Hallo Daniela,
meine Mutter misstraute der Wissenschaftsmedizin, und behandelte mich meistens nur mit rezeptfreiem Zeugs. Antibiotika bekam ich nur, wenn ich kurz vorm Abkratzen war. Die Mandeln hätte sie mir aber trotzdem rausnehmen lassen, wenn ich nicht gestreikt hätte.
Als ich erwachsen war, mied ich Ärzte wie die Pest, habe daher immer noch meine Mandeln, und bekam nur alle 10 Jahre mal ein Antibiotikum. Beim Diagnose-Schub im KH bekam ich eine Blasenentzündung (“Die hat bei uns jede”) und dagegen Ciprofloxacin, und ein paar Jahre danach wieder. Außerdem bekam ich mal eins gegen eine Kiefervereiterung. Das war’s aber schon.
Ansonsten hatte ich so gut wie nie Probleme mit dem Darm, eher, wie man bei uns sagt, “eine Kuttel wie eine Sau”. Ein Zusammenhang meiner MS mit der Darmflora ist für mich sehr unwahrscheinlich.
Übrigens sehe ich auch sonst keine Zusammenhänge. Ich hatte in der Zeit, als meine MS aktiv wurde, weder besonderen Stress - im Gegenteil, ich hatte mit Anfang 50 meine Schäflein im Trockenen. Ehemann, Kinder und Schwiegermutter habe ich mir erspart. Meine Eltern waren längst tot.
Bei mir passen die ganzen wohlfeilen Erklärungsmodelle mit den “außergewöhnlichen Belastungen” nicht (z.B. das von W.W.). Wenn MS stressabhängig wäre, hätte sie in Wirtschaftskrise, Diktatur und Krieg ein Massenleiden sein müssen.
War sie aber nicht. Meine Verwandten, mit denen ich gemeinsame Gene habe, standen unter Hitler mit einem Bein im Gestapo-Gefängnis, mit dem anderen im Luftschutzbunker und danach auf einem Haufen Trümmern. Eine Art Lagerfeuer- und Kameraderie-Romantik, wie sie W.W. in der Nazizeit sah, sehe ich nicht, nur tägliche Angst und Not.
Ich bin noch ohne Hygienewahn, Haushaltsreiniger und Fertiggerichte aufgewachsen. Die ersten nicht selbst gekochten Mahlzeiten nahm ich in der Uni-Mensa zu mir. Aber das war 30 Jahre vor meiner MS.
Daher gefällt mir Stefans MS-Hypothese, dass mir irgendwann ein Stück Himmel auf den Kopf gefallen ist, immer noch am besten. Außerdem gibt es “DIE” MS nicht. Das ist nur ein Oberbegriff, wie man ihn früher für allerlei noch nicht erforschte Krankheiten benutzte.
Irgendwann verstand man, dass “Husten” und “Bauchweh” nicht immer dieselbe Krankheit sind. Bei den MSen arbeitet man eifrig an der Subtypisierung. Vor ein paar Jahren konnte man MS und NMO noch nicht unterscheiden, jetzt kennt man die Aquaporin-4-Antikörper. Die Zeit arbeitet für uns, nur ist ein Kurswechsel fürs medizinische Establishment schwieriger als für ein Containerschiff.
Liebe Grüße
Renate