Hi yaszo,
hier mal meine persönliche Gesamtüberischt über die aktuelle Lage, mit vielen Links:
Bevor du dich für eine Therapie entscheidest, informiere dich ausführlich und lass dich von dem Arzt beraten.
Die Aufklärung muss von einem Arzt erfolgen, das ist keine Aufgabe der MS Schwester oder Arzthelferin.
(Was ist eine MS-Schwester: http://tims-trier.de/wp-content/uploads/2016/04/ZIMS1_MS_Schwestern.pdf)
Auf keinen Fall darf man sich von den Ärzten Angst einjagen lassen, denn Aussagen wie, “wenn sie nicht sofort mit einer Therapie anfangen, sitzen sie in einem Jahr im Rollstuhl”, sind keine Seltenheit.
Aber wie es mit oder ohne Therapie ist, kann kein Arzt vorhersagen.
Diese Glaskugel gibt es einfach nicht!
Sehr interessant dazu:
http://tims-trier.de/wp-content/uploads/2016/11/ZIMS3_Schweigen_ist_Gold.pdf
Und auch der Abbruch einer Therapie ist heute keine Seltenheit, denn die Lebensqualität darf weder unter der MS noch unter den Nebenwirkungen zu kurz kommen:
http://tims-trier.de/wp-content/uploads/2016/04/ZIMS1_Keinen_Bock_mehr.pdf
Eine sehr gute Übersicht über die Studienlage zu den einzelnen Medikamenten ist hier zu finden, leider fehlen die neuen Therapien im einzelnen, aber auf der letzten Seite ist dazu eine kurze Übersicht:
http://www.dmsg-hamburg.de/wp-content/uploads/2015/08/ISDIMS_Immuntherapien-MS_Neufassung_Maerz_2013.pdf
Diese Kurzübersicht ist auch gut:
http://tims-trier.de/wp-content/uploads/2016/04/TIMSBroschüreMedikamente_29.04..pdf
In dieser Broschüre (auch für medizinisches Fachpersonal) sind fast alle aktuellen zusammengefasst:
http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/wp-content/uploads/2017/09/KKNMS_Qualitätshandbuch_2017_webfrei.pdf
Aktuell sind für die schubförmige MS (milder Verlauf) folgende Wirkstoffe zugelassen:
- Avonex, Rebif , beides Interferon Beta 1a und (Plegridy) Peginterferon Beta 1a.
Das Plegridy ist das gleiche wie Avonex, aber in Polyethylenglycol verpackt, somit wird es langsamer freigesetzt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Polyethylenglycol
Das Interferon Beta 1a entspricht dem körpereigenen Interferon Beta.
- Betaferon und Extavia beides Interferon Beta 1b, das ist ein Interferon das neben dem körpereigenen noch einen Anhang hat.
Bei den Interferonen ist nur wichtig, je selterner die gespritzt werden, um so heftiger sind die Nebenwirkungen beim Spritzen. Zu den einzelnen Stoffen kannst du hier auch viel nachlesen.
http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/wp-content/uploads/2017/09/KKN_1707_FINAL_aufkl_interferon-beta.pdf
- Copaxone ist ein Glatirameracetat das ist ein Gemisch synthetischer Polypeptide aus den Aminosäuren Glutaminsäure, Lysin, Alanin und Tyrosin (GLAT). Es gibt es täglich und 3x die Woche. Bald soll auch ein Generika auf den Markt kommen der Handelsname ist “Clift”.
http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/wp-content/uploads/2017/09/KKN_1707_FINAL_aufkl_glatirameratacetat.pdf
- Tecfidera mit Dimethylfumarat als Wirkstoff und ganz so risikoarm wie gedacht ist es auch nicht.
Am Anfang wurde es als fast Nebenwirkungsfreie MS Therapie verkauft, aber nun gab es schon mehrere Todesfällen wegen einer PML. Unter dem ähnlichen Medikament Fumaderm gibt es schon mehrere PML Fälle. Pharmakologen ordnen Tecfidera als Immunsuppressiva ein, die Neurologen als ehr harmlosen Modulator. Gerade bei Folgetherapien kann diese Unterscheidung sehr wichtig sein.
http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/wp-content/uploads/2017/09/KKN_1707_FINAL_aufkl_dimethylfumarat.pdf
Wegen der PML Fälle wurden die Lymphozytengrenzen nach oben gesetzt:
Die Infos dazu sind hier zusammengefasst:
http://www.psoriasis-netz.de/medikamente/fumaersaeure/fumaderm-neuer-grenzwert.html
Und hier noch mehr:
http://www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/news_and_events/news/2015/10/news_detail_002423.jsp&mid=WC0b01ac058004d5c1
- Aubagio ist Teriflunomid und kommt aus dem Rheumabereich (Leflunomid https://de.wikipedia.org/wiki/Leflunomid ). Zudem ist es ein Immunsuppressivum, was sich negativ auf andere Therapien auswirken könnte, wenn diese nicht mehr ausreicht.
Gerade Frauen, die noch ein Kind bekommen möchten, ist hier besondere Vorsicht geboten, da Aubagio fruchtschädigend ist. Auch wenn Aubagio ausgewaschen wird, kann ein Rest noch Jahre im Körper bleiben.
http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/wp-content/uploads/2017/09/KKN_1707_FINAL_aufkl_teriflunomid.pdf
Aubagio und Tecfidera sind beides Tabletten, wobei man dafür einen guten und starken Magen braucht.
- Ganz neu auf dem Markt ist noch Daclizumab unter dem Namen Zinbryta.
Viele Infos gibt es dazu im Netz noch nicht. Die Zulassung ist bei der EMA als “Basistherapie” erfolgt, die DGN sieht Zinbryta aber als “Eskalationstherapie”
https://www.dmsg.de/multiple-sklerose-news/leben-mit-ms/zulassung-von-daclizumab-hyp-fuer-die-behandlung-der-schubfoermigen-multiplen-sklerose-erfolgt-in-de/
Vor allem sollte man bei Daclizumab wissen, dass es in den USA nur als Reserve zugelassen worden ist, wenn schon mind. zwei andere Therapien versagt haben. Der Grund sind die Nebenwirkungen.
http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/wp-content/uploads/2017/09/KKN_1707_FINAL_aufkl_daclizumab.pdf
Wahrscheinlich werden die Indikationen für Zinbryta in absehbarer Zeit verändert, da es mehrere Todesfälle mit akutem Leberversagen gab.
Für die (hoch-) aktive MS ist momentan folgendes verfügbar:
Aber was ist eine (Hoch-)aktiven Verlaufsform? (Definition aus der Zulassung von Tysabri und Gilenya):
- trotz Basistherapie mit Interferon-Beta oder Glatirameracetat weiterhin eine hohe Krankheitsaktivität aufweisen (mindestens ein Schub pro Jahr) und im kraniellen MRT mindestens neun T2-hyperintense Läsionen oder mindestens eine Gadolinium-anreichernde Läsion haben.
ODER
- mit rasch fortschreitender MS und damit einhergehendem Behinderungsgrad (mindestens zwei Schübe pro Jahr). Im kraniellen MRT sollten bei ihnen eine oder mehr Gadolinium-anreichernde Läsionen oder eine signifikante Erhöhung der T2-Läsionen im Vergleich zu einer kürzlich durchgeführten MRT-Aufnahme nachweisbar sein.
Ansonsten sind sich die Neurologen nicht darüber einig, was (hoch-)aktiv bedeutet:
http://tims-trier.de/wp-content/uploads/2016/11/ZIMS3_Hit_hard_an_early.pdf
Als Eskalationstherapie bzw. Therapie für den (Hoch-)aktiven Verlauf sind folgende Medikamente aktuell zugelassen:
- Natalizumab (Tysabri): ist ein monoklonaler Antikörper, der Lymphozyten und Monozyten am Passieren der Blut-Hirn-Schranke und damit am Einwandern in entzündetes Gewebe hindert. Auf diese Weise werden die Zellen des zentralen Nervensystems vor Attacken der fehlgeleiteten Immunzellen geschützt. Das Medikament wird alle vier Wochen intravenös verabreicht.
Die Risiken sind vor allem die PML Gefahr, wobei hier auf die Vortherapien und eine Infektion geachtet werden müssen.
Eine Infektion mit dem JC-Virus haben viele schon durchgemacht, ohne dass man es gemerkt hat. Aus diesem Grund gibt es einen Bluttest.
Allerdings ist der Bluttest auch nicht immer 100% sicher, aus diesem Grund wird dieser auch mehrfach gemacht.
Bei den Vortherapien geht es um immunsuppressive Vortherapien, das sind u.a. Aubagio, Tecfidera, Gilenya, Lemtrada, Mitoxantron, Zinbryta,…
Falls man eines dieser Medikamente schon genommen hat, erhöht sich das PML Risiko.
Es gibt aber auch Neurologen, die halten einige diese Medikamente nicht für immunsuppressiv, aber was die dann genau sind, können die nur selten widerspruchsfrei erklären.
Andere Mediziner, aber auch die Pharmakologen sehen das ganze etwas anders und stufen diese Wirkstoffe als immunsuppressiv ein.
Gerade wenn man JCV positiv ist, gilt auch nach eine 24 Monatsregel, aus diesem Grund gibt es auch zwei Aufklärungsbögen Aufklärungsbogen:
http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/wp-content/uploads/2017/09/KKN_1707_FINAL_aufkl_natalizumab_01.pdf
http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/wp-content/uploads/2017/09/KKN_1707_FINAL_aufkl_natalizumab_02.pdf
Die aktuellen Empfehlungen kann man hier nachlesen, inkl. Roter Hand Brief:
https://www.dmsg.de/multiple-sklerose-news/ms-therapien/risiko-neubewertung-fuer-natalizumab-ema-aktualisiert-empfehlungen-fuer-die-multiple-sklerose-thera/
https://www.dmsg.de/multiple-sklerose-news/ms-therapien/rote-hand-brief-zu-natalizumab-in-der-multiple-sklerose-therapie/
Tysabri ist die Therapie mit der meisten Langzeiterfahrung.
- Fingolimod (Gilenya) sorgt unter anderem dafür, dass Entzündungszellen am Auswandern aus den Lymphknoten gehindert werden und es zu einer Umverteilung von Lymphozyten aus dem Blut in die lymphatischen Organe kommt.
Gilenya wird einmal am Tag als Tablette eingenommen.
Die erste Tablette muss unter EKG und Blutdrucküberwachung eingenommen werden.
Die Überwachung geht mind. sechs Stunden.
Die Pharmakologen sehen Gilenya als Immunsuppressivum an, die Neurologen sind sich darüber nicht einig.
Gerade wenn Tysabri als folge Therapie ansteht sollte man auf Nr. sicher gehen.
Unter Gilenya kam es ebenfalls schon zu PML Fällen, allerdings nicht so viele.
Die meisten Todesfällen hängen mit Herzproblemen zusammen, daher sollte hier auch eine besondere Vorsicht geboten werden.
Die Hauptnebenwirkung sind meisten Infekte und der Blutdruckanstieg.
Zum Aufklärungsbogen:
http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/wp-content/uploads/2017/09/KKN_1707_FINAL_aufkl_fingolimod.pdf
- Alemtuzumab (Lemtrada) ist ein monoklonale Antikörper und richtet sich gegen das Oberflächenprotein CD52, das auf Zellen des Immunsystems vorkommt. Dadurch werden B- und T-Zellen drastisch reduziert. Patienten erhalten den Wirkstoff in zwei aufeinanderfolgenden, jährlichen Zyklen über anfangs fünf, im Folgejahr über drei Tage.
Nach ca. sechs Monaten kommen die ersten B-Zellen zurück, die T-Zellen brauchen länger.
Die Wirkung hält lange an, aus diesem Grund ist eine fünfjährige Nachbeobachtungszeit notwendig.
Ca. die Hälfte der Patienten entwickelt sekundäre Autoimmunerkrankungen, die potentiell lebensbedrohlich sind, wenn sie nicht frühzeitig diagnostiziert und behandelt werden.
Der Aufklärungsbogen:
http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/wp-content/uploads/2017/09/KKN_1707_FINAL_aufkl_alemtuzumab.pdf
Infos gibt es auch in einem Blog:
http://multiple-sclerosis-research.blogspot.com/2015/11/west-coast-experience-of-alemtuzumab.html
Dieser Blog stammt aus England, und die Nebenwirkungen treten demnach viel häufiger auf als in den Studien bekannt geworden ist. Und das evtl. auch die 5 Jahre eine zu kurze Beobachtungszeit sind.
Falls Lemtrada nicht wirken sollte, ist eine Anschlusstherapie kaum erprobt. Es gibt nur wenige aussagekräftige Daten dazu, auch wenn die Therapie nicht wirken sollte, gibt es kaum Erfahrungswerte für Anschlusstherapien.
Die neueren Therapien wie Cladribin (Mavenclad) und auch das im Zulassungsverfahren befindliche Ocrelizumab (Ocrevus) werden nur für die (hoch-) aktive MS relevant sein, da die Langzeitnebenwirkungen wie erhöhte Tumorbildung, nicht zu unterschätzen sind.
Cladribin wurde 2010 die Zulassung in der EU und den USA verweigert, weil das Sicherheitsprofil nicht ausreichte. Cladrebin ist eine orale Chemotherapie und das sollte jedem auch klar sein, der diesen Wirkstoff in Betracht zieht.
Ocrelizumab ist der Nachfolger von Rituximab. Rituximab wird schon sehr lange in der Rheumatherapie eingesetzt, die Studie zu Ocrelizumab und Rheuma wurde 2010 eingestellt, der Grund waren unter anderem 10 Todesfälle.
Bei MS ist unter Ocrelizumab auch schon ein PML Fall aufgetreten. Von daher sollte auch dieses Thema nicht vernachlässigt werden.
Ocrelizumab soll auch die PPMS beeinflussen, aber anscheinend nur im Anfangsstadium, bei bereits langer Krankheitsdauer scheint kaum noch eine Wirkung vorhanden zu sein. Hier ist das auch sehr verständlich dargestellt:
http://tims-trier.de/wp-content/uploads/2016/11/ZIMS3_Zu_viel_versprochen.pdf
https://www.dmsg.de/multiple-sklerose-news/ms-therapien/stellungnahme-des-vorstandes-des-aerztlichen-beirates-der-deutschen-multiple-sklerose-gesellschaft/
Auf Grund der Langzeitwirkung sollten diverse Entscheidung gut überlegt sein. Jeder hat auch das Recht auf eine zweite Meinung und die sollte man sich in vielen Fällen auch Einholen.
Die wenigsten Therapien wirken auch sofort, sondern brauchen teilweise Monate, bis eine evtuelle Schutzwirkung aufgebaut ist.
Im Internet gibt es zu den einzelnen Wirkstoffen noch viel mehr Informationen. Bevor man sich aber auf gewissen Seiten eine Meinung holt, sollte man sich das Impressum genau anschauen und sich überlegen, was will diese Seite überhaupt.
Es gibt Seiten, da werden die Therapien extrem positiv dargestellt und bei anderen wiederum sehr negativ. Um da eine gute Übersicht zu bekommen, braucht es etwas Zeit und Geduldt.
Viel Spass beim Lesen
Lucy