Hallo,
habe seit kurzem die Diagnose MS erhalten. Werden momentan mit Informationen von verschiedensten Basistherapien überschüttet. Aber für welche soll ich mich entscheiden? Habe einige Broschüren bekommen, den Rest muss ich mir aus dem Internet raussuchen, was nicht unbedingt einfacher ist.
Bin gerade etwas sehr hilfslos und fühl mich alleine gelassen.
Kann mich jmd in dem Bezug etwas aufklären?

Bin für alles sehr Dankbar!
Lg Sanne

Hi Sanne,

Aktuelle Übersicht über die Medikamente:
http://www.dmsg-hamburg.de/wp-content/uploads/2015/08/ISDIMS_Immuntherapien-MS_Neufassung_Maerz_2013.pdf

Im Grunde zeigt diese Broschüre auf, wie schlecht die Zulassungsdatenlage von MS Medikamenten ist.

Wichtig ist, keiner kann dir sagen, welches vielleicht wirkt oder nicht, oder welche Nebenwirkungen vielleicht bei dir auftreten.

Jeder hat seine eigene MS.

In dieser Broschüre sind fast alle aktuellen zusammengefasst:
http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/wp-content/uploads/2016/11/KKNMS_Handbuch_Gesamtausgabe_verknüpft_20160914_webfrei.pdf

Aktuell sind für die schubförmige MS (milder Verlauf) folgende Wirkstoffe zugelassen:

  • Avonex, Rebif , beides Interferon Beta 1a und (Plegridy) Peginterferon Beta 1a.
    Das Plegridy ist das gleiche wie Avonex, aber in Polyethylenglycol verpackt, somit wird es langsamer freigesetzt.
    Das Interferon Beta 1a entspricht dem körpereigenen Interferon Beta.

  • Betaferon und Extavia beides Interferon Beta 1b, das ist ein Interferon das neben dem körpereigenen noch einen Anhang hat.

Bei den Interferonen ist nur wichtig, je selterner die gespritzt werden, um so heftiger sind die Nebenwirkungen beim Spritzen. Zu den einzelnen Stoffen kannst du hier auch viel nachlesen.

http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/wp-content/uploads/2016/11/KKNMS_Patientenaufklärung_Interferon-beta_2016_Webfrei.pdf

  • Copaxone ist ein Glatirameracetat das ist ein Gemisch synthetischer Polypeptide aus den Aminosäuren Glutaminsäure, Lysin, Alanin und Tyrosin (GLAT). Es gibt es täglich und 3x die Woche.

http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/wp-content/uploads/2016/11/KKNMS_Patientenaufklärung-Glatirameracetat_2016_Webfrei.pdf

  • Tecfidera mit Dimethylfumarat als Wirkstoff, dazu kannst du im Forum viel lesen, und ganz so risikoarm wie gedacht ist es auch nicht.
    Am Anfang wurde es als fast Nebenwirkungsfreie MS Therapie verkauft, aber nun gab es schon mehrere Todesfällen wegen einer PML. Unter dem ähnlichen Medikament Fumaderm gibt es schon mehrer PML Fälle. Pharmakologen ordnen Tecfidera als Immunsuppressiva ein, die Neurologen als ehr harmlosen Modulator. Gerade bei Folgetherapien kann diese Unterscheidung sehr wichtig sein.

http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/wp-content/uploads/2016/11/KKNMS_Patientenaufklärung_Dimethylfumarat_201607_Webfrei.pdf

Wegen der PML Fälle wurden die Lymphozytengrenzen nach oben gesetzt:
Die Infos dazu sind hier zusammengefasst:
http://www.psoriasis-netz.de/medikamente/fumaersaeure/fumaderm-neuer-grenzwert.html
Und hier noch mehr:
http://www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/news_and_events/news/2015/10/news_detail_002423.jsp&mid=WC0b01ac058004d5c1

  • Aubagio ist Teriflunomid und kommt aus dem Rheumabereich (Leflunomid https://de.wikipedia.org/wiki/Leflunomid ). Zudem ist es ein Immunsuppressivum, was sich negativ auf andere Therapien auswirken könnte, wenn diese nicht mehr ausreicht.
    Und wenn du noch ein Kind möchtest, ist hier besondere Vorsicht geboten, da Aubagio fruchtschädigend ist.

http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/wp-content/uploads/2016/11/KKNMS_Patientenaufklärung_Teriflunomid_2016_Webfrei.pdf
Aubagio und Tecfidera sind beides Tabletten, wobei man dafür einen guten und starken Magen braucht.

  • Ganz neu auf dem Markt ist noch Daclizumab unter dem Namen Zinbryta.
    Viele Infos gibt es dazu im Netz noch nicht, von der Zulassung her, ist es auch für die milde Form der schubförmigen MS zugelassen, wobei die DGN Zinbryta ehr als Eskalationsherapie sieht, also für eine (hoch-) aktive MS.

https://www.dmsg.de/multiple-sklerose-news/leben-mit-ms/zulassung-von-daclizumab-hyp-fuer-die-behandlung-der-schubfoermigen-multiplen-sklerose-erfolgt-in-de/

Vor allem sollte man bei Daclizumab wissen, dass es in den USA nur als Reserve zugelassen worden ist, wenn schon mind. zwei andere Therapien versagt haben. Der Grund sind die Nebenwirkungen.

http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/wp-content/uploads/2016/11/KKNMS_Handbuch_Daclizumab_2016_webfrei.pdf

http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/wp-content/uploads/2016/11/KKNMS_Patientenaufklärung_Daclizumab_20160922_webfrei.pdf

Und keine Therapie wirkt sofort, sondern braucht Monate bis vielleicht eine Schutzwirkung aufgebaut ist.

Meist wird nach 6 Monaten ein MRT gemacht, dass dient dann als Ausgangswert für ein weiteres MRT nochmal 12 Monate später.

Bevor du dich für eine Therapie entscheidest, informiere dich ausführlich und lass dich von dem Arzt beraten.

Die Aufklärung muss von einem Arzt erfolgen, das ist keine Aufgabe der MS Schwester oder Arzthelferin.

Oft heißt es probieren und Glück haben, oder halt weiter probieren.

Und wenn die MS ruhig ist, heißt es noch nicht mal, dass das Medikament wirkt, denn selbst in den Zulassungstudien haben teilweise 50% der Placebogruppe auch über zwei Jahre keine Schübe…

Grüße
Lucy

Danke für deine schnelle Antwort. Sitz schon den ganzen nachmittag vorm Laptop und lese alles durch… Aber irgendwie komm ich auf keinen Nenner…
Habe drei Jobs die ich wahnsinnig gerne mache (habe mir wirklich den Luxus geschaffen, dass ich das machen kann was mir spaß macht!).
Bin jetzt einfach nur sehr verunsichert, da ich viel unterwegs bin. Ich war nie krank. Das macht mich auch fertig, das rumsitzen und nicht arbeiten zu können.
Was dazu kommt, habe letztes Jahr 2 x Kortison im KH bekommen, einmal 1g u dann 2 g, alles was es an Nebenwirkungen gab und noch viel mehr hab ich sofort mitgenommen. Habe seit dem Dauerkopfschmerzen mit Übelkeit u Erbrechen, fast täglich.
Diese Woche wieder 3x Kortison Infusion u es beginnt wieder alles von neuem.
An sich habe ich als Beschwerden nur die Dauerkopfschmerzen und eine Sehminderung des linken Auges. Habe einfach mega Schiss davor was auf mich zu kommt. Bin normalerweise ein fröhlicher, optimistischer Mensch, der immer an das Gute glaubt. nur irgendwie hab ich das Gefühl grade meine Hoffnung zu verlieren.

Danke, ich musste das grade einfach los werden.
Lg Sanne

Hi Sanne,

Kopfschmerzen kommen zwar bei MSlern häufiger vor, haben aber meist mit der MS nur wenig zu tun.

Das Kortison ist nach wenigen Tagen wieder aus dem Körper raus, bis ich dann alles, vorallem der Mineralsotoffhaushalt normalisiert hat, geht es dann nochmal ein paar Tage.

Wenn das länger anhält, sollte das auch abgeklärt werden. Vor allem in Richtung Migräne.

Im Grunde kann man auch mit der MS Diagnose ganz normal weiter machen, auch was die Arbeit angeht.

Aber die Entscheidung, ob und welches Medikament musst du alleine treffen.

Und wie es dann mit den Nebenwirkungen ist, kann dir auch keiner sagen.

Zwar heißt es häufig, die Nebenwirkungen verschwinden mit der Zeit, aber dass muss nicht sein und mit der Zeit kann auch Jahre bedeuten.

Grüße
Lucy

Hi Sanne,

mach dich nicht verrückt - am Anfang prasselt alles auf einen ein und man ist überfordert. War bei mir auch so.

Ich hatte aber einen guten Neurologen, der hat meine Entscheidung für Basistherapien recht vereinfacht. Normal wäre eine Therapie mit Interferon, ich bekam eine Tabelle mit möglichen Medikamenten/Spritzen und wann man welche nehmen muss.
Ich habe mich dann für Rebif entschieden, das spritzt man einfach unter die Haut (Bein, Po, Bauch) und das 3x die Woche.

Bin damit seit meinem Diagnoseschub vor 5 Jahren schubfrei, ohne jegliche Probleme. Keine Ahnung ob das Rebif da was geholfen hat aber es gibt für mich keinen Grund das abzusetzen.

Alle 2 Jahre mache ich ein Kontroll-MRT - im besten Falle ist das unverändert.

Also Kopf hoch…

bye, Nils

Hallo Sanne,

ich spritze seit meinem Diagnose-Schub im März 2005 Betaferon. Als ich dann im Mai 05 zum ersten Mal zu meinem niedergelassenen Neuro kam, musste ich ihn erst davon überzeugen; wie die meisten Neuros hätte er die damaligen Blockbuster Avonex oder Copaxone bevorzugt, aber ich habe gegen beides Kontraindikationen.

Betaferon spritze ich jetzt seit fast 12 Jahren und hatte seither nur noch einen Schub - in einer Spritzpause. Sonst hatte ich in keinem Kontroll-MRT mehr eine Schrankenstörung. Ich mache etwa einmal im Jahr eines.

Vor Kontrastmittel im Gehirn habe ich keine Angst, da ich nur beim Diagnose-Schub eine Schrankenstörung hatte, dann nicht mehr. KM ist also seither nicht mehr ins Gehirn gelangt.

Ich hätte auch gerne Rebif genommen, weil das Interferon-beta 1a dem körpereigenen Interferon genau gleicht, während das Interferon-beta 1b leicht davon abweicht. Aber Rebif enthält chemische Zusätze (ein Tensid und ein Konservierungsmittel) und ist pH-sauer, während Betaferon pH-neutral ist und als Trockensubstanz mit Salzwasser in den Handel kommt.

Ich vertrage das Betaferon immer noch gut; es ist seit fast 25 Jahren in Gebrauch, sodass man auch Bescheid weiß, dass es langfristig sicher ist.

Liebe Grüße
Renate

Hallo,

habe bereits einiges gelesen und mir dabei den Kopf fast zermartert…
Tabletten kommen nicht in Frage, da ich echt mega Schwierigkeiten haben sogar die Kleinsten hinunter zu bekommen, deshalb spritzen…
Aber was nun, Doc meinte Cobaxone. Werd das dann wohl ausprobieren… Aber in meinem Kopf springt immer noch alles. Mein Körper reagiert leider so ziemlich auf alles was in ihn rein kommt mit allen möglichen Nebenwirkungen, auch wenn sie laut Beibackzettel nur sehr sehr selten vorkommen…
Fange erst in 4 Wochen damit an, da ich zuvor noch auf Fortbildung unterwegs bin,und er meinte ich sollte dann schon “in der Nähe” sein :wink: fand ich nett ausgedrückt.
4 Wochen noch Kopf zerbrechen, wie es wird… was sich mein Körper dann alles an tun wird… oder was er abstößt…
Warten ist eine Tugend oder so… Die habe ich glaub ich nicht mehr.

Es tut gut, danke das ich hier einfach meine Gedanken schreiben kann und so viele aufmunternde und hilfreiche Antworten bekomme.

DANKE

“…einfach meine Gedanken schreiben…”

Genau dafür ist ein Forum ja da :slight_smile:

Mir hat es auch schon oft gut getan, in MS Foren die Ratschläge, aber auch die Leiden, anderer MSler zu lesen. Das hat mir geholfen, mein Chaos im Kopf zu ordnen, meine persönliche Situation zu bewerten. Oder einfach mal die Depressionen loszuwerden, indem man sich mal die Seele vom Leib schreibt. Du bist definitiv nicht alleine. Wie es Dir gerade geht, ging und geht es vielen Anderen auch. Das ist leider kein großer Trost.

Ich habe 10 Jahre lang Avonex genommen, weil es mir im Grunde gut ging (Arbeit = OK, sogar Sport = OK). Und ich wollte nur 1x pro Woche an den Sch… erinnert werden. Die Nebenwirkungen waren 3 Monate lang heavy, aber eben nur 1x pro Woche. Nach 10 Jahren gabe es leider immer noch Nebenwirkungen und die MS wurde ganz plötzlich sehr viel schlimmer. Sehr starke Fatique, starke Konzentrationsprobleme (schlecht für meinen Job) und die Beine wurde sehr schwer und schlapp. Nix mehr mit Sport. Für mich damals eine totale Katastrophe. Aber wenn ich vom Leid anderer MSler lese, ist das geradezu lachhaft.

Jedenfalls folgte ein Wechsel zu Copxone. Mist… jeden Tag :frowning: Immerhin keine Nebenwirkungen mehr bei mir. Jetzt 3x pro Woche, auch OK. Die MS “ruht” gerade. Seit Jahren keine Verschlechterung. Lag es am Medi-Wechsel? Oder ist das Zufall? Die Angst, dass der nächste große Schlag kommt, wie bei Avonex nach 10 J, ist sehr groß. Und dann? Rollstuhl? Kein Job mehr? Sch… ich habe eine Familie zu ernähren und ich WILL arbeiten und ich WILL “normal” Leben.

Aber kannst nix machen. Muss man lernen mit zu leben. Und wie gesagt. Anderen geht es viel schlimmer. Aber es gibt auch viele, denen geht es 20, 30 Jahre lang gut. Mit oder ohne Medis alles akzeptabell. Die schreiben nur nicht so viel in Foren :slight_smile: Vielleicht gehörst Du ja zu denen?

Ich versuche so positiv wie möglich zu denken. Bspw. Sport geht nicht mehr? Ok, aber Trainer geht noch. Also eben das. Powern im Job geht nicht mehr? Ok, aber immerhin habe ich noch einen einigermaßen guten Job. Viele Harz4ler würden gerne tauschen. usw. Positiv Denken hilft nicht immer, aber oft.

Vielleicht hilft Dir ja auch der Besuch einer der vielen Selbsthilfegruppen. Gerade jetzt am Anfang.
Persönlicher Kontakt ist wesentlich “intensiver”.

Auf jeden Fall wünsche ich Dir einen harmlosen und entspannten Verlauf… Kop hoch :wink:

Gruß
100proof

100proof

Vielen Dank für deine Worte.
Mach mir schon ziemlich viele Gedanken, hab mir echt ein schönes Leben aufgebaut. Jahrelang 7 Tage Wochen und mehrere Jobs. Jetzt kann ich mir aussuchen was ich tun möchte. Und das soll alles so wegfallen??? AHHH

Naja eigentlich bin ich auch ein positiv Denker… Kleine Schwierigkeit ist einfach nur ich bin Therapeutin und in der Neurologie tätig. Natürlich auch viele MSler… Die die auf Reha kommen, sind halt immer schon recht heftig betroffen. Wir bringen sie aber immer auch wieder weiter oder hoch :wink: , je nachdem wie man es nennen will.

Hab mich für Spritzen entschieden, werde aber erst Mitte Februar anfangen, bin davor noch auf Fortbildung und mein Neuro hat gemeint, da ich ja auf alles reagiere, und das nicht zu wenig hätt er mich gerne in der Nähe. Find ich auch gut so.

Mach mir halt nur Gedanken, ob ich so weiter leben kann??? Ich wünsche es mir wirklich so sehr.
Ich meine die Diagnose ist akzeptiert, die regelmäßigen Spritzen - krieg ich irgendwie hin. Aber die Nebenwirkungen - die ich noch nicht kenne, oder vielleicht auch nicht bekomme - *hoffe sooooooo sehr, das ich zu den Glücklichen gehöre. Das macht mir Bauchschmerzen und noch mehr Kopfschmerzen… Das ist grad einfach nervig. Das Warten halt.

Selbsthilfegruppen hab ich in meiner Nähe schon mal geschaut,aber irgendwie helfen mir grad meine Kollegen und Freunde ziemlich viel, und habe ein bisschen Angst, dass wenn ich da hingehem meine Gedanken und mein Kopfchaos weiter geht, oder es mich runter zieht. Hab mich grad wieder richtig im Griff und alles akzeptiert.

Fragen über Fragen, Gedanken über Gedanken…
Das Leben ist soo schön. Abwarten was kommt. Es geht immer weiter.

Danke dir und auch allen hier für die Infos und Antworten.
Tut sehr gut, auch wenn ich nicht jeden Tag reinschaue.

Lg Sanne