu kalt!) auflegt. In ganz schlimmen Fällen hilft auch eine Cortisonsalbe, die auf die Injektionsstelle aufgetragen werden kann.

Sonja: Was halten Sie von der Fallbeobachtungsstudie von Dr. Habener (linolsäurearme Ernährunge)

Prof. Horst Wiethölter: Ernährungsstudien sind ausgesprochen schwierig, da sie ein hohes Maß an Disziplin von den teilnehmenden voraussetzen. Meistens ist dies auch mit erheblichen Belastungen der ganzen Familie gekoppelt, die sich zumindest teilweise dem Ernährungsplan mit unterziehen muss. Es ist zweifelsfrei eine sinnvolle Maßnahme, die Ernährung den besonderen Bedingungen anzupassen, die beste Voraussetzungen für die Abwehr der Multiplen Sklerose bietet. Meines Erachtens reicht die gesunde Ernährung mit weitgehendem Ersatz von tierischen Fetten durch pflanzliche Fette und Öle angereichert mit den uns verfügbaren Vitaminen aus, um das Optimale in der Ernährung von MS-Patienten zu tun. Studien, die dieses noch belegen müssten, bedarf es meiner Ansicht nach nicht. Die von Dr. Habener halte ich für zu einschränkend.

Moderator Anja Köhler: Herzlichen Dank an alle für Teilnahme an diesem Chat, vielen Dank auch an Professor Wiethölter! Der nächste ExpertenChat findet am 03. Juni statt, wir würden uns freuen Sie dort wieder anzutreffen! Einen schönen Abend, noch der Chat wird nun geschlossen!

Redaktion: AMSEL e.V., 20.05.2003