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"Aktivität bringt Stabilität" mit Klaus Gusowski, 16.07.02

Expertenchat mit Klaus Gusowski, leitender Krankengymnast im Neurologisches Rehazentrum Quellenhof, Bad Wildbad

zum Thema "Aktivität bringt Stabilität".

 

Zusatzqualifikationen in: Manueller Therapie, Grund- und Aufbaukurs, Bobath-Instructor IBITA, Vojta-Kursus zur Behandlung erwachsener Patienten, Therapie des Faziooralen Traktes, Brunkow-Konzept (stimulatives Konzept)

Eddi: Kann man sich bei KG überfordern? Ich habe Angst, weil ich mich durch Überabstrengung immer schlecht fühle.

Klaus Gusowski: Grundsätzlich kann man sich bei der Krankengymnastik überanstrengen. Dies gilt insbesondere für MS-Patienten, die häufig einen begrenzten Spielraum bezüglich ihrer Leistungsfähigkeit haben. Da wir als Therapeuten ja aktivieren wollen, müssen wir nicht nur die Überanstrengung in der Therapie erkennen, wir müssen auch Tagesschwankungen respektieren. Der wichtigste Partner dabei ist unser Patient, der diese Schwankungen oder innerhalb der Therapie die Überlastung mitteilen muß. Ansonsten gebe ich gerne die folgende Regel aus: Ist mein Patient nach der Behandlung zwar funktionell besser, aber bis zu einer Stunde müde, so ist das ganz normal. Sollte er aber über 2 - 3 Stunden nicht in eine normale Form zurückfinden, dann haben wir überzogen. Auch hier brauchen wir die Rückmeldung vom Patienten. Der erfahrene Behandler beobachtet seine Patienten innerhalb der Behandlung ständig auf Überforderungszeichen und fügt weniger belastende aber nicht weniger wichtige Aspekte wie Atemtherapie, Spannungsminderung der spastischen Muskulatur usw. ein, um nach der Erholung die Aktivierung fortzuführen.

Moderator Jutta Hirscher: Guten Abend, Beate.

dieter: Kann ich bei MS(beide Beine) ein Fitness Studio besuchen

Klaus Gusowski: Das Fitness-Studio geht grundsätzlich von einem intakten Nervensystem aus und möchte bestimmte Muskelpartien stärken. Dabei ist in der Regel kein Sachverstand bezüglich krankhafter Abweichung von Bewegungsmustern vorhanden. Hier wäre ich vorsichtig. Es gibt allerdings auch Fitness-Studios, in denen Krankengymnasten arbeiten und durchaus solche Probleme kennen und beachten. Danach würde ich suchen. Zuletzt fühlen sie am besten, ob ihnen diese Art der Aktivierung gut tut. Und wenn sie sich kritisch betrachten und feststellen, dass ihnen die Alltagstätigkeiten leichter fallen - machen sie so oder so nichts falsch.

Margit vom Quellenhof: Gibt es für MS-Kranke noch eine spezielle Krankengymnastik?

Klaus Gusowski: Es gibt einige Konzepte der Krankengymnastik, die bei der Multiplen Sklerose zur Anwendung kommen. Die gebräuchlichsten sind das Bobath-Konzept, die Vojta-Therapie, PNF, Brunkow-Therapie, Hippotherapie, Wasserbehandlungen nach MacMillan..... Daneben sind Ansätze wie von Feldenkrais und Klein-Vogelbach im Gebrauch. Diese Konzepte leben von der Art und Weise, wie sie auf das Zentrale Nervensystem einwirken und unterscheiden sich dort. Die Probleme des Patienten und die Reaktion des Patienten auf die Therapie bringen letztlich die Entscheidung, welches Konzept die besten Erfolge für den Einzelnen bringt.

Margit vom Quellenhof: Was ist der Unterschied zwischen Krankengymnastik nach Bobath oder Voita?

Klaus Gusowski: Diese Frage ist leicht und schwer zugleich zu beantworten. Der wichtigste Unterschied ist der verschiedene Zugang zur Stimulation des Zentralen Nervensystems. Während die Hand das Therapeuten die Patienten hin zu einer normaleren Bewegung im Sinne der Alltagshandlungen unterstützt, begleitet und animiert (Boath-Konzept), die Bewegungsabläufe erleichtert, ermöglicht und dem Patienten letztendlich ganz übergibt, werden bei der Vojta-Therapie über sogenannte Auslösezonen 2 Reflexmuster der "Lokomotion" (Fortbewegung) angestossen: das Reflex-Kriechen und das Reflex-Umdrehen. Diese beiden Muster haben von ihren muskulären Inhalten primär nichts mit einer normalen Kriech- oder Drehbewegung zu tun. Werden sie aber im Rahmen der Vojta-Therapie immer vollkommener, so wirkt sich dies direkt auf die Bewegungsmöglichkeiten der Patienten positiv aus.

ina: Was kann ich therapeutisch mit einem "fitten" MS-Patienten, der außer Sensibilitätsstörungen der Fingerspitzen keine Symptome hat, machen?

Klaus Gusowski: Die Schwierigkeit bei der MS-Erkrankung ist ihre Unberechenbarkeit. Deshalb ist - insbesondere bei langen Behandlungspausen eine Eigentherapie wichtig. Diese sollte beeinhalten: Erhaltung der Dehnfähigkeit der zur Verkürzung neigenden Muskulatur Erhaltung der Rumpfmobilität Erhaltung der Atemleistung Vermeidung der Minderung von Muskeltonus, insbesonder hier der ventralen Kette. Häufig ist auch ohne Kraftverlust der Bauchdeckenreflex bereits erloschen. Somit ist hier der sensomotorische Kreislauf gestört - eine Minderbetätigung in den Muskelabschnitten wahrscheinlich. Aufdecken von versteckten Zeichen wie übermäßige Ermüdbarkeit und Abstellen der Überlastungsfaktoren (Einteilung des Tagesablaufs) Ermunterung des Patienten, im Rahmen seiner Belastbarkeit ein möglichst normales Leben zu führen! Im Wissen um Progredienz in Abständen den Patienten wieder einbestellen, um ihm einerseits zu zeigen, was er weiterhin kann oder um Fortschritte der Erkrankung festzustellen und Kompensationen zu verringern.

Jürgen vom Quellenhof: Wieso sind beim Quellenhof die Therapeuten/Therapeutinnen in ihrer Ersterfassung so korrekt?

Klaus Gusowski: In der ersten Befundaufnahme bekommt der Therapeut einen Eindruck vom Leistungsvermögen des Patienten, seiner häuslichen Umgebung und entwickelt zusammen mit dem Patienten eine Zielvorstellung. Diese Zielvorstellung mündet in die Behandlungskonzeption, die dem Leistungsstand des Patienten entspricht und ihn nicht unter- oder überfordert. Zum anderen kann aus der Art der Problematik auch schon die Idee der am ehesten zum Ziel führenden Therapie entstehen. Zuletzt besteht in der Erfassung des Eingangsstatus für den Therapeuten auch die Möglichkeit zu überprüfen, ob die Behandlung sich dem gemeinsamen Ziel nähert oder ob eine Umplanung erfolgen muß.

Tigerle: kann man durch KG den Blasendrang drosseln

Klaus Gusowski: Die Krankengymnastik hat in dem Bereich der neurogenen Blasenstörungen ein paar Therapieansätze. Ganz vorne steht wohl die Vojta-Therapie und da das Reflexkriechen. Die neurologisch-anatomische Nähe des Fußareals und der Blasensteuerung im motorischen Cortex gibt Anlaß zur Begründung, warum das Auslösen der Fersenzone hier Einfluß auf die Blasensteuerung nimmt. Wichtig ist jedoch, dass wir uns Klarheit über die Ursache des Blasendrangs verschaffen - und das kann nur der Urologe klären. Dann wissen wir, ob wir eine Sphinkterspasmus (Spstik im Blasenschließmuskel) in der Spannung erniedrigen oder eine atone Blase aktivieren müssen. Es gibt zudem Techniken und Handgriffe, die in der urologischen Meßstation abgeklärt das Wasserlassen erleichtern und damit die Restharnbildung mindern. Hier ist dringend die Zusammenarbeit der Phsiotherapie mit dem Urologen wichtig.

Moderator Jutta Hirscher: Guten Abend, Herr Janus und alle vom Frageteam Quellenhof

Jürgen vom Quellenhof: Therapie - privat und in der Klinik, Warum wirkt die Kliniktherapie positiver als die ambulante Therapie zu Hause=?

Klaus Gusowski: In der Klinik kann mit größerer Behandlungsdichte ein stärkerer Anstoss an das Zentrale Nervensystem gegeben, normale Bewegung zu generieren und zu verankern. Dazu kommt, dass in einer Klinik in der Vielzahl der Mitarbeiter auch verschiedene Konzepte therapiert werden können, die den einen oder anderen Patienten dirketer ansprechen. Zudem hat der Patient nicht noch die Verpflichtungen des Alltags zu erfüllen, sodass er seine Kräfte ganz für die Therapie einsetzen kann und Erschöpfungsfaktoren ausbleiben.

Moderator Jutta Hirscher: Guten Abend und willkommen zu unserem heutígen Chat "Aktivität bringt Stabilität" mit Klaus Gusowski.

Juergen Janus: Das Frageteam vom QUELLENHOF grüsst Herrn Gusowaski und die Moderatorin Frau Hirscher

Klaus Gusowski: Liebes Frageteam des Quellenhofs, ich begrüße sie ebenfalls herzlich und erwarte ihre Fragen!

Jürgen vom Quellenhof: Wann wird man als nicht therapierbar eingestuft?

Klaus Gusowski: Von mir aus nie!

Andrea vom Quellenhof: Beim Training soll Frau /Mann doch kurz vor einer Überforderung mit dem Training aufhören nur - wie merke ich ob ich an diesm Punkt angekommen bin?

Klaus Gusowski: Sie sollten in einem gebührenden Abstand vor der Überforderung aufhören. Sie merken es daran, dass die Wiederholung einer Aktivität immer schwerer oder unmöglich wird. Hier können wir eine Körperpartie verlassen und uns einer anderen, vielleicht im funktionellen Zusammenhang stehenden zuwenden (z. B. die Beinaktivität ruhen lassen, dafür aber den Oberkörper einsetzen). Oder aber sie fühlen eine allgemeine Ermattung. Dann sollten wir aus der Therapie mit atmungsfördernden oder entspannenden Techniken ausschleichen.

Tigerle: kann maqn durch zuviel KG die Spastik erhoehen

Klaus Gusowski: Die richtig durchgeführte Krankengymnastik erniedrigt die Spastizität und erhöht sie nicht. Eine übermäßige Muskeldehnung, lange statische (ohne Bewegung) Belastung von Muskeln oder das Zulassen von spastischen Bewegungsmustern innerhalb der Therapie kann aber sehr wohl eine Spastik erhöhen. Dazu kommen Schmerzreize oder auch starke thermische Reize wie Hitze oder Eis. Das muss der Behandler beobachten und entsprechend absetzen. Streß wie z. B.: "Das habe ich gestern gekonnt, das muss ich wieder schaffen" ist ein falscher Ergeiz, der eigentlich nur schadet. Es gibt nur ein heute und eine heutige Verfassung, in der ich mich heute so bewegen kann. Will sich der Patient darüber hinweg setzten, entsteht meisten Spastizität und keine Erweiterung der Bewegungsmöglichkeiten. Ich sehe also auf beiden Seiten Fehlermöglichkeiten, die bei einer richtig durchgeführten KG nicht passieren sollten.

Jürgen vom Quellenhof: Wieviel Anwendungen sollten pro Woche verordnet werden?

Klaus Gusowski: Diese Frage wird zunächst durch die Kostenträger beantwortet, die über eine Budgetierung dem niedergelassenen Arzt die Verschreibung von Physiotherapie arg einschränkt. In einer Klinik ist dieses Problem genauso vorzufinden. Auch hier sind von den Kostenträgern vorgegebene Kostenrahmen im Sinne der Wirtschaftlichkeit einer Klinik zu beachten, was eine Behandlungsdichte mindern kann. In der freien Praxis würde ich Unterschiede machen. So kann ein MS-Erkrankter, der wenig Symptome hat, in einem Block von 6 - 10 Behandlungen ein Eigenübungsprogramm erlernen und zuhause durchführen, um in regelmäßigen Abständen (ca. vierteljährlich oder halbjährlich) einen neuen Block zur Überprüfung des Ist-Zustandes und zur Anpassung des Eigenprogrammes durchzuführen. Sind die Symptome manifester, hat der Patient große Not, in seinem Alltag zu bestehen, dann ist eine Dauerbehandlung von 2 - 3mal/Woche nötig.

dieter: wie lange sollte man eine Armmanschette tragen und wie schwer sollte sie sein

Klaus Gusowski: Die Armmanschette ist ein sehr umstrittenes Therapieverfahren. Ich selbst habe dabei Erfolge erlebt. Das Gewicht der Manschette sollte ca. 400Gramm nicht übersteigen. Es muß gewährleistet sein, das nach der Hand-Arm-Aktivität die Manschette abgelegt wird - und wenn es ein Helfer tun muss. Sonst gewöhnt sich der Körper an das Gewicht und es wirkt nicht mehr. Alos nicht zu schwer und immer nur kurzzeitig (Zum Essen, zum handwerklichen Arbeiten in Haushalt oder Beruf) und dann ablegen.

Gudrun: Können Sie etwas zum Brunkow-Konzept sagen? Wo ist das einzuordnen?

Klaus Gusowski: Das Brunkow-Konzept ist ein Bahnungskonzept, das in 2 Versionen angewandt wird. Die erste, mehr durch verbale Aufforderung stimuliernde erzeugt hohe Muskelspannungen von den Händen und Füßen ausgehend zum Körper. Diese Version ist für MS-Patienten nur in Teilbereichen anwendbar. Die 2. Version arbeit über Haut- und Muskelstimuli sowie Druck- und Stauchimpulsen, die die Propriozeptoren ansprechen. Diese Technik ist weich und baut eine überwiegend statische Muskelarbeit auf. Es gibt eine Reihe von Ausgangsstellungen, sodass wir den verschiedenen Patientenbedürfnissen gerecht werden können. Ich wende diese Technik gerne bei Patienten mit Muskelschwäche oder Ataxie an.

Beate: Ab welchem Grad der Beeinträchtigung sollte der Krankengymnast diese speziellen Therapieformen anwenden- auch bei leichten Gehproblemen und daraus resultierender Fehlhaltung?

Klaus Gusowski: Es gibt bei der Multiplen Sklerose nur einen Ort, an dem sich die Krankheit abspielt: das Zentrale Nervensystem. Deshalb müssen wir uns dort einbringen und versuchen, die Programmierung der Bewegung zu optimieren. Deshalb sollten - egal ob bei großer oder geringer Symptomatik - diese Therapieformen zur Anwendung kommen, die bekannterweise die Neurologie behandeln - und nicht primär Muskeln und Gelenke.

dieter: können sie mir etwas über Bahnungsmöglichkeiten sagen

Klaus Gusowski: Bahnungsmöglichkeiten wollen Bahnen schaffen, auf denen die Bewegung normaler koordiniert werden kann. Alle Konzepte, die ich ja bereits genannt haben, bauen auf der sogenannten Plastizität im Zentralen Nervensystem auf. Die Forschung in der Neuro-Wissenschaft haben erstaunliche Belege für die Anpassungsfähigkeit des Nervensystems im gesunden wie auch im geschädigten Zustand geliefert. Eine Forderung ist daraus entstanden: Das ZNS (Zentrale Nervensystem) liefert diese Anpassungsvorgänge nur, wenn der betroffene Mensch aktiv wird. Deshalb haben alle Bahnungssystem eines gemeinsam: Die Aktivität des Patienten hin zu einer normaleren Motorik

Frank vom Quellenhof: Welche Moeglichkeiten gibt es zur Vermeidung von Streckspastik in Rueckenlage?

Klaus Gusowski: Die Rückenlage ist ein ohnehin spastiknahe Lagerung, da der ganze Körper in Streckung liegt und die Schaltung in die Streckspastik beinahe aufgezwungen wird. Hilfe könne hier Kleinigkeiten bringen, die aber auch nicht ganz ohne Probleme sind. Sie können die Kniegelenke in eine leichte Beugung lagern. Dann ist dadurch die Spastizität behindert - aber die Gefahr einer Beugekontraktur (Einsteifung in Beugung) groß. Bei solchen Lagerungsmaßnahmen brauchen Sie unbedingt streckende Anreize über den Tag (Stehtisch, Aktivierung der Streckung außerhalb spastischer Muster). Eine weitere Hilfe bietet eventuell die etwas erhöhte Lagerung des Kopfes. Auch hier befürchten wir bei dauernder Lagerung und schlechter Sitzhaltung eine zunehmende Fixierung des Kopfes in Beugung. Die Therapie und insbesondere das Alltagsverhalten (aufrechte Sitzhaltung, erhalten der Streckfähigkeit des Halses) wirken dem entgegen. Nachts ist die Einnahme von spastiksenkenden Medikamenten oft nicht so gravierend bezüglich ihrer Nebenwirkungen wie tagüber. Vielleicht ist das auch eine Hilfe. Ansonsten ist die Seitenlagerung bei starker Streckspastik der Rückenlage vorzuziehen.

Tigerle vom Quellenhof: Ist die Methode nach Brunkow bei MS angebracht?

Klaus Gusowski: In Ergänzung zu der Beantwortung der Frage, was Brunkow überhaupt ist: Ja, Brunkow in der stimulativen (aktuelleren) Form ist bei bestimmten Problemstellungen der MS sehr gut einzusetzen. Hier im Vordergrund die Ataxie und der Hypotonus (Minderspannung der Muskulatur)

Eddi: Ich habe einen Heimtrainer und kann noch damit fahren. Es kostet mich aber sehr viel überwindung und Kraft. Wie oft und wie lange sollte ich tgl. versuchen damit zu trainieren? Ich muß zugeben dass ich nach 2 Min. ziemlich geschafft bin.

Klaus Gusowski: Man kann die Probleme der MS selten mit Training bessern. Ein Heimtrainer setzt eigentlich eine gute Eigenaktivität voraus, die bei Ihnen scheinbar nachgelassen hat. Wenn sie 2 Minuten schaffen, ist der Heimtrainer eigentlich für sie nicht gut zu nutzen. Vielleicht haben sie den Widerstand hoch eingestellt, dann können sie ihn gut herabsetzen. Denn die Bewegung ist wichtiger als die Kraft. Es gibt ja auch elektrisch betriebene Räder, die im Sitzen vom Stuhl oder Rollstuhl aus genutzt werden können. Hier können sie im Wechsel zwischen elektrischem Antrieb oder eigener Aktivität sicherlich länger arbeiten und sich nicht so überlasten und zudem etwas gegen eine Spastizität der Beine tun.

Corinna vom Quellenhof: Wie oft soll man in der Woche KG haben?

Klaus Gusowski: Zu Hause in der Praxis sind 2 - 3mal/Woche sinnvoll. Bei geringer Symptomatik eventuell Blockbehandlung zur Erstellung eines Eigenübungsprogramms und vierteljährlich oder halbjährlich Auffrischung im Block - bei einer Verschlechterung aber sofortige Behandlung suchen.

Tigerle vom Quellenhof: Kann man den Begriff "Reflexkriechen" näher erklären?

Klaus Gusowski: Das "Reflexkriechen" wurde von Herrn Dr. Vojta beobachtet, als er die Zonen, die dies auslösen, bei gesunden Säuglingen bediente. Hier machte der Säuglich reflexhaft einen Kriechschritt mit einem Arm und dem gegenseitigen Bein, etwa so wie wenn ein Salamander einen Schritt vorwärts macht. Erst sind z. B. der rechte Arm und das linke Bein angewinkelt, dann macht das Baby eine "Schritt" nach vorne, wobei das Muster sich umkehrt und der linke Arm vorne angwinkelt landet und das rechte Bein angezogen wird. Dazu bedarf es einer komplexen Muskelsteuerung, die wir als "muskuläre Inlhalte" des Reflexkriechens von der Zehe bis in den Kopf und die Finger hinein analysiert haben und erzeugen wollen. Beim Erwachsenen kommt es in der Regel zu nicht so spektakulären Bewegungen - wir sehen nur Muskelanspannungen oder manchmal auch garnichts. Vojta nimmt übrigens über den Bewegungseffekt auch noch Einfluß auf die vegetativen Störungen (Atmung, Blase, Durchblutung) und die sensiblen Leitungsbahnen.

Andrea vom Quellenhof: Ich habe schon vor einiger Zeit eine Frage gestellt zur "Überbelastung. Ist diese Frage überhaupt angekommen?

Hans vom Quellenhof: Welche Wirkungen bei einer Myolopathie sind in einer KG zu erwarten?

Klaus Gusowski: Ich nehme an sie meinen eine Myelopathie also eine Erkrankung des Rückenmarks. Hier stellen wir eine mehr oder minder starke Querschnittsproblematik fest. Ziel ist es, die Reorganisation der Zusammenarbeit von Nervenzellen auf der Rückenmarksebene zu stärken und damit sowohl spastiksenkend als auch bewegungsfördernd zu arbeiten. Eine andere Qualität, die betroffen sein kann, sind die Gefühlsbahnen. Hier arbeiten wir an einer Verbesserung der Sensibilität (Oberflächenempfindung) und Tiefensensiblität (Empfindung der Bewegung und Stellung im Raum). Letzteres kann zu einer Verbesserung der Gleichgewichtsfindung und damit zu einem sichereren Gangbild führen. Wenn Sie allerdings eine Myopathie meinen - also eine Muskelerkrankung, dann arbeiten wir daran, die Restmuskulatur zunächst in eine gute Stoffwechsellage zu bringen, um sie anschließend im Rahmen ihrer Belastbarkeit vorsichtig wieder aufzubauen. Stichwort: Muskelkranke, Polio, Post-Polio.

Tigerle vom QUELLENHOF: Zwischen den einzelnen Terapien liegen teilweise nur wenige Minuten; zur KG komme ich meistens sehr abgekaempft , und deshalb nicht mehr faehig Nutzen aus der Terapie zu ziehen? Welchen Tip koennen Sie mir geben?

Klaus Gusowski: Solche Fehlplanungen sind nicht gewollt. Sie geschehen durch eine zentrale automatische Computerplanung manchmal. Dann müssen sie das bei der Therapeutin oder dem Arzt reklamieren, damit wir das ändern können. Schauen Sie am besten im Voraus den Plan an - denn je eher wir so etwas wissen, um so leichter ist es abzustellen.

Nani: Was bezweckt denn eigentlich eine Armmanschette

Klaus Gusowski: Die Armmanschette erhöht das Eigengewicht des Armes. So schwerer geworden braucht der Patient mehr Spannung, um den Arm zu bewegen. Dies kann wiederum zu einer Beruhigung überschießender Bewegungen bei einer Ataxie führen. In diesem Falle wird sie dann auch zu Durchführung zeitlich begrenzter Aktivitäten genutz.

Nicole: Haben sie in der Behandlung mit MS-Patienten schon nach Perfetti gearbeitet?

Klaus Gusowski: Das habe ich leider nicht, habe daher auch keine Erfahrung damit. Die Ergotherapie arbeitet wesentlich häufiger nach dem Konzept. Da könnten Sie wahrscheinlich eine Antwort bekommen.

Nani: Nochmals die Frage, was kann man bei Muskelentspannungsstörung/verzögerung KG-mäßig tun

Klaus Gusowski: Liebe Nani! Hier müsste ich wissen, ob es sich um eine myotone Erkrankung des Muskelsystems oder um eine Problematik im Rahmen einer Erkrankung des zentralen Nervensystems handelt. Könnte ich die Diagnose erfahren?

Nicole: Ich habe auch erst seit kurzem von dem Konzept gehöhrt, doch ich versuche es bei meinen Orthopädischen Patienten einzusetzen. Ich hatte kürzlich eine Fortbildung in dieser Therapieart.

Klaus Gusowski: Ich kann den Bezug nicht finden, glaube aber, dass Sie von der Brunkow-Therapie sprechen. Dieses Konzept habe ich in der Rommel-Klinik, in der ich vor dem Quellenhof gearbeit habe, häufig in der Behandlung von Wirbelsäulenpatienten - auch bei erwiesenen Bandscheibenvorfällen mit radikulärer Beteiligung mit Erfolg eingesetzt. Ich denke, dass die Orthopädie ohne die Beiträge aus der Neurologie (Aufbau optimaler Haltungs- und Bewegungsmuster) nicht auskommt oder zumindest massiv davon profitiert. Auch hier brauchen wir eine neue zentrale Koordinierung der Haltung und Bewegung.

Moderator Jutta Hirscher: Der Chat wird nun geschlossen. Vielen Dank, Herr Gusowski, für die ausführlichen Antworten, und den Teilnehmern für's Mitmachen. Ihnen allen einen schönen Abend und bis zu einem anderen Mal.

Redaktion: AMSEL e.V., 08.08.2002