Hallo jazzo,

als die MS bei mir offenbar wurde, war ich schon zu alt für Vorbilder: Ende 40. Ich hatte meine Existenz, mein soziales Umfeld, mein Zuhause …

Ich hatte generell weniger Vorbilder als Negativbeispiele. Leute, von denen ich dachte: So werde ich es nicht auch machen, das soll nicht mein Weg sein.

Z.B. meine Mutter und meine Schwester, die beide überzeugte Anhängerinnen “alternativer” Medizin waren. Impfgegnerinnen, Pharmagegnerinnen, Medikamenten-Nihilistinnen.

Meine Mutter holte, wenn ich als Kind sehr krank war, zu guter Letzt (ultima ratio) doch noch den “richtigen Doktor”, der keine Milchzuckerpülverchen in weißen Pappröhrchen verschrieb, sondern “richtige Medizin”, die mich dem Tod nochmal von der Schippe holte, z.B. Streptomycin.

Meine Kindheit überlebte ich durch die Errungenschaften des medizinischen Fortschritts in den fünfziger Jahren. Andere bekamen damals noch Polio, starben an Diphtherie oder Lungenentzündungen.

Ich erlebte in der Verwandtschaft die Brutalität der “sanften” Alternativmedizin, z.B. kein Insulin bei Diabetes Typ 1, sondern schwarz werdende Zehen und amputierte Beine. Keine Tracheotomie bei Diphtherie, sondern Kind erstickt, Tod. Der Vater des Kindes war ein Cousin meiner Mutter, Heilpraktiker und Angehöriger der Rudolf-Steiner-Sekte. In der Familie nannten wir ihn “den Mörder”.

Meine 10 Jahre ältere Schwester lehnte jegliche medizinische Behandlung ihres Brustkrebses ab und starb, voller Metastasen, im 74. Lebensjahr; die letzten Wochen überstand sie nur mit Morphium. 4 meiner nächsten Blutsverwandten sind an Krebs gestorben; mein Weg ist das nicht. Mein Weg ist, wenn nötig, die “onkologische Trias” aus Chemo, Bestrahlung, OP - keine Frage, ich will überleben!

In Sachen MS habe ich keine “Vorbilder”. Dazu sind die MSen viel zu verschieden. Malu Dreyer hat eine andere MS als ich. Soviel man weiß, hat sie PPMS. Außerdem wollte ich nie Politikerin werden.
“Zukunftsangst” habe ich keine. Ich bin 63, da kann man sich gelassen zurücklehnen und den Lauf der Welt beobachten, ohne ihn noch beeinflussen zu wollen.

“Angst vor der Progredienz” finde ich so unbegründet wie Angst vor der Zukunft und dem Altern. Was wäre das Gegenteil? Jeden Tag “Murmeltier-Tag”? https://de.wikipedia.org/wiki/Und_täglich_grüßt_das_Murmeltier

Meine Oma sagte gerne: Gestern ist gestern, morgen sorgt Gott, heute - lebe! Und eine weise Geschichte erzählt: Ein Mann ritt zur Kirche und fragte den Pfarrer: “Soll ich mein Pferd anbinden, oder soll ich auf Gott vertrauen?” - Der Pfarrer sagte: “Vertraue auf Gott und binde es an.”

Heißt für mich: Ich vertraue auf Gott und spritze Interferon. Während man in anderen Foren darüber diskutiert, wie menschenverachtende Seilhersteller die Bedürfnisse der Menschen ausbeuten, indem sie mit Herstellung und Verkauf von S

(vertippt) - indem sie mit Herstellung und Verkauf von Seilen reich werden. - Aber wirkliche “Alternativen” zum Anbinden hat man da auch nicht. (Auch nicht, wenn man von sich im Pluralis maiestatis schreibt! ;-))

Liebe Grüße
Renate

Vielen Dank dir Renate, ob deiner ausführlichen und sehr individuellen Ausführungen.

Doch
als die MS bei mir …
war ich schon …
Ich hatte meine …
mein soziales Umfeld …
mein Zuhause …
Ich hatte generell …
ich dachte: So werde ich …
meine Mutter und meine Schwester …
Meine Mutter holte …
wenn ich als Kind …
Meine Kindheit überlebte ich …
Ich erlebte …
Ich bin 63 …
finde ich so unbegründet wie …
Meine Oma sagte gerne …

Und genau das ist es - Jazzo - Krankheit ist individuell und persönlich und die MS im Besonderen.

Ich nehme genau das Gleiche.

Philipp

so er es denn hatte: heinrich heine!!!

ansonsten brauche ich keine vorbilden, wozu auch?

ich habe kein Vorbild aber große Zukunftängste das macht mir arg zu schaffen. güni

Wäre dem so, würde eindrucksvoll Beleg erfahren haben, dass es dem einen Klarheit und Weitsicht verschafft, dem Anderen, verbale Verstopfung, kognitive Spastik, übel riechenden Verbalausfluß.

ja mir geht es was die Zukunftangst genau so. Gruppe würde ich gehen wenn ich eine Gruppe finden würde.Ja mit der MS das so eine Sache ich glaube einfach wer keine MS hat kann da nicht mitreden.
Bei mir ist soweit das ich noch frei 3m laufen kann ca. 5-8 Meter wie gerate meine Verfassung ist sonst sitze ich im Rollstuhl lg güni

Reg Dich nicht auf. Das ist Vergeudung von Kräften, die wir positiv verwenden. Ok ich bin heute cool, weil ich heute schon gebellt habe… aber nicht hier. Ich frage mich wie man ständig soviel online sein kann und soviel trainiert. Vermutlich legt das an meiner Fatigue und meiner Wetterfühligkeit. Zum Thema Depression schreib ich morgen. Wenn man die Erkrankung nicht kennt kann man sie nicht wirklich begreifen. Eine körperliche Erkrankung ist oft einfacher zu bearbeiten als eine psychische…
Cool down im ersten kommt http://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/der-blaue-planet-100.html

:slight_smile:

Hallo Jazzo,

meine MS wird heuer 23. Zukunftsängste habe ich vor ca. 6 Jahren abgeschafft, als ich gelernt habe überwiegend im “jetzt” zu leben.

Kein Arzt, kein Selbstbetroffener wird dir vorhersagen können, wie deine MS sich entwickelt…

Hellseher kenne ich keinen :wink:

Worauf du allerdings jederzeit Einfluss hast, ist deine eigene innere Einstellung.

Wenn dann würde ich also Vorbilder im Bereich der seelischen Verarbeitung einer so unberechenbaren Erkrankung wie der MS suchen.

Zu Beginn meiner Erkrankung bin ich wie eine Verrückte herumgelaufen, habe x Ärzte und Heilpraktiker aufgesucht, wollte das Problem “MS” schnellstmöglich loswerden… am meisten geholfen , v.a. im Bezug auf meine Ängste, hat mir dabei Psychotherapie.

Nach längerem suchen und testen, habe ich einen für mich und meine individuelle Problematik geeigneten Psychotherapeuten gefunden. War da sehr wählerisch, weil ich das Fach ja selbst studiert habe…:wink:

Etwas später habe ich für mich sehr effektive Psycho-Selbsthilfemethoden, wie z.B. The Work von Byron Katie entdeckt. An dieser Stelle möchte ich meiner älteren Schwester danken, die auch MS hat und mich immer wieder auf neue Methoden und Gedanken bringt.

P.S.

Nachdem ich den gesamten Thread nun überflogen habe, frage ich mich, ob sich der Threadstarter Jazzo wohl nochmal zu Wort meldet…

Hey Amygdala! super name und eine berechtigete Frage!
Ich bin im Urlaub und habe nicht jeden tag internet.
Und jetzt sehe ich diesen Schwarm an Beiträgen. Das ist überwältigend!

Vielen Dank für so viel feedback!!! Das hätte ich mir nicht vorstellen können.

Ich habe lange gezögert hier etwas zu posten und bedauere es das nicht schon viel früher gemacht zu haben.

hey barocke, vielen vielen dank für deinen Beitrag!

Du sprichst ja im endeffekt die innere Einstellung an in deinem Beitrag. Es stimmt man kann sich schnell fertigmachen lassen. Das ist aber nicht mein Ziel.
Ich bin jetzt 27 und habe meine Diagnose mit 25 gestellt bekommen. Ich bin noch dabei die MS als einen Teil von mir zu akzeptieren. Das fällt teils echt schwer.
Hast du tipps diesbezüglich?

Hey Yay,

Die Trotzhaltung habe ich auch schon überwunden. Nun kommt langsam die Phase der Akzeptanz. Allerdings knabbert das “Erkrankt sein” noch sehr am Selbstwertgefühl.

Es wird bestimmt voran gehen!

Danke für deine Antwort!

Hey einer,

Dein Beitrag rührt mich sehr. Und spricht mir voll aus der seele!

Dein Tipp all mein Geld zu nehmen und zu leben würde ich gerne in vollen Zügen umsetzen!

Ich bin gerade fertig geworden mit meinem Studium und das Arbeitsleben steht vor mir. Viel Geld habe ich leider noch nicht.

Das mit dem Stress ausweichen und umgehen hört sich super an, ist aber so verdammt schwer. Gerade wenn man ehrgeizig und motiviert ist.

Ich bin neu in diesem Forum und lerne noch dazu. Dein Punkt, dass nicht jeder der MS hat mich verstehen wird kann ich mir vorstellen. Ich hoffe ich werde hier niemandem auf den Schlips treten.

Vielen Dank für dein Input!

lg

Hey! Darf ich dich Fragen mit wie viel jahren du deine Diagnose gestellt bekommen hast?

lg

Hi jazzo, geniesse deinen Urlaub! Viel Spass dabei!

Vielleicht schaffst du es ja möglichst wenig an die MS zu denken , das wünsche ich dir und weiss aber, dass das gar nicht so einfach ist…

Hallo Jazzo,

Urlaub ist wichtiger als die MS und dieses Forum. Wir laufen ja nicht weg, zumindest nicht schnell lol.

Geniesse Deinen Urlaub und schicke Deine MS auch für diese Zeit ganz weit weg.

Liebe Grüße

Hallo jazzo, falls du mich meinst:

MS hab ich seit ich 28 bin, da hatte ich meine erste SNE. In der Rückschau hatte ich aber schon früher Symptome… Bin aber wegen vorübergehender Taubheitsgefühle nie zum Arzt gegangen.
Im Nachhinein bin ich froh, dass ich meine Diagnose nicht schon früher bekommen habe.

Hätte mich wohl sehr belastet und ich hätte mich wahrscheinlich gefragt, ob ich mein Studium überhaupt beenden soll…Da ich gleichzeitig auch gearbeitet habe, hätte ich die Energie evtl. nicht mehr aufgebracht.