Hallo Liebe Amseln,

ich bin neu hier und stelle mich kurz vor: Ich heiße Walter, bin 26 Jahre alt und habe seit Mai 2014 MS. Aktuell habe ich meinen 4. Schub und die Ärzte im Krankenhaus empfehlen dringend meine Basistherapie Extavia zu wechseln. Ich bitte euch um Meinungen, da ich gerade die Möglichkeiten sammle und gerne jede Info aufsaugen möchte :slight_smile:

Doch erst möglichst kurz zu meiner Geschichte:

Mai 2014: 1. Schub in Form von Taubheitsgefühlen in Arm, Bauch, Bein links und Augenschmerz rechts, diese Symptone haben sich bis September vollständig zurückgebildet.
Juni 2014: MRT HWS -> 1 Km - aufnehmender Herd

Juli 2014: MRT Schädel -> Einige akute Herde mit deutl. Schrankenstörung -> Danach erst Krankenhaus mit Kortisoninfusionen.
Währenddessen 2. Schub in Form von Kribbeln in beiden Beinen ausgelöst durch Herd in BWS.

Vor Extaviastart im Januar 2015 Ausgangsmrt vom Kopf, vereinzelt neue Herde teilweise mit Kontrastmittelaufnahme. (bis dahin also keine Therapie außer Kortison beim 1./2. Schub). September 2015 kribbeln rechte Hand, Kopfmrt lieferte wieder neue Herde, 2 davon mit KM -> Dexamethason um Entzündung zu stoppen.

Auch diese Symptome waren nach 2-3 Wochen wieder weg. Ein Jahr danach weiteres Kontrollmrt vom Kopf -> Herde nicht mehr so signalintensiv und keine neuen Läsionen erkennbar, keine KM-Aufnahme.

Letztes Jahr im September wieder ein Kontrollmrt vom Schädel, gleiche Läsionslast wie ein Jahr zuvor und ebenfalls keine KM-Aufnahme. Soweit so gut denke ich mir und Extavia vertrage ich super, Blutbilder passen auch.

Jetzt allerdings habe ich seit Montag kribbeln in beiden Beinen, angefangen in den Füßen, hat es sich in 2 Tagen bis zum Knie ausgebreitet. Ebenfalls Druck in den Waden wie ein Muskelkater. Also ab ins Krankenhaus (da mein Neuro meinte, ich solle noch abwarten obwohl ich am Montag wegen Augenschmerzen da war und bei Gefühlsstörungen vorbeikommen soll…).

Kortisonstoß wie gehabt, MRT der Wirbelsäule und des Schädels. Schädel weiterhin unverändert, aber in der Wirbelsäule ein neuer akuter Herd. Damit habe ich nun am 1. / 2. Halswirbel einen 12-15mm großen Herd, 3./4. Halswirbel einen 5mm großen Herd und einen nicht abgrenzbaren Befund.

Jeder Herd hat also einen Schub ausgelöst und da wächst natürlich die Angst wie das so in Zukunft voranschreitet und deswegen meinte die Neurologin ich solle mir Gedanken wegen der Therapie machen. Ab Montag sollen Tests starten welche Therapien überhaupt in Frage kommen (JC-Virus etc.).

Sie hat gesagt, es kämen nur Tecfidera oder Alemtuzumab in Frage. Letzteres is ja eine Eskalationstherapie, die langfristig ernste Folge haben könnte (weitere Autoimmunerkrankung, …). Und beide stehen auch in Verbindung mit PML wie manche anderen Medis auch.

Mir stellt sich nun die Frage, was ist mit den anderen Therapien, Gilenya, Tysabri oder evtl. Copaxone. Kommen diese wirklich nicht in Frage und wenn ja warum? Oder sollte ich doch erstmal bei Extavia bleiben und weitere Schübe mit Herden im Rückenmark riskieren?

Bin wirklich über jede Info oder Rückmeldung bzgl. sinnvolle Reihenfolge bei den Therapien und Verträglichkeit dankbar und hoffe ich habe angemessene Absätze eingehalten und der ein oder andere konnte alles lesen.

Eine schöne Nacht und Bis bald :slight_smile:

Hi Walter91,

wurde das MRT unter Kortison gemacht?

Nach Kortison sollte so 6 Wochen gewartet werden, damit ein MRT mit Kontrastmittel überhaupt sinn macht.

Wenn ja, kannst du die Ergebnisse nur teilweise Bewerten, aber dass sollten die Ärzte wissen!
Kortison hat eine Auswirkung auf die Bluthirnschranke und somit kann es zu Fehlinterpretationen kommen.

Das jede Läsion einen Schub auslöst, ist ehr nicht der Fall. Denn vieles ist im MRT eh nicht zu sehen.
Ein MRT eignet sich daher auch nicht zur Schubdiagnose.

Geh in ein 7 Tesla Forschungs MRT und die Läsionen erhöhen sich um das X-Fache.

Und in 3 Jahren 4 Schübe ist nicht wirklich so viel.

Was andere Therapien angeht, hier mal meine Meinung dazu.

Interferone Beta:
wurde bei dir ein Antikörpertest auf Extavia (Interferon Beta 1b) mal durchgeführt? Oder ist der geplant? Wenn der positiv wäre, weist du immerhin, die können nicht mehr richtig wirken. Dabei ist es egal welches Interferon Beta du nimmst, die Antikörper richten sich gegen alle.

Copaxone:
wenn es wirkt, ist gut, aber bis eine evtuelle Schutzwirkung eintritt, können auch mal mehr als 6 Monate vergehen.
Von den Nebenwirkungen her, ist es mit am verträglichsten.

Tecfidera:
ganz so harmlos wie zu Anfang gedacht, ist es bei weitem nicht. Es gibt mehrere PML Fälle.
Unter Fumaderm, einem anderen Medikament das auch Dimethylfumarat enthält gab es auch PML Fälle die sogar über der kritischen Lymphozyten Grenze liegen. Von daher ist hier mehr vorsicht geboten, als die Neurologen immer so denken.

Zudem zählt Tecfidera auch zu den Immunsuppressiva, wenn das auch immer von den Neurologen bestritten wird. Die Pharmakologen sehen das etwas kritischer.

Gerade falls irgendwann noch Tysabri gegeben werden sollte, sind Immunsuppressive Vortherapien von Nachteil.

Aubagio:
Ein immunsuppressivum aus dem Rheumabereich.
Der Wirkstoff kann auch teilweise Jahre nach der Einnahme im Körper nachgewiesen werden, denn das Auswaschen klappt nicht immer.
Und auch hier gilt, Tysabri als Folgetherapie mit erhöhtem PML Risiko.

Tysabri:
aktuell mit das stärkste MS Medikament.
Das PML Risiko ist bekannt und je nach Vortherapie und JCV Titer kann man das auch abschätzen.

Wichtig ist, vor einem Immunsuppressiva sollte Tysabri gegeben werden und nicht danach.

Auch bei positivem JCV Test kann Tysabri gegeben werden!
Nur die Kontrollen sind intensiver und häufig wird nach 24 Infusionen abgebrochen.

Gilenya:
ist ein Immunsuppressiva das nur auf Grund der Nebenwirkung ähnlich wie Tysabri für den (hoch-)aktiven Verlauf zugelassen worden ist. In den USA ist Gilenya als Firstline Therapie zugelassen und da gab es dann auch etliche Todesfälle.

Für Tysabri und Gilenya gilt zumindest diese Voraussetzung:
Erwachsene Patienten ab 18 Jahren, die trotz Behandlung mit einem Therapeutikum für milde / moderate Verlaufsformen (z. B. einem Interferon-beta-Präparat, Glatirameracetat, Dimethylfumarat oder Teriflunomid) eine hohe Krankheitsaktivität aufweisen.
Die Patienten müssen im letzten Jahr unter einer Therapie für milde / moderate Verlaufsformen mindestens einen Schub gehabt haben
und
sollten mindestens neun T2-hyperintense Läsionen oder mindestens eine Gadolinium anreichernde Läsion im kraniellen MRT aufweisen.

Lemtrada:
die Zulassung ist zwar um einiges weiter gefasst, als bei Tysabri und Gilenya, aber die Risiken sind dabei nicht ohne.

Falls Lemtrada nicht wirken sollte, bleibt nicht viel übrig, denn die Auswirkung auf das Blutbild können mal über 5 Jahre und mehr bestehen. Für die Risiken von Folgetherapien gibt es bis heute kaum Daten, denn die müssen über mehr als 10 Jahre erhoben werden…

Das Risiko für eine zweite Autoimmunerkrankung liegt nach den neueren Veröffentlichung bei ca. 50% und die können auch noch später als 5 Jahre auftauchen.

Es wird teilweise auch schon geforder, Lemtrada sehr stark in der Zulassung einzuschränken, sobald Ocrelizumab zugelassen ist.

Ocrelizumab soll im 3. - 4. Quartal 2017 auch in Deutschland auf den Markt kommen.

Leider kommen die Zahlen irgendwie nicht so bei den deutschen Neurologen an, in den einschlägigen englischen Informationsquellen sieht es da schon etwas anders aus.

Zinbryta:
nach dem Todesfall mit akutem Leberversagen wird die Indikation überprüft.
In der EU ist Zinbryta als Firstline Therapie zugelassen, in den USA als Thridline, also wenn schon mind. zwei Therapien versagt haben.

Vor einer Entscheidung solltest du dir auf jedenfall eine zweite Meinung einholen. Denn wenn ein Arzt nur zwei von mehreren Therapien vorschlägt, kann es auch sein, dass die Klinik dazu gerade ein paar Studien am laufen hat (Beobachtungsstudien).

Zudem eilt es auch nicht so sehr, denn auch vor Gilenya sind gewisse Vorsorgeuntersuchungen noch zu machen.

Wenn du eine Reihnfolge haben möchtest, wäre Copaxone vor Tysabri möglich.
Aubagio, Gilenya, Lemtrada, Tecfidera und Zinbryta (auch Ocrelizumab) erst nach Tysabri.

Und welches Medikament vielleicht bei dir überhaupt wirkt, musst du ausprobieren.

Keiner kann dir sagen, was und ob überhaupt bei dir wirkt.

Es gibt auch etlich MSler die ohne Therapie ruhe vor der MS haben. Es kann auch sein, dass Extavia bei dir nicht wirkt, deine MS aber trotzdem einigermaßen stabil war.

In den ganzen Veröffentlichung wird immer eine Durchschnittliche Schubreduktion angegeben, dabei können bei einigen die Schübe ganz ausbleiben und bei anderen gibt es keinerlein Wirkung.

Gerade in den letzten Studien z.B. bei Tecfidera, waren sogar in den Placebogruppen mehr als 50% der Teilnehmer über zwei Jahre Schubfrei.

Eine sehr gute Übersicht über die Studienlage zu den einzelnen Medikamenten ist hier zu finden, leider fehlen die neuen Therapien im einzelnen, aber auf der letzten Seite ist dazu eine kurze Übersicht:

http://www.dmsg-hamburg.de/wp-content/uploads/2015/08/ISDIMS_Immuntherapien-MS_Neufassung_Maerz_2013.pdf

In dieser Broschüre (auch für medizinisches Fachpersonal) sind fast alle aktuellen zusammengefasst:

http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/wp-content/uploads/2016/12/KKNMS_Handbuch_Gesamtausgabe_verknuepft_20160914_webfrei.pdf

Grüße
Lucy

P.S. wieso gehts du für eine Schubbehandlung überhaupt ins Krankenhaus? Das geht auch alles ambulant…

Hallo Lucy,

vielen Dank für deine ausführliche Antwort, genau darauf habe ich gehofft.
Ja das MRT wurde unter Kortison gemacht; laut Radiologe ist KM noch aussagekräftig wenn Kortison noch nicht länger als 72 Stunden eingesetzt wurde. Danach wäre es dann definitiv nutzlos.

Antikörpertest auf Interferone möchte ich bei der Abklärung machen lassen, ich soll mich auch erstmal nur beraten und untersuchen lassen und für die Entscheidung des Therapiewechsels mit meinem Neurologen besprechen.

Die Neurologin im Krankenhaus hat natürlich auch bisschen Angst und Schrecken verbreitet, weil sich jedes Mal in der Wirbelsäule größere Herde mit KM-Aufnahme zeigen und gerade Wirbelsäule schnell bemerkbar ist, klar ein Herd im Schädel kann auch fatal sein an der falschen Stelle.

Zu deinem PS: Es war so, dass ich diesen Montag bei meinem Neurologen war wegen Augenschmerzen, VEP o.B. und er hat gesagt, wenn irgendwo Gefühlsstörungen dazu kommen solle ich wieder vorbeikommen.

Am gleichen Abend kribbeln in den Füßen, hat sich bis Mittwoch bis zu den Knien ausgebreitet. Habe dort angerufen und Neurologe meinte angeblich zur MFA bis Freitag oder Montag weiterbeobachten. Da es sich aber schnell ausbreitet wollte ich das nicht riskieren. Und mein Hausarzt ist im Urlaub, Vertretung weiter weg.

Deswegen habe ich beschlossen direkt ins Krankenhaus zu gehen, und die haben mich gleich da behalten. Ambulante Infusionen für das Wochenende wurden zum Beispiel auch abgelehnt, bei 1g verstehe ich das auch nicht, Arztpraxen machen das ja auch und ich hab sogar alle Medis und Blutzuckermessgerät zu Hause.

Copaxone ist ja täglich subkutan zu spritzen oder? Ist das sinnvoll wenn ich schon bei Betaferon öfter rote/blaue Flecken bekomme, also nicht dass ich mit Copaxone noch mehr Probleme dabei bekomme. Trotz kühlen und sonstiger Tipps.

Grüße
Walter :slight_smile:

Hi Walter91,

das habe ich vom Radiologen noch nie gehört.

Bei mir haben die sogar bei einem MRT das kurz nach Kortison gemacht wurde auf das Kontrastmittel verzichtet, weil das Kortison die Ergebnisse eh verfälscht.

Das MRT wurde wegen einem Schub gemacht um eine PML auszuschließen…

Das Neurologen gerne Angst und Panik verbreiten, dabei vor allem die in den Kliniken ist schon lange bekannt.
Ich kenne nur wenige gute MS Ambulanzen die das ganze auch mal etwas ruhiger angehen lassen und nicht gleich die Atombomben einsetzen.

Hier ist das ganze auch gut beschrieben:
http://tims-trier.de/wp-content/uploads/2016/11/ZIMS3_Hit_hard_an_early.pdf

Kortison kann man sich mit Überweisung vom Neurologen auch in der Notfallsprechstunde geben lassen.
Dabei muss man das Kortison, NaCl und die Infusionsausrüstung als mitbringen. Hängt aber da auch immer etwas vom Arzt ab.

Ansonsten habe ich das auch schonmal als Tablette genommen, geht im Notfall auch.

Copaxone gibt es als täglich und 3x Woche.

Was die Hautverträglichkeit angeht, musst du das halt testen.

Grüße
Lucy