Hallo Roland,
“ja leider bekomme ich von meiner Neurologin kein Fampyra.
(…) was solls ich lande dann halt im Rolli oder nehme die Sache selber in die Hand.”
- warum glaubst du, dass der Kaliumkanalblocker Fampyra verhindert, dass du im Rolli landest?
Das kann er doch gar nicht. Fampyra ist keine verlaufsmodifizierende Medikation, nur eine symptomatische. Sie soll die Gehfähigkeit bei Patienten verbessern, die ohnehin noch gehen können, wenn auch langsam. Fampridin wirkt nur ein paar Stunden lang, dann geht man wieder so schlecht wie vor der Einnahme.
Auf die Entzündungsaktivität hat es keinerlei Einfluss, dafür braucht es entzündungshemmende und die Blut-Hirn-Schranke stabilisierende Medikamente, z.B. Interferone.
Ob ein Interferon wirkt, lässt sich durch ein MRT mit Kontrastmittel prüfen. Durch eine intakte Blut-Hirn-Schranke kommt kein Kontrastmittel. Ich mache unter Betaferon jedes Jahr ein MRT von Schädel und Wirbelsäule, und hatte darin noch keine Schrankenstörung.
In den zwei Jahren vor meiner MS-Diagnose hatte ich 8 bis 10 Schübe, und jeder hinterließ bleibende Schäden. Bei der Diagnose hatte ich EDSS 6,5 und GdB 80. 2 - 3 Monate nach Therapiebeginn bestand keine Krankheitsaktivität mehr.
Knapp 2 Jahre nach Therapiebeginn fragten mein Neuro und ich uns, ob meine Krankheitsaktivität ganz erloschen wäre. Ich setzte das Betaferon ab. Meinem Neuro mache ich keinen Vorwurf, weil er mich nicht zum Weiterspritzen genötigt hat. Das hätte er gar nicht können. Als ich das erste Mal ein Cortison bekam, ging er noch in den KiGa.
Ich war bei der Diagnose 50 und tue sowieso, was ich für richtig halte. Wenn er damit nicht einverstanden ist, verliert er mich als Patientin. Für einen Übervater-Patriarchen im Weißkittel, der brave Mädchen um sich scharen will, die ihn anhimmeln, wäre ich zu alt.
Mein Neuro spielt sich mir gegenüber nicht auf - von dem Dutzend MS-PatientInnen, die er höchstens hat, ist er nicht abhängig. Seine Kundschaft hier in der Pampa besteht zu 95 % aus neurologischen Alltagsleiden wie Schlaganfällen, Migräne und Parkinson. Die bekannten “Schwerpunktspraxen” sind in Stuttgart oder in den Uni-Städten. Hier gibt es keine.
Er hat von mir auch die Unterschiede zwischen den Cortisonen gelernt - die er als Neurologe natürlich nicht kannte. Nur meinem Hausarzt, der über Steroidhormone promoviert hat, kann ich darüber nichts beibringen.
Zwei Monate nach dem Absetzen des Betaferons kriegte ich den schwersten aller Schübe, da musste ich das Autofahren aufgeben und mir einen Rolli verschreiben lassen. Und natürlich habe ich so schnell wie möglich wieder mit Spritzen angefangen. Seither habe ich EDSS 7 und GdB 90.
Und nein, die in der Laienliteratur diskutierten Schubauslöser (Ehemann, Kinder, Chef, Schwiegermutter, Autounfall, Firmenpleite, Tod des Haushundes etc. pipapo) habe ich alle nicht aufzuweisen. (Selbst wenn ein WWW-bekannter MS-Versteher sich vor Wut wie Rumpelstilzchen selbst mitten entzwei reißt.)
“Hat jemand erfahrung mit Fampyra?”
- Hier gibt es bestimmt ein paar Leute, die es nehmen, oder ausprobiert haben. Ich bekomme es nicht, da ich die erforderliche Restgehfähigkeit von 25 Fuß nicht vorweisen kann.
“Was kostet das ca und kennt jemand einen Arzt der sowas noch verschreibt?”
- Was es kostet, verrät dir z.B. die bekannte Versandapotheke Doc M. Die 2-Wochen-Packung ist die einzige, die zurzeit lieferbar ist, und kostet 103,27 . Rezeptpflichtige Medikamente sind preisgebunden und kosten überall gleich, da braucht es kein “ca.”.
Ob ein Neuro dir das verschreibt, hängt davon ab, ob du eine Indikation dafür hast, und ob du keine Kontraindikation hast. Ich schaffe die vorgeschriebene Mindestgehstrecke nicht, und bekäme es sowieso nicht, auch deswegen nicht, weil ich gegen meinen Tremor Propranolol nehmen muss, mit dem es sich nicht verträgt.
“Noch ca 10 Monate hat der Arzt zeit dann lande ich auf der Straße.”
- Wieso das? Heißt das, wenn du kein Fampridin nimmst, wirst du gefeuert? Was ist denn das für eine erpresserische Firma??? Woher wollen die wissen, ob du eine Indikation für Fampyra hast?
Es wäre schön, wenn du die Zusammenhänge zwischen Job und Kaliumkanalblocker etwas genauer erläutern könntest. Ich habe zwar volles Verständnis dafür, dass Kitas keine Masernschleudern aufnehmen wollen, aber warum hängt dein Job davon ab, dass du Fampridin schluckst???
“Gibt es noch andere Medikamente für das laufen?”
- Es gibt Medikamente gegen Schübe, wie du sicher weißt. Bei mir hat, s.o., jeder Schub eine Verschlimmerung der Behinderung verursacht, die sich nicht mehr zurückgebildet hat. Darum habe ich sofort, als die Diagnose stand, mit Betaferon angefangen.
Da “MS” nur ein Oberbegriff für mindestens 4 verschiedene entzündliche ZNS-Erkrankungen ist, muss man das Medikament finden, das zur eigenen MS passt. Ich hatte Glück und habe es auf Anhieb getroffen, das war damals aber nicht schwer, da es nur vier gab und ich gegen zwei davon (Avonex und Copaxone) Kontraindikationen habe.
Das Beste zum Erhalt der Gehfähigkeit ist gute KG-ZNS. Und eine wirksame Schubprophylaxe. Was für eine MS hast du denn, und was nimmst du bisher?
Liebe Grüße
Renate