Guten Morgen. Ich stehe jetzt vor der schweren Entscheidung, was für ein Medikament ich nehmen soll. Zur Auswahl stehen: Beta-Interferon 1x alle 2 Wochen), Betaferon (ist das wirklich was anderes? ) und Copaxone (3x pro Woche). Die Beipackzettel sind ja gruselig und ich überlege ernsthaft erstmal abzuwarten. Denn der bisher einzige Schub den ich hatte, war ja wirklich gering. Da weiß ich nicht was schlimmer ist, ein weiterer leichter Schub oder diese Nebenwirkungen (klar, niemand weiß wann und wie der nächste Schub kommt). Zum Teil sind Nebenwirkungen dabei, die man mit den Präparaten ja genau vermeiden möchte, wie zb Gefühlsstörung der Haut… Nimmt jemand was von den oben genannten?

Hi Naddy,

hast du die gesicherte Diagnose MS oder steht noch die Diagnose CIS?

Grüße
Lucy

Man sprach von Anfang an von MS, schon seit den MRTs. Liquor und Blut waren aber unauffällig

Hi Naddy,

da dir nur drei von mehreren Medikamenten genannt worden sind, gibt es hier mal eine komplette Übersicht.

Aktuelle Übersicht über die Studien zu den Medikamente:
http://www.ms-netz-hamburg.de/wp-content/uploads/2014/06/ISDIMS_Immuntherapien-MS_Neufassung_Maerz_2013.pdf

Im Grunde zeigt diese Broschüre auf, wie schlecht die Zulassungsdatenlage von MS Medikamenten ist.

Wichtig ist, keiner kann dir sagen, welches vielleicht wirkt oder nicht, oder welche Nebenwirkungen vielleicht bei dir auftreten.

Jeder hat seine eigene MS.

In dieser Broschüre sind fast alle aktuellen zusammengefasst:
http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/images/stories/PDF_Dateien/kknms_handbuch_gesamtausgabe_verknpft_20160914_webfrei.pdf

Aktuell sind für die schubförmige MS (milder Verlauf) folgende Wirkstoffe zugelassen:

  • Avonex, Rebif , beides Interferon Beta 1a und (Plegridy) Peginterferon Beta 1a.
    Das Plegridy ist das gleiche wie Avonex, aber in Polyethylenglycol verpackt, somit wird es langsamer freigesetzt.
    Das Interferon Beta 1a entspricht dem körpereigenen Interferon Beta.
    Polyethylenglycol ist ein biologisch abbaubarer Kunststoff.

  • Betaferon und Extavia beides Interferon Beta 1b, das ist ein Interferon das neben dem körpereigenen noch einen Anhang hat.

Bei den Interferonen ist nur wichtig, je selterner die gespritzt werden, um so heftiger sind die Nebenwirkungen beim Spritzen. Zu den einzelnen Stoffen kannst du hier auch viel nachlesen.

http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/images/stories/PDF_Dateien/kknms_patientenaufklrung_interferon-beta_2015_frei.pdf

  • Copaxone ist ein Glatirameracetat das ist ein Gemisch synthetischer Polypeptide aus den Aminosäuren Glutaminsäure, Lysin, Alanin und Tyrosin (GLAT). Es gibt es täglich und 3x die Woche.

http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/images/stories/PDF_Dateien/kknms_patientenaufklrung_glatirameracetat_2015_frei.pdf

  • Tecfidera mit Dimethylfumarat als Wirkstoff, dazu kannst du im Forum viel lesen, und ganz so risikoarm wie gedacht ist es auch nicht.
    Am Anfang wurde es als fast Nebenwirkungsfreie MS Therapie verkauft, aber nun gab es schon mehrere Todesfällen wegen einer PML. Unter dem ähnlichen Medikament Fumaderm gibt es schon mehrer PML Fälle. Pharmakologen ordnen Tecfidera als Immunsuppressiva ein, die Neurologen als ehr harmlosen Modulator. Gerade bei Folgetherapien kann diese Unterscheidung sehr wichtig sein.

http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/images/stories/PDF_Dateien/kknms_patientenaufklrung_dimethylfumarat_2015_webfrei.pdf

Wegen der PML Fälle wurden die Lymphozytengrenzen nach oben gesetzt:
Die Infos dazu sind hier zusammengefasst:
http://www.psoriasis-netz.de/medikamente/fumaersaeure/fumaderm-neuer-grenzwert.html
Und hier noch mehr:
http://www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/news_and_events/news/2015/10/news_detail_002423.jsp&mid=WC0b01ac058004d5c1

  • Aubagio ist Teriflunomid und kommt aus dem Rheumabereich (Leflunomid https://de.wikipedia.org/wiki/Leflunomid ). Zudem ist es ein Immunsuppressivum, was sich negativ auf andere Therapien auswirken könnte, wenn diese nicht mehr ausreicht.
    Und wenn du noch ein Kind möchtest, ist hier besondere Vorsicht geboten, da Aubagio fruchtschädigend ist.

http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/images/stories/PDF_Dateien/kknms_patientenaufklrung_teriflunomid_2015_webfrei.pdf

Aubagio und Tecfidera sind beides Tabletten, wobei man dafür einen guten und starken Magen braucht.

  • Ganz neu auf dem Markt ist noch Daclizumab unter dem Namen Zinbryta.
    Viele Infos gibt es dazu im Nezt noch nicht.

https://www.dmsg.de/multiple-sklerose-news/leben-mit-ms/zulassung-von-daclizumab-hyp-fuer-die-behandlung-der-schubfoermigen-multiplen-sklerose-erfolgt-in-de/

Vor allem sollte man bei Daclizumab wissen, dass es in den USA nur als Reserve zugelassen worden ist, wenn schon mind. zwei andere Therapien versagt haben. Der Grund sind die Nebenwirkungen.

http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/images/stories/PDF_Dateien/kknms_patientenaufklrung_daclizumab_20160922_webfrei.pdf

Und keine Therapie wirkt sofort, sondern braucht Monate bis vielleicht eine Schutzwirkung aufgebaut ist.

Meist wird nach 6 Monaten ein MRT gemacht, dass dient dann als Ausgangswert für ein weiteres MRT nochmal 12 Monate später.

Bevor du dich für eine Therapie entscheidest, informiere dich ausführlich und lass dich von dem Arzt beraten.

Die Aufklärung muss von einem Arzt erfolgen, das ist keine Aufgabe der MS Schwester oder Arzthelferin.

Grüße
Lucy

Ich finde es interessant, dass dein Neurologe dir nur Medikamente vorgeschlagen hat, die zu spritzen sind. Mir wurden vor 3 Monaten nur Tecfidera und Aubagio zur Auswahl gegeben. Da scheinen die Meinungen der Ärzte auseinander zu gehen.

Hi tournesol,

wenn nur die Tabletten empfohlen werden, ist das ganuso falsch, wie nur die Spritzen.

Wobei für ein CIS nur die Spritzen zugelassen sind, daher auch die Frage.

Und die Tabletten sind zwar neuer und praktischer, aber mit diesen kannst du dir die weitere Behandlung erschweren bzw. die wird sehr risikoreich.

Das vergessen leider auch viele Ärzte zu erwähnen.

Vor allem die Neurologen gehen sehr großzügig mit Immunsuppressiva um…

Grüße
Lucy

du hattest 1 leichten schub. für die neurologen ein grund, eine dauermedikation einzuleiten, deren erfolg gering ist.gemäss statistik wrden ca. 30% der schübe verhindert, die progression nicht.

ich finde es erwägenswert, keine therapie zu machen. du kannst auch eine beginnen und aufhören, sollten die nebenwirkungen heftig sein.

du MUSST keine medis nehmen. es ist ganz allein dein entscheid. nebenwirkungen und misserfolg trägt kein neuro mit! es eilt auch nicht, nimm dir zeit für die entscheidung.

“Zur Auswahl stehen: Beta-Interferon 1x alle 2 Wochen), Betaferon (ist das wirklich was anderes? ) und Copaxone (3x pro Woche).”

Hallo Naddy,

das ist wirklich was anderes. Neulinge sagen oft fälschlich “Betaferon” wenn sie eigentlich „Beta-Interferon“ meinen.

„Beta-Interferon“ ist ein Oberbegriff für diese (ursprünglich körpereigenen) Stoffe (Zytokine). Man unterscheidet zwischen Interferon-beta 1a und Interferon-beta 1b. „Betaferon®“ ist der Handelsname eines (des ersten) Interferon-beta 1b-Präparats, das 1993 zugelassen wurde und inzwischen seit 23 Jahren auf dem Markt ist.

Die einzelnen Beta-Interferonpräparate (es gibt auch Alpha-, Gamma- usw. -Interferone) unterscheiden sich

  • in ihrer Aufbereitung (als Trockensubstanz, die in pH-neutralem, mitgeliefertem Salzwasser zu lösen ist, oder als pH-saure Fertigspritze, die gekühlt werden muss),
  • in ihrer Verabreichungsweise (s.c. oder i.m. zu injizieren) und
  • in ihrer Spritzhäufigkeit (von alle 2 Tage bis alle 14 Tage). Nur schlucken kann man sie nicht, da sie als Proteine verdaut würden.

Wie es aussieht, hat man dir nur eine eingeschränkte Auswahl angeboten. Wie unfair. Avonex® (Interferon beta 1a 1x pro Woche i.m.) fehlt, Extavia® (Interferon beta 1b jeden zweiten Tag, bio-identisch mit Betaferon, aber etwas billiger) fehlt, Rebif® 22 und 44 (Interferon beta 1 a dreimal pro Woche) fehlen, und Copaxone® 40 mg, das nicht täglich gespritzt wird wie Copaxone® 20 mg, sondern dreimal wöchentlich, und auch deutlich billiger ist, das fehlt ebenfalls.

Zu allen diesen Mitteln findest du im DMSG-Forum und auch hier jede Menge Erfahrungsberichte, auch zu den neueren Mitteln, die gespritzt, infundiert oder geschluckt werden. Viele davon sind wirksamer als die alten Sachen, aber für mehr Wirkung bezahlt man auch mit höheren Risiken.

Ich habe mich, als ich die Diagnose auf mich zukommen sah, für das altbewährte Betaferon entschieden, das damals schon seit 12 Jahren auf dem Markt war. Dabei bin ich seither auch geblieben. Ich spritze es jetzt seit 11 1/2 Jahren, und bin überzeugt, dass es zu meinem MS-Subtyp passt.

Bis jetzt kann man das leider nur durch Probieren herausfinden. Die Pharmaindustrie hat verständlicherweise kein Interesse daran, dass nachgewiesen wird, welches ihrer tollen Produkte bei welchen Patienten nicht wirksam ist.

Gefühlsstörungen der Haut sind aber ganz sicher keine Nebenwirkung eines MS-Medikaments, sondern eins der milderen MS-Symptome. Die Nebenwirkungen der Interferonpräparate sind dieselben, die die körpereigenen Interferone bei einer akuten Virusinfektion hervorrufen: Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen.

Die hatte ich auch bei den ersten paar Spritzen, aber nach etwa einem Monat hatte ich keine mehr, da hatte mein Körper sich daran gewöhnt. Ein Schmerzmittel (Ibuprofen 400 mg) habe ich nur zu den ersten vier, fünf Spritzen genommen, dann habe ich es mal vergessen, und habe gemerkt, dass ich es gar nicht brauchte.

Zur Basistherapie gehört eine regelmäßige Kontrolle der Leberwerte. Eine asymptomatische Erhöhung der Transaminasen ist unter Interferon normal. Ich lasse alle drei bis vier Monate einige Werte kontrollieren und meine Leber ist auch nach 11 Jahren Interferon noch top. Ich trinke allerdings keinen Alkohol (schlicht, weil er mir nicht schmeckt). Zu viele Leukos habe ich auch, das ist bei mir immer so, wegen meiner mehreren Autoimmunerkrankungen.

Mach dich wegen der Nebenwirkungen nicht verrückt. Du kannst ja noch gar nicht wissen, ob du überhaupt welche hast. Vielleicht hast du ja Glück und erwischst das passende Medikament, wie ich.

Alles Gute und liebe Grüße!
Renate

Er hat mir beide Begriffe aufgeschrieben, daher habe ich sie auch hier geschrieben. Naja, ich habe mir jetzt noch weitere Bedenkzeit erbeten, der nächste Schub wird ja hoffentlich nicht in den nächsten Tagen kommen. Grundsätzlich tendiere ich eher zu Copaxone.

Hi Naddy,

bis vor ein paar Jahren hat man mind. den zweiten Schub abgewartet und dann entschieden ob eine Therapie gemacht wird oder nicht.

Aus dem einfachen Grund heraus, dass wenn eh mehrere Jahre zwischen den Schüben liegen, richtet eine Therapie teilweise nicht so viel aus. Und die Nebenwirkungen sind auch nicht zu unterschätzen.

Grüße
Lucy

Und warum hat man das geändert? Mein Arzt empfiehlt mir nämlich unbedingt eine Therapie. Wenn ich mir aber länger Bedenkzeit nehmen möchte, rät er Anfang 2017 zu einem Kontroll-MRT

Hi Naddy,

weil man heute das Ziel hat, null Aktivität der MS, also weder im MRT noch irgendwas anderes an Symptomen.

Als die Medikamentenauswahl noch nicht so groß war, hat man sogar ein paar Schübe im Jahr akzeptiert. Ohne groß über die Therapiespringerei nachzudenken, weil es wenig gab.

Es ist halt auch erwiesen, das keine Therapie sofort wirkt und nicht jedes Medikament bei jedem wirkt.

Und wenn zwischen zwei Schüben 3 Jahre liegen hast du mit den Medikamenten in 9 Jahren 1-2 Schübe anstatt 3.

Dafür hast du die Medikamente genommen und vielleicht Nebenwirkungen ertragen und deine Lebensqualität war auch eine andere…

Bis vor ein paar Jahren hatte man noch nicht so die Auswahl an Medikamente. Erst 2013 kam Aubagio und 2014 Tecfidera.

Davor gab es nur Interferon Beta und Copaxone und für die besonders aktive MS dann Tysabri 2007 und Gilenya 2011, 2013 dann noch Lemtrada.

Davor gab es nur Mitox (Chemotherapie) als Reserve.

In diesem Jahr dann noch Zinbryta. Im nächsten Jahr sollen nochmal zwei Wirkstoffe kommen…

Es gibt also immer mehr und wirkungsstärkere Medikamente, die zwar alle ein höheres Risiko haben, aber das wird heuig nicht gesehen.

Lies dir die Broschüre vom MS Netz Hamburg durch. Die neueren Medikamente habe dabei nicht wirklich besser Studienergebnisse.

Klar hören das Neurologen nicht gerne, aber du entscheidest was du machst. Der Arzt kann dich beraten.

Und wenn du sagst, du willst warten oder brauchst mehr Zeit, dann hast du das entschieden.

Du trägst aber auch das Risiko das vielleicht ein Schub kommt, aber ob das Medikament diesen Schub verhindert hätter, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Das der Neuro ein weiteres MRT machen will, ist mir auch verständlich, denn wenn sich dort viel Aktivität zeigt, kann er dir auch gleich eine Therapie für dien hochaktiven Verlauf anbieten. Aber ob die wirklich sein muss, kann auch keiner sagen.

Grüße
Lucy