Hallo, Herr Weihe,

Ihr Vorschlag, zum Thema „Cortison“ mit mir zusammenzuarbeiten, ehrt mich, aber ich glaube nicht, dass es eine gute Idee wäre, wenn Sie Ihr Cortison-Kapitel quasi von mir schreiben ließen.

Erstens können Sie das, was ich dazu weiß, größtenteils selbst in der Fachliteratur nachlesen, wenn Sie wollen, vom „Giftpapst“ Max Daunderer bis zum „Cortison-Papst“ Hanns Kaiser.

Noch dazu haben Sie es viel einfacher als ich, weil Ihnen als Arzt alle Informationen über verschreibungspflichtige Medikamente offen stehen, während ich als Laiin aufgrund des Heilmittelwerbegesetzes dazu keinen Zugang erhalte, denn Werbung für rezeptpflichtige Medikamente ist in Laienkreisen verboten und strafbar.

Auch bei rezeptfreien Mitteln ist bei einer Werbung außerhalb der Fachkreise stets der Text „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ anzugeben (§ 4 Abs. 3 HWG).

Ich muss gewisse Schlupflöcher nutzen, um überhaupt an Informationen über rezeptpflichtige Medikamente zu kommen. Sie als Arzt haben dazu unbeschränkten Zugang und können einfach googeln.

Vieles, was ich sonst über die MSen gelesen habe und was mich überzeugt hat, lehnen Sie ab, und das ist keine Grundlage für gemeinsames Arbeiten. .

Z.B. ist für Sie die NMO keine eigenständige Krankheit, und die PPMS schon zweimal nicht. Damit stehen Sie zwar ziemlich allein auf weiter Flur, aber das ist Ihre Entscheidung, und Sie sind als Ruheständler ja unabhängig.

Ich werde aber nicht an einem Buch mitarbeiten, in welchem bestritten wird, dass die NMO und wahrscheinlich auch die PPMS eigenständige Krankheiten sind. Wenn eine NMO irrtümlich mit MS-Medikamenten behandelt wird, kann sie sich dramatisch verschlechtern.

Deswegen ist die Differentialdiagnose MS - NMO so wichtig! https://nemos-net.de/dateien/dokumente/NEMOS%20Konsensus%20Nervenarzt%202011.pdf - Außer für Sie, denn Sie würden auch keine MS mit MS-Medikamenten behandeln, weil Sie die ja auch ablehnen.

Im Grunde Ihres Herzens lehnen Sie Cortisone, für Sie „Teufelszeug“, nach wie vor ab. Sie haben als junger Arzt bei Cortisonen Beobachtungen gemacht, die Ihnen Angst und Schrecken eingejagt haben.

Das „Seiltanzen auf dem Balkongeländer im Cortison-Rausch“ hätten Sie aber genausogut nach den Konsum von Alkohol und anderen Drogen erleben können (war nicht damals, vor 40 Jahren, LSD angesagt?). Wer weiß, was da noch im Spiel war. Außerdem war es wahrscheinlich eher eine Balustrade als ein Geländer. Für mich ist diese Anekdote belanglos.

Ich bezweifle stark, dass ein/e PatientIn, der/die gerade mitten im Schub steckt, überhaupt auf ein Balkongeländer hinauf will, auch nicht nach einer Overkill-Dosis Prednisolon. Ich konnte damit nicht mal Treppen steigen.

Und der von Ihnen berichtete Cortison-Todesfall dürfte Folge von Behandlungsfehlern gewesen sein, die damals, vor 40 Jahren, mit Cortisonen leider noch massenhaft vorkamen.

Zu Behandlungsfehlern siehe mein eigenes Beispiel, die prednisoloninduzierte Kardio-Krise bei meinem Diagnose-Schub – weil man es nicht nötig gehabt hatte, sich an die Präparateinformation von Solu-Decortin H zu halten und meinen Serumkaliumspiegel zu kontrollieren. Nur hat mich das nicht umgebracht, weil ich die Behandlung rechtzeitig gestoppt habe.

Insgesamt gesehen sind Glucocorticoide viel weniger gefährlich als NSAR, wie z.B. der rezeptfrei erhältliche Totmacher Thomapyrin. Geschätzte NSAR-Todesfälle: 5.000 bis 8.000 pro Jahr. Nachzulesen z.B. bei Prof. Gerd Glaeske, den ich für vertrauenswürdig halte.

Selbst an Overkill-Dosen von 5 x 2.000 mg (Methyl)Prednisolon stirbt kaum jemand, sonst würden sie nicht 25 Jahre nach Roy W. Beck immer noch bedenkenlos angewendet.

Das allein ist für mich schon ein Beweis für die Ungefährlichkeit von Glucocorticoiden und müsste selbst Sie überzeugen. Ihre Cortison-Angst ist völlig irrational. Dass Sie Glucocorticoide für gefährlicher halten als NSAR, lässt mich nur fassungslos den Kopf schütteln.

Sie haben sich in Ihrer aktiven Zeit wahrscheinlich auf PatientInnen spezialisiert, bei denen keine Notwendigkeit bestand, ein Corticoid, oder überhaupt ein MS-Medikament, einzusetzen; so mussten Sie sich um die Risiken und Nebenwirkungen des „Teufelszeugs“ nicht kümmern.

Ich habe in derselben Zeit wie Sie die ersten Erfahrungen mit Cortisonen gemacht, allerdings auf der Gegenseite, als Patientin. Ich hatte vor über 45 Jahren einen sehr guten Allergologen, der mir das erste Cortison verschrieb und mich den Umgang damit lehrte. In meiner Familie verdanken mehrere Mitglieder diesen Stoffen womöglich ihr Leben.

Mein Vater erlitt 1969 nach einem Muschelgericht eine Anaphylaxie, an der er ohne Cortisonspritze vielleicht gestorben wäre. Sein Bruder / mein Onkel war zeitlebens Allergiker und Asthmatiker, ebenso mein Neffe und ich. Wir wären in früheren Zeiten vermutlich nicht sehr alt geworden. Nur die moderne Medizin ermöglicht es uns, der „natürlichen Auslese“ zu entrinnen.

Meine Ausführungen zu Corticosteroiden würden sich in Ihrer Neuauflage ausmachen wie Fremdkörper. Sie könnten sich damit doch nicht wirklich identifizieren. Die Subtypisierung der MS-Erkrankungen lehnen Sie ebenso kategorisch ab wie die Schubtherapie mit Corticoiden.

Ganz zu schweigen von der Schubprophylaxe mit Beta-Interferonen. (Nebenbei bemerkt, „Betaferon®“ gibt es nur im Singular, die anderen bei MS eingesetzten Beta-Interferone heißen Avonex, CinnoVex, Extavia, Plegridy, Rebif.)

Sie wollen Ihren LeserInnen jetzt eine Dosis von 24 mg Dexamethason zugestehen, etwas mehr als die Hälfte der „offiziellen“ Dexa-Notfalldosis von 40 mg. Damit sagen Sie ein klares „Jain!“ zum Dexamethason, ohne wirklich dahinter zu stehen. So wirken Sie nicht überzeugend.

40 mg müssen es nicht immer sein, außer bei einem Zweizentnermann. Da Frauen und Senioren von vielen Medikamenten geringere Dosen brauchen als Männer, dürfte eine Dosis von 32 mg für den Anfang ausreichen. 24 mg, wenn frau klein und zart ist. Die Grundregel für fast alle Therapien mit Glucocorticoiden lautet:

Für jede Indikation soll innerhalb eines allgemein empfohlenen „Dosierungsfensters“ unter Abwägung von Nutzen und Risiken eine individuelle Dosis für jeden Patienten gefunden werden. Kurz: individualisiert und evidenzbasiert.

Das „Dosierungsfenster“ für Dexamethason ist 40 mg. In diesem Kaliber gibt es auch eine Fertigspritze für den Notfallkoffer. Und im Notfall gibt es bei Dexamethason keine Kontraindikation, nicht einmal Schwangerschaft. Der Fetus hat nichts davon, wenn seine Mutter erstickt.

Sie sollten übrigens in Ihrem Buch nicht „Fortecortin“ schreiben, sondern „Dexamethason“; das Patent ist längst abgelaufen, es gibt -zig Generika von diesem Stoff. Ja, ich weiß, mein Neuro, 15 Jahre jünger als Sie, sagt auch immer noch „Neurontin“ und „Saroten“, wenn er Gabapentin und Amitriptylin meint.

Die Originalpräparate haben aber keine Werbung nötig. Und manches heißt schon in der Schweiz anders als in der EU. Die Nennung des Stoffnamens hilft, Verwirrung zu vermeiden.

Bleiben Sie sich selbst treu, schreiben Sie, was Sie immer geschrieben haben, statt sich auf Ihre alten Tage noch zu verbiegen, und nehmen Sie sich die Freiheit, sich zu manchen Fragen einfach gar nicht zu äußern. (O si tacuisses, philosophus mansisses!)

Wir PatientInnen rezipieren nicht nur e i n Buch oder sonstiges Medium über MS, sondern mehrere; wir holen mehrere Meinungen ein, vergleichen, und behalten das, was wir brauchen können, quasi synkretistisch, und den Rest verwerfen wir.

Nur das Lob der Beck-“Studie“ sollten Sie wirklich ersatzlos streichen, denn die ist einfach nur Murks, so fadenscheinig, wie eine unverblindete „Studie“ mit zwei verschieden starken Stoffen (Prednison vs. Methylprednisolon) nur sein kann.

Die Firma, die der Augenarzt Roy W. Beck 1993, ein Jahr nach dieser Werbemaßnahme, in Tampa, Florida gründete, gibt es immer noch, das „Jaeb Center for Health Research“. Es kürzt sich „JCHR“ ab, was ich fast schon als Blasphemie empfinde.

Dem unkritischen Glauben der Neurologen an die Beck-Studie verdanken womöglich Tausende ehemaliger SchubpatientInnen gravierende Dauerschäden von Osteoporose bis Katarakt. Zu den Beckschen Overkill-Dosen sagt mein Hausarzt schlicht: „Das ist doch viel zu viel!“ Da spricht der gesunde Menschenverstand.

Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen beim Schreiben!
Liebe Grüße
Renate

liebe Renate,

dass ist mal ne Absage, die sich sehen lassen kann!

ich ziehe meinen imaginären Hut und wünsche dir alles gute !

LG

Liebe Renate ,

ich bin begeistert von deinem Text , der kann sich sehen lassen.
Da steckt viel Wissen , Erfahrung und gesunder Menschenverstand dahinter.

So toll fundiert wie immer deine Texte von dir sind.
Und nochmal sei es gesagt , seit deinen ehrlichen und ausführlichen Ausführungen im alten DMSG Forum zu Cortison bin ich “Anhänger” von Dexamethason ,habe meinen Neuro davon überzeugt und fahre erfolgreich seit Jahren bei der Schubbehandlung gut damit.

Mach einfach weiter so und alles Gute

Kazimir

Hallo Ihr Lieben,

herzlichen Dank für euer Lob! Das freut mich wirklich! Ich finde, Doc Weihe sollte sich selbst treu bleiben und sich nicht auf seine alten Tage noch ein paar Ghostwriter-Sätze zu Dexamethason zu eigen machen. Es steht ihm einfach nicht, und es wäre auch nicht wirklich glaubwürdig.

Ich glaube auch nicht, dass bei seinen “Fans” überhaupt ein Bedarf an WW-Stellungnahmen zu Cortisonen oder Interferonen besteht. Seine eigenen Fragen zu diesen Themen, z.B. “Helfen Betaferone”, sind auch nicht nicht wirklich ernst gemeint, es sind nur rhetorische, und er wird seine Einstellung dazu so wenig ändern wie ich die meine.

Wer Fragen zu Dexamethason hat, findet die Antworten im DMSG-Forum oder hier. Ich habe vor drei, vier Jahren mal (bisher) 40.000 Zeichen “FAQ zu Cortisonen bei MS” aufgeschrieben, ursprünglich für die TAG, aber es bleibt immer “work in progress” und wird nie fertig, ich muss immer mal wieder etwas daran aktualisieren oder überarbeiten.

Daher warte ich lieber, bis jemand eine Frage hat, und beantworte sie dann auf dem aktuellen Stand. Heute Abend werde ich aber mal Glotze schauen, “Charité” interessiert mich.

Liebe Grüße
Renate

Hallo renate,

ich findes es immer toll, hier in den Foren , über die verschiedenen Medikamente, Behandlungen und Möglichkeiten zu lesen.

Selbes gilt auch für die verschiedensten Symptome und Wege zur Diagnostik.

ich kann durchaus verstehen, wenn Ärzte zu den Nebenwirkungen der verschiedenen Medikamente schweigen- es kann ja durchaus sein, dass dieser Patient diese nicht bekommt, dennoch scheinen mir manche Ärzte selbst nicht gut genug informiert.

Und das Problem mit den Nebenwirkungen, falschen und nicht gestellten Diagnosen ist für mich, dass der Patient die Folgen tragen muss.

Natürlich haben Ärzte machmal keine andere Wahl und müssen das Risiko in kauf nehmen und manchmal muss abgewägt werden.

Doch wie kann es sein, dass Ärzte sich noch nicht sicher sind welche form der MS sie behandeln und sie Medikamente nutzen, von denen sie nicht wissen ob sie mehr Schaden anrichten werden , als das sie nutzen.

Ich bin immer wieder platt wie unterschiedlich Ärzte zu Kortison stehen.

In Bochum wird es bei so vielen Patienten so hilfreich eingesetzt, so wie ich es bekomme- dieses intrathekale.
Doch so viele erzählen mir von ihrer Unsicherheit, weil ihre Neurologen zu Hause - ihnen von der Behandlung abraten.

Meine Ärztin sagt, es würde Euphorie auslösen und ich würde mich deshalb besser fühlen.

mir tut nur der Rücken weh und ich bin fix und fertig direkt nach der Eingabe, dafür kann ich aber besser laufen und meine Blase rät mich ein paar Wochen denken , ich sei nicht schon 85.

Liebe Renate,

ich drücke dir die Daumen und danke für deine Fakten.

Ich bewundere, dass du dich nicht von solchen … vor den Karren spannen läßt und ihnen hier in aller Öffentlichkeit den und aus den Segeln nimmst.

LG

Hallo MeinLeben,

für Doc Weihe bin ich seit Jahren eine Anti-Figur, an der er sein Profil schärft. Ich habe nicht die Energie, ihm irgendetwas über medikamentöse MS-Therapien beizubringen. Sein Grundsatz ist immer noch: “Ich glaube, was ich will - verwirrt mich nicht mit Fakten.”

Ich könnte ihn mit Fakten überschütten, mir stundenlang Blasen an die Finger tippen, z.B. zu den Unterschieden zwischen NMO und MS, die er ja auch auf vielen NMO-Infoseiten nachlesen könnte - und dann würde von ihm doch nur sein Glaubensbekenntnis kommen: “ES GIBT NUR EINE MS!”

Und wenn ich etwas über Cortisone für seine nächste Auflage schriebe, dann würde ich vermutlich im fertigen Buch meine Sätze nicht wiedererkennen. Dann hätte ich wertvolle Lebenszeit vergeudet, um Wasser in ein Sieb zu schöpfen.

WW hat eine irrsinnige Angst vor Leuten, die, wie ich, selbstständig Cortisontabletten schlucken. Am liebsten würde er “dieses Teufelszeug” ganz verbieten lassen. Während er rezeptfreie Totmacher wie Aspirin, Paracetamol, Thomapyrin verharmlost. Klar, es sterben ja pro Jahr nur 8000 Leute daran.

Nicht nur ich würde solche Sachen am liebsten rezeptpflichtig machen. Während man sich mit einer Überdosis Dexamethason nicht umbringen kann. Wir sehen unter Mitbetroffenen alle naslang, dass auch zierliche Frauen bei der Overkill-Therapie mit 5 x 2.000 mg (Methyl)Prednisolon vollgepumpt werden - und es überleben.

Das geht nur deswegen meistens gut, weil Glucocorticoide zu den ungefährlichsten Medikamenten überhaupt gehören.

So, hier ist Feierabend, Glotz-Abend. “Charité”.
Liebe Grüße
Renate

Hallo Renate
Du scheinst ja den für dich richtigen Weg in Bezug auf die MS gefunden zu haben :slight_smile:

Ich kann mir allerdings nur schwer vorstellen, dass solch niedrige Dosen Dexamethason der breiten Masse helfen würden, wo doch manchmal schon die Overkilldosen nicht den gewünschten Effekt erzielen.

Mit 100 mg Prednisolon täglich bin ich mal versuchsweise gegen einen Schub zu Werke gegangen ; kein Effekt.
Da es ja auch die Weihrauchfraktion gibt, habe ich auch dieses ausprobiert; ebenfalls kein Effekt.

Für Dich scheint Betaferon das Mittel zu sein. Viele klagen jedoch über heftige NW und eine Reduktion der Schübe um ca 30% erscheint mir auch nicht gerade verlockend. In meiner Selbsthilfegruppe haben sich etliche Personen jahrelang Betaferon gespritzt…viele bewegen sich auf der EDSS Skala sehr weit oben.

Ich bin immer noch auf der Suche nach meinem Medi. Erst habe ich Copaxone in die Tonne gekloppt und jetzt stehe ich mit Gilenya auf Kriegsfuß.

Nochmal zum Cortison: Augrund der Tatsache, dass es auch schwere psychische NW hervorrufen kann (Depressionen, Aggressivität, Psychosen …)sollte es meines Erachtens stationär verabreicht werden.
Während einer Behandlung mit 5x1000 Corti, habe ich selbst mal eine Psychose entwickelt.
Das war alles andere als witzig. In solch einer Situation neigt man zu grenzenloser Selbstüberschätzung und kommt auf die verrücktesten Ideen, selbst wenn man eigentlich kaum noch krauchen kann

Nochmal zum Cortison:

Hi Yay,

Dexamethason hat eine andere Wirkstärke und Plasmahalbwertszeit als Methylprendisolon!

Du darfst bie zwei verschiedene Wirkstoffe mit einander vergleichen.

Ich vertrage Dexamethason z.B. um einiges schlechter als Methylprednisolon.
Auch stationär muss ich nicht, denn ich vertrage die Infusionen gut.

Auch das Thema Betaferon mit den 30% Schubreduktion, solltest du mal genauer hinterfragen.

Denn diese 30% kommen aus der Zulassungsstudie, da waren die Schübe in der Betaferongruppe 30% weniger als in der Placebogruppe.

Aber so eine Gruppe bestand aus mehr als einer Person.

Und nun kommt die schöne Verkaufsstatistik, “im Durchschnitt 30% weniger Schübe” diese Aussage ist wahr, aber es wird nicht gesagt, wieviele Probanden Schubfrei waren und wieviele Schübe die anderen hatten.
Auch in der Tecfiderastudie waren sehr viele schbfrei, selbst in der Placebogruppe waren über 50% schubfrei. Das so keine wirkliche Aussage über die Zusammensetzung der Studiengruppen zustandekommt, sollte einem auch klar sein. Gerade wenn es um den Faktor “Schubreduktion” geht.

Bei Gilenya lag die Durchschnittliche Schubreduktion bei ca. 50%, aber wegen den heftigen Nebenwirkungen wurde es dann als Eskalationstherapie zugelassen, in den USA und Schweiz ist es als “Firstline” zugelassen worden.
Auch Tecfidera hat eine durchschnittliche Schubreduktion von ca. 50%… aber anscheinend weniger gefährliche Nebenwirkungen… trotz mehr PML Fälle als Gilenya.

Andere Eskalationstherapien, liegen da bei ca. 80 % Schubreduktion im Durchschnitt…

Und das es je nach Zulassungsbehörde unterschiedliche Ansichten über Medikamente gibt, ist schon lange bekannt. Und beim MS Medikament Zinbryta wird das sehr deutlich. In den USA nur als Reserve nach zwei erfolglosen Therapien zugalassen, kann es in der EU sogar als Firstline eingesetzt werden.
Bei Lemtrada wurden in den USA die Studien als mangelhaft bewertet, in der EU haben die ausgereicht…

Von daher darf man gewisse Studien auch nicht überbewerten.

Und das kein MS Medikament bei allen wirkt ist schon lange bekannt.

http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/neuro-psychiatrische_krankheiten/multiple_sklerose/article/501573/ms-nicht-immer-liegts-immunsystem.html

Und wahrscheinlich gibt es noch mehr unterschiede.

Von daher, kann es lange dauern, bis man das für sich richtige Medikament gefunden hat.

Grüße
Lucy

Hallo Yay,

“Ich kann mir allerdings nur schwer vorstellen, dass solch niedrige Dosen Dexamethason der breiten Masse helfen würden, wo doch manchmal schon die Overkilldosen nicht den gewünschten Effekt erzielen.”

  • eine “breite Masse” gibt es weder bei den verschiedenen MSen, noch bei der Behandlung mit Corticoiden. Jede Cortisonbehandlung ist individualisiert und evidenzbasiert durchzuführen.

Die Notfalldosis von 40 mg Dexamethason ist nicht “niedrig”, sondern das 40-fache der körpereigenen Cortisol-Tagesproduktion, das 40-fache der Erhaltungsdosis bei Morbus Addison, und etwa 300 mg Prednisolon äquivalent. Das ist keine niedrige, sondern eine hohe Dosis.

Da die Overkill-Dosen mehr schaden als nützen, und Prednisolon eine Hypokaliämie mit Muskelschwäche und Herzrasen hervorrufen kann, ist es gut möglich, dass sich der Zustand dadurch verschlechtert.

“Mit 100 mg Prednisolon täglich bin ich mal versuchsweise gegen einen Schub zu Werke gegangen ; kein Effekt.
Da es ja auch die Weihrauchfraktion gibt, habe ich auch dieses ausprobiert; ebenfalls kein Effekt.”

  • 100 mg Prednisolon pro Tag sind etwa 14 mg Dexamethason äquivalent, das halte ich für zu wenig bei einem Schub. Prednisolon ist auch schlechter liquorgängig als Dexamethason (das sogar plazentagängig ist - CAVE bei Schwangeren!)

Und mit Weihrauch kenne ich mich gar nicht aus, in katholischen Kirchen brachte er mich immer zum Husten.

“Für Dich scheint Betaferon das Mittel zu sein.”

  • Es scheint nicht nur, es ist. Ich habe es selbst ausgewählt und spritze es seit 12 Jahren.

“Viele klagen jedoch über heftige NW”

  • Da wir alle verschieden sind, reagieren wir auch auf Medikamente ganz unterschiedlich. Die Grippesymptome der Interferone sind seit 25 Jahren bekannt. Die körpereigenen Interferone verursachen diese Symptome ebenso. Wenn du schon mal eine Influenza hattest, weißt du, wie sich Interferone anfühlen.

Ich habe etwa bei der vierten Betaferon-Spritze das Ibuprofen vergessen und gemerkt, dass ich es gar nicht brauchte. Außerdem sind NSAR bei mit kontraindiziert (wegen Marcumarisierung).

“und eine Reduktion der Schübe um ca 30% erscheint mir auch nicht gerade verlockend.”

  • Das ist ein Durchschnittswert. Beim einen Patienten reduziert es die Schübe gar nicht, dem nächsten erspart es einen von drei Schüben, beim übernächsten bleiben die Schübe ganz aus. Ich bin der übernächste.

“In meiner Selbsthilfegruppe haben sich etliche Personen jahrelang Betaferon gespritzt…viele bewegen sich auf der EDSS Skala sehr weit oben.”

  • Wo ich bin, ist oben (auf der EDSS-Skala). Ich war schon bei der Diagnose schwerbehindert (GdB 80 ab Diagnose); wie es mir gehen würde, wenn ich zwei Jahre früher mit der BT angefangen hätte, lässt sich nicht sagen. Bei uns sagt man: Der “Hätte” und der “Wäre” sind gestorben.

“Ich bin immer noch auf der Suche nach meinem Medi. Erst habe ich Copaxone in die Tonne gekloppt und jetzt stehe ich mit Gilenya auf Kriegsfuß.”

“Nochmal zum Cortison: Augrund der Tatsache, dass es auch schwere psychische NW hervorrufen kann (Depressionen, Aggressivität, Psychosen …)sollte es meines Erachtens stationär verabreicht werden.”

  • Mit “schweren psychischen Nebenwirkungen” kann ich nicht aufwarten. Die hätte ich wohl schon bei meiner ersten Cortisonbehandlung vor über 45 Jahren kriegen müssen. Da war ich etwa 16.

Leider kann ich mich nicht mehr erinnern, ob ich damals irgendwelche bizarren Psycho-Nebenwirkungen hatte. Overkill-Dosen kannte man damals allerdings nicht. Das war mindestens 20 Jahre vor dem Scharlatan Roy W. Beck.

Ich weiß nur noch, dass die Atemnot, der Husten und die chronische allergische Bronchitis unter Delphicort® aufhörten, und ich mich nach Jahren der Quälerei besser fühlte und allmählich erholte. Endlich mal wieder frei atmen zu können, das war für mich das Höchste der Gefühle!

Von der stationären Behandlung kann ich nur abraten. Mit einer Immunsuppression ist man zu Hause besser aufgehoben als inmitten von resistenten Klinikerregern, schnarchenden BettnachbarInnen und Wecken um halb sieben.

Von meinem Diagnose-Schub brachte ich nur eine hartnäckige Blasenentzündung mit nach Hause. Eine Assistenzärztin sagte mir damals im KH: “Die hat bei uns jede.” Na bravo. Meine Devise: Wer sich ins Krankenhaus begibt, kommt dort um.

“Während einer Behandlung mit 5x1000 Corti, habe ich selbst mal eine Psychose entwickelt.
Das war alles andere als witzig.”

Das glaube ich dir aufs Wort! Ich zweifle gewiss nicht an den psychischen Nebenwirkungen einer Overkill-Dosis, nur waren für mich in erster Linie die Nebenwirkungen auf meinen Elektrolythaushalt am schlimmsten, die mich fast auf die Intensivstation gebracht hätten.

Seither kämpfe ich gegen diesen lebensgefährlichen und gesundheitsschädlichen Unsinn nach .Roy W. Beck. Ich konnte schon vielen Mut machen, es mal mit einer normalen Dosis zu versuchen, z.B. mit 32 mg Dexamethason oral. Natürlich hilft das auch nicht allen, aber es richtet jedenfalls weniger Schaden an als die Overkill-Therapie.

Liebe Grüße
Renate

Hallo Renate und Lucy

Ich finde eure Beiträge immer so herrlich ehrlich und fachlich sowie menschlich sehr lesenswert.
Danke dafür
Tina

Danke für den Applaus!

Hallo Lucy und Renate,

vielen Dank für Eure ausführlichen Antworten!

Liebe Grüße & einen schönen Abend

“für Doc Weihe bin ich seit Jahren eine Anti-Figur, an der er sein Profil schärft.”

Liebe Renate, ich habe zwischenzeitlich einen anderen Eindruck von Weihes “Blick auf dich” gewonnen.

Er ist doch voll des Lobes für dein Wissen über Cortison, oder meinst du das ist nur irgendwie vorgeschoben?

Wie dem auch sei, eure “Geschichte” dauert schon viel länger als meine Anwesenheit in diversen MS-Foren, so dass ich den Anfang gar nicht kenne.

Neulich schrieb ich hier, dass ich es trotz allem sehr spannend und konstruktiv fände, euch beide mal in einer Diskussion im gleichen Forum, egal welchem, zu erleben.

Und dies nicht, um irgendeine virtuelle Zänkerei oder Schlammschlacht mitzulesen, sondern eine konstruktiv-kritische Diskussion.

Hallo Renate, ich finde deinen langen Beitrag an WW ganz hervorragend und auch, dass du
dich nicht vor seinen Karren spannen läßt–Du hast meinen vollen Respekt

Auch deine Beiträge, Lucy, finde ich immer wieder sehr gut und auch toll, dass du dir immer
wieder die Zeit nimmst, hier Fragen zu beantworten.
Danke dafür.

Habe selbst ppMS und viele Vernarbungen im Groß-, Kleinhirn und der HWS.
Zur prophylaktischen Schadensbegrenzung, falls denn möglich, bekomme ich Cortison Pulstherapie.
Also alle 3 Monate für 3 Tage, jeweils pro Tag 1000mg Methylprednisolut per Infusion, ambulant.

Das nun seit gut 5 Jahren, vertrage es auch gut.
Kann danach gut 2 Monate wieder besser laufen, habe weniger Spastiken, weniger neuropath. Schmerzen,
weniger Fatigue usw.

Natürlich bekomme ich alle 3 Monate umfangreiche Laboruntersuchungen, bisher alles gut.
Zur Osteoporose Prophylaxe nehme ich täglich 1200mg Calcium und Vitamin D3.

Vor 3 Jahren hatte ich mal Urbason, weil die Apotheke Lieferprobleme hatte, vor Weihnachten '16 auch.
Beide male hatte ich 2 Tage nach Ende der Infusionen heftigste Nebenwirkungen.
Vor 3 Jahren dachten wir noch an Zufall, aber da es letzten Dezember wieder so war, kann es
kein Zufall sein.

So nehme ich in Zukunft ausschließlich noch Methylprednisolut, das vertrage ich problemlos.

Wer Schreibfehler findet, darf sie behalten, mag nicht mehr Korrekturlesen.

LG, Curry

Hallo Amy,

Schlammschlachten finde ich nicht zielführend. Aber ich hätte ihn schon gerne mal gefragt, warum er trotz der reichlich vorliegenden Beweise nicht bereit ist, die NMO als eigenständige Krankheit anzuerkennen.

NMO-PatientInnen, die fälschlich mit MS diagnostiziert und mit MS-Medikamenten behandelt wurden, berichten von dramatischen Verschlechterungen. Es ist also schlicht gefährlich, die NMO mit einer MS zu verwechseln.

Wahrscheinlich musste WW sich in seiner aktiven Zeit um so etwas nicht kümmern, weil er nur Patienten hatte, die weder mit MS-Medikamenten noch mit Cortisonen behandelt wurden.

Liebe Grüße
Renate

Hallo Curry,

"Vor 3 Jahren hatte ich mal Urbason, weil die Apotheke Lieferprobleme hatte, vor Weihnachten '16 auch.
Beide male hatte ich 2 Tage nach Ende der Infusionen heftigste Nebenwirkungen.
Vor 3 Jahren dachten wir noch an Zufall, aber da es letzten Dezember wieder so war, kann es
kein Zufall sein.

So nehme ich in Zukunft ausschließlich noch Methylprednisolut, das vertrage ich problemlos."

  • so leid’s mir tut, “Urbason” ist einer der Handelsnamen von Methylprednisolon, und Methylprednisolut ist auch einer. Siehe hier unter Handelsnamen: https://de.wikipedia.org/wiki/Methylprednisolon . Sie unterscheiden sich wie Amitriptylin von Saroten, nämlich gar nicht.

Deswegen befürworte ich, immer die Stoffnamen und nicht die Handelsnamen anzugeben, vor allem bei alten Medis, deren Patent längst abgelaufen ist. Also nicht “Fortecortin”, sondern “Dexamethason” zu sagen.

Die unterschiedliche Verträglichkeit kann andere Ursachen haben: wie schnell die Infusion reingelaufen ist, mit welcher Lösung sie zubereitet wurde (Glucose, Kochsalz, Ringerlösung …), was du davor gegessen hast (Eier mit Schinken, Bananen …), an welcher Stelle (nur für Frauen) deines Monatszyklus du warst (vor oder nach dem Eisprung …), kurzum, es gibt eine Menge Faktoren, von denen die Verträglichkeit abhängt.

Mit der Wikipedia kannst du oft die Stoff- und Handelsnamen herausfinden. Gib “Neurontin” ein, und du wirst weitergeleitet zu “Gabapentin”. Von “Saroten” zu “Amitriptylin”. Von “Fortecortin” zu “Dexamethason” (naja, wenigstens mit der Volltextsuche). Ganz einfach.

Liebe Grüße
Renate

Hallo Curry sorry ganz anderes Thema. Ich wollte dich schon lange fragen ob dir die systane Balance Augentropfen geholfen haben. Mir helfen die immer noch super.
LG Kitty

Hallo Kitty,

warum öffnest du nicht einfach einen neuen Thread und adressierst ihn in der Überschrift an Curry? Wir sind hier nicht doch bei den MS-Ufos, wo in einem Thread fünfmal das Thema gewechselt wird, weil keine/s sich traut, einen neuen zu eröffnen.

Hier sollten wir uns an die Regel: Neues Thema = neuer Thread halten.

Liebe Grüße
Renate

Hallo Renate, mein Neuro hat beim 1.x Urbason auch gesagt, kann nicht sein.
Dachte da ja dann auch, es war Zufall, dass ich so heftig darauf reagiert habe.

Als es dann beim 2.x wieder so krass war, habe ich das nicht mehr geglaubt,
da ich so etwas nie hatte, aber eben komischerweise sonst nie hatte.
Kann das da noch Zufall sein?

Habe dann im Januar mit meinem Schmerztherapeuten darüber gesprochen,
er ist auch Anästhesist und hat dann im Internet geschaut.

Er meinte, beides sei zwar Methylprednisolon, aber Urbason wird wohl etwas
anders zubereitet und es könnte deshalb tatsächlich möglich sein, dass ich
so paradox darauf reagiert habe.

LG, Curry

Hallo Kitty, nehme diese Augentropfen immer noch, wenn die Augen
extrem trocken sind und das Fremdkörpergefühl stark ist.
Das war echt ein guter Tipp, danke.

Sonst nehme ich auch Bepanthen Augentropfen.
Die helfen aber leider nicht immer.

LG, Curry