Hallo,
ich habe die Diagnose MS erhalten und muss mich nun für ein Medikament entscheiden. Nun interessiert mich wofür andere MS-Patienten sich entschieden haben und welche Erfahrung sie gemacht haben.
Also welche Erfahrungen habt ihr mit welchem Medikament gemacht?

Zunächst solltest Du dir einem spezialisierten Neurologen suchen und dich dort beraten lassen. Welche Medikamente dann für dich in Frage kommen, wird er dir dann sagen. Dies hängt auch von der Aktivität und der Art (schubförmig oder sekundär progredient) deiner MS ab.

Ich habe zur Zeit zum Glück wenig Einschränkungen und die MS ist bei mir schubförmig. Ich nehme Copaxone, mein Neurologe und die MS Ambulanz versuchen mich davon zu überzeugen zu Tysabri zu wechseln, da sie im MRT noch Aktivität gesehen haben. Die möglichen Nebenwirkungen von Tysabri finde ich im Augenblick noch zu heftig, um zu wechseln.

Mit Copaxone komme ich gut klar, nur ein wenig leichtes Brennen an der Injektionstelle für ein paar Minuten nach der Injektion. Die auf einer halben DIN A4 Seite aufgeführten Nebenwirkungen habe ich zum Glück bisher nicht gehabt. Wenn man den Beipackzettel liest, fragt man sich, ob der Arzt einen umbringen will :=)

Bei vielen anderen MS Medikamenten ist es mit möglichen Nebenwirkungen noch heftiger, bei Tysabri gibt es im Extremfall sogar Todesfälle. Daher hält sich meine Begeisterung für Tysabri auch noch sehr in Grenzen.

Wenn Du Medikamentenvorschläge von deinem Neurologen hast, solltest du vielleicht noch einmal etwas gezielter nachfragen.

Ich hoffe Du hast schon einen Neurologen gefunden, zu dem Du Vertrauen hast. Ich hatte beim ersten Neurologen sofort für mich entschieden, der wird mich nicht noch einmal sehen. Dort gab es zwei Infoblätter zu Medikamenten, mit der Bemerkung, suchen sie sich was aus und melden sie sich dann.

Mit dem zweiten Neurologen habe ich es dann besser getroffen.

Hi Ruby123,

also müssen tuts du gar nichts!

Es gibt keinen Therapiezwang bei MS.

Und was die Medikamente angeht, keiner kann dir sagen was bei dir vielleicht wirkt und welche Nebenwirkungen du vielleicht haben wirst.

Dir können 1000 MSler zu einem Medikament raten, aber du bist dann der 1001 Fall der extreme Nebenwirkungen hat und sich die MS sogar verschlechtert.

Von daher sind die Erfahrungen von anderen MSler immer mit Vorsicht zu geniesen.

Man weis heute auch, dass es nicht nur eine MS Form gibt, sondern mind. 4 verschiedene Subtypen, die alle anders behandelt werden müssen.
Bis heute gibt es aber noch kein Verfahren um herauszufinden welchen der Subtypen man angehört.

Aus dem Grund kann es sein, dass du erst alle Therapien durchtesten musst und die du am Ende nimmst ist erst die richtige.

Einige haben auch das Glück gleich am Anfang per Zufall die richtige Therapie für die einigen MS zu finden. Aber das ist halt noch immer Zufall.

Bevor du dich für eine Therapie entscheidest, informiere dich ausführlich und lass dich von dem Arzt beraten.

Die Aufklärung muss von einem Arzt erfolgen, das ist keine Aufgabe der MS Schwester oder Arzthelferin.

(Was ist eine MS-Schwester: http://tims-trier.de/wp-content/uploads/2016/04/ZIMS1_MS_Schwestern.pdf )

Auf keinen Fall darf man sich von den Ärzten Angst einjagen lassen, denn Ausagen wie, “wenn sie nicht sofort mit einer Therpie anfangen, sitzten sie in einem Jahr im Rollstuhl”, sind keine Seltenheit.

Aber wie es mit oder ohne Therapie ist, kann kein Arzt vorhersagen.

Diese Glaskugel gibt es einfach nicht!

Sehr interessant dazu:

http://tims-trier.de/wp-content/uploads/2016/11/ZIMS3_Schweigen_ist_Gold.pdf

Und auch der Abbruch einer Therapie ist heute keine Seltenheit, denn die Lebensqualität darf weder unter der MS noch unter den Nebenwirkungen zu kurz kommen:

http://tims-trier.de/wp-content/uploads/2016/04/ZIMS1_Keinen_Bock_mehr.pdf

Eine sehr gute Übersicht über die Studienlage zu den einzelnen Medikamenten ist hier zu finden, leider fehlen die neuen Therapien im einzelnen, aber auf der letzten Seite ist dazu eine kurze Übersicht:

http://www.dmsg-hamburg.de/wp-content/uploads/2015/08/ISDIMS_Immuntherapien-MS_Neufassung_Maerz_2013.pdf

In dieser Broschüre (auch für medizinisches Fachpersonal) sind fast alle aktuellen zusammengefasst:

http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/wp-content/uploads/2016/12/KKNMS_Handbuch_Gesamtausgabe_verknuepft_20160914_webfrei.pdf

Aktuell sind für die schubförmige MS (milder Verlauf) folgende Wirkstoffe zugelassen:

  • Avonex, Rebif , beides Interferon Beta 1a und (Plegridy) Peginterferon Beta 1a.

Das Plegridy ist das gleiche wie Avonex, aber in Polyethylenglycol verpackt, somit wird es langsamer freigesetzt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Polyethylenglycol

Das Interferon Beta 1a entspricht dem körpereigenen Interferon Beta.

  • Betaferon und Extavia beides Interferon Beta 1b, das ist ein Interferon das neben dem körpereigenen noch einen Anhang hat.

Bei den Interferonen ist nur wichtig, je selterner die gespritzt werden, um so heftiger sind die Nebenwirkungen beim Spritzen. Zu den einzelnen Stoffen kannst du hier auch viel nachlesen.

http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/wp-content/uploads/2016/12/KKNMS_Patientenaufklaerung_Interferon-beta_2016_Webfrei.pdf

  • Copaxone ist ein Glatirameracetat das ist ein Gemisch synthetischer Polypeptide aus den Aminosäuren Glutaminsäure, Lysin, Alanin und Tyrosin (GLAT). Es gibt es täglich und 3x die Woche. Bald soll auch ein Generika auf den Markt kommen, der Namen ist noch nicht bekannt.

http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/wp-content/uploads/2016/12/KKNMS_Patientenaufklaerung-Glatirameracetat_2016_Webfrei.pdf

  • Tecfidera hat als Wirkstoff Dimethylfumarat und ganz so risikoarm wie gedacht ist es auch nicht.

Am Anfang wurde es als fast Nebenwirkungsfreie MS Therapie verkauft, aber nun gab es schon mehrere Todesfällen wegen einer PML. Unter dem ähnlichen Medikament Fumaderm gibt es schon mehrer PML Fälle. Pharmakologen ordnen Tecfidera als Immunsuppressiva ein, die Neurologen als ehr harmlosen Modulator. Gerade bei Folgetherapien kann diese Unterscheidung sehr wichtig sein.

http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/wp-content/uploads/2016/12/KKNMS_Patientenaufklaerung_Dimethylfumarat_201607_Webfrei-1.pdf

Wegen der PML Fälle wurden die Lymphozytengrenzen nach oben gesetzt:

Die Infos dazu sind hier zusammengefasst:

http://www.psoriasis-netz.de/medikamente/fumaersaeure/fumaderm-neuer-grenzwert.html

Und hier noch mehr:

http://www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/news_and_events/news/2015/10/news_detail_002423.jsp&mid=WC0b01ac058004d5c1

  • Aubagio ist Teriflunomid und kommt aus dem Rheumabereich (Leflunomid https://de.wikipedia.org/wiki/Leflunomid ). Zudem ist es ein Immunsuppressivum, was sich negativ auf andere Therapien auswirken könnte, wenn diese nicht mehr ausreicht.

Gerade Frauen, die noch ein Kind bekommen möchten, ist hier besondere Vorsicht geboten, da Aubagio fruchtschädigend ist. Auch wenn Aubagio ausgewaschen wird, kann ein Rest noch Jahre im Körper bleiben.

http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/wp-content/uploads/2016/12/KKNMS_Patientenaufklaerung_Teriflunomid_2016_Webfrei-1.pdf

Aubagio und Tecfidera sind beides Tabletten, wobei man dafür einen guten und starken Magen braucht.

  • Ganz neu auf dem Markt ist noch Daclizumab unter dem Namen Zinbryta.

Viele Infos gibt es dazu im Netz noch nicht. Die Zulassung ist bei der EMA als “Basistherapie” erfolgt, die DGN sieht Zinbryta aber als “Eskalationstherapie”

https://www.dmsg.de/multiple-sklerose-news/leben-mit-ms/zulassung-von-daclizumab-hyp-fuer-die-behandlung-der-schubfoermigen-multiplen-sklerose-erfolgt-in-de/

Vor allem sollte man bei Daclizumab wissen, dass es in den USA nur als Reserve zugelassen worden ist, wenn schon mind. zwei andere Therapien versagt haben. Der Grund sind die Nebenwirkungen.

http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/wp-content/uploads/2016/11/KKNMS_Handbuch_Daclizumab_2016_webfrei.pdf

http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/wp-content/uploads/2016/12/KKNMS_Patientenaufklaerung_Daclizumab_20160922_webfrei.pdf

Da es nun wieder zu einem Todesfall unter Zinbryta gekommen ist, findet eine erneute Überprüfung des Wirkstoffes statt. Was da am Ende bei rauskommt, kann keiner sagen.

Und keine Therapie wirkt sofort, sondern braucht Monate bis vielleicht eine Schutzwirkung aufgebaut ist.

Meist wird nach 6 Monaten ein MRT gemacht, dass dient dann als Ausgangswert für ein weiteres MRT nochmal 12 Monate später.

Die meiste Langzeiterfahrung gibt es mit den Interferonen (Betaferon gilt als das erste MS “echte” Medikament) und dann kam Copaxone.

Gerade bei den neueren Wirkstoffen ist die Langzeiterfahrung bei Daueranwendung noch nicht so groß, denn es kann bei Immunsuppressiva auch erst nach Jahren der Anwendung zu Tumorbildung kommen.

Grüße
Lucy

P.S. du kannst auch erstmal warten und schauen wie sich die MS verhält.
Es gibt genügend MSler die auch ohne Medikamente stabil sind.

Vielen Dank für deine Info!!!

bis zur Diagnose MS habe ich so einige Neurologen hier kennengelernt und leider sehr viel schlechte Erfahrungen gemacht. Anstatt mich ordentlich zu untersuchen habe ich Antidepressiva bekommen um nur ein Beispiel zu nennen.
Mein jetziger Neurologe ist auch der, der die Krankheit diagnostiziert hat. Er hatte viele Tests angeordnet bzw durchgeführt bis die Diagnose stand. Zum Thema Medikament hat er mir allgemeine Infos gegeben. Dass es Tabletten gibt und Spritzen, bei welchem der Schub weiter hinausgezögert wird usw. doch ein Medikament direkt hat er mir nicht empfohlen. Nach einem erneutem MRT soll ich mich informiert haben.
Mein Neurologe ist auf MS spezialisiert und arbeitet in einem Krankenhaus. Leider sind meine Neurologenerfahrungen nicht so gut und viele nehmen auch leider keine Patienten mehr auf…

Von Capaxone hatte er auch erzählt. Schön zu hören dass du nicht mit allen Nebenwirkungen zu kämpfen hast!

Vielen lieben Dank für deine ausführliche Antwort!!!
Der Arzt hatte nur geraten nicht allzu lange mit der Therapie zu warten da ich vor kurzem ein Kind bekommen habe und die Schubwahrscheinlichkeit in der Regel dann sehr hoch ist.

Vielen Dank für die ganzen Links!!!

Hi Ruby123,

nach einer Schwangerschaft steigt das Schubrisiko an, pendelt sich aber dann wieder auf dem Niveau von vor der Schwangerschaft ein.

Das geht so 6-9 Monate.

Wenn du noch weitere Kinder möchtest, kannst du dir das mit einer Therapie auch noch etwas überlegen, denn je nachdem welche Therapie du machst musst du die mehrere Monate vor einer Schwangerschaft absetzen.

Und da je nach Therapie mind. 6 Monate bis zu einem eventuellen Wirkungseintritt vergehen lohnt es sich teilweise nicht mal eine Therapie zu machen.

Grüße
Lucy