“Konnten deine Missempfindungen mit Urbason etwas eingedämmt werden?”
Hallo Gustl,
meine Missempfindungen kommen vermutlich durch einen Herd im Rückenmark, und spinale Läsionen sprechen auf Cortisone oft nur schlecht an. Man sollte sie besser gar nicht erst kriegen!
Ich habe damals, vor 11 Jahren bei meinem Diagnose-Schub, aber nicht Urbason (Methylprednisolon) bekommen, sondern Solu-Decortin H (Prednisolon), dessen Nebenwirkungen noch übler sind als die vom Methylprednisolon. Ich bekam bei meinem Diagnose-Schub Infusionen à 500 mg Prednisolon.
Nach der 4. Infusion hatte ich lebensgefährliches Herzrasen (Ruhepuls 220/min.), und die Stoßtherapie musste abgebrochen werden. Die Neuros in der Klinik hatten vermutlich die Packungsbeilage nicht gelesen, denn dieser hätten sie entnehmen können, dass bei hohen Dosen von Prednisolon der Serumkaliumspiegel überwacht werden muss. Herzrasen ist oft ein Symptom von Kaliummangel.
Daraus habe ich für mich die Lehre gezogen, dass auch gegenüber Ärzten die Regel gilt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser! Ich schlucke oder spritze nichts, worüber ich nicht genug weiß. In Kliniken kriegt man oft einen Pillenmix im Plastikbecher verabreicht, und soll das ganze Zeug einwerfen, ohne zu wissen, worum es sich handelt. Das mache ich nicht mehr.
Cortisone mit mineralocorticoiden Nebenwirkungen führen zu Kaliummangel und Natriumüberschuss (=> Wassereinlagerungen). Ich habe Vorhofflimmern, daher nehme ich seit dem Desaster beim Diagnose-Schub nur noch halogenierte Glucocorticoide, die diese Nebenwirkungen nicht haben, z.B. Beta- und Dexamethason.
Eine gute Übersicht ist hier zu finden:
http://flexikon.doccheck.com/de/Glukokortikoid#Synthetische_Glukokortikoide
Betamethason wird vor allem bei Hautkrankheiten (Psoriasis, Ausschläge) eingesetzt; ich habe es aber schon vor 30 Jahren gegen mein allergisches Asthma immer mal wieder als Tabletten geschluckt (und vertragen), als Mini-Stöße von 1 - 3 Tagen, selten länger. Als Schubtherapie bevorzuge ich Dexamethason oral.
Dazu habe ich mir im DMSG-Forum und hier schon reichlich Blasen an die Finger getippt; das meiste findest du mit dem Suchbegriff “Dexamethason”. Suchen und Lesen gehen ja im DMSG-Forum, nur Schreiben nicht.
Ich lebe in der Pampa und bin nicht mehr mobil, habe auch keinen Chauffeur, der mich mal schnell zum Arzt karrt, sodass ich für jeden Arzttermin mehrere Tage organisatorische Vorlaufzeit hätte. Damit ich bei einer akuten Verschlechterung nicht tagelang warten muss, bis ich zum Arzt und zur Therapie komme, haben mich Hausarzt und Neuro mit einem ausreichenden Vorrat an Dexamethason-Tabletten versehen (plus Begleitmedikation natürlich: Omeprazol, Heparin-Spritzen, Urin-Teststreifen für den Blutzucker).
Ich hatte in den zwei Jahren vor meiner Diagnose zwischen acht und zehn Schübe, die nicht behandelt wurden. Jeder unbehandelte Schub hinterließ einen Dauerschaden und eine Verschlechterung um etwa einen halben EDSS-Punkt.
Das ist eigentlich logisch: Die MS frisst am Myelin wie Rost an Blech. Den muss man schnell stoppen, damit er möglichst wenig Substanz zerstört. Und so, wie ich früher Rost an diversen Blechgegenständen behandelt habe, damit er sich nicht weiterfrisst, so behandle ich auch alles, was über die gewöhnlichen Tagesformschwankungen hinausgeht, rasch mit Dexamethason, ehe zu viele Nervenzellen den Bach runter gehen. Seither habe ich keinen Behinderungsfortschritt mehr.
Gegen die Missempfindungen nehme ich seit 2007 jeden Abend 75 mg Amitriptylin, damit ich schlafen kann. Das ist ein uraltes (~ 1960) trizyklisches Antidepressivum, das als solches längst von den moderneren SRI verdrängt worden ist, aber in der Schmerztherapie findet es noch Verwendung.
Tagsüber nehme ich es nicht sodass die brennenden Schmerzen in den Füßen im Lauf des Vormittags zunehmen; Schuhe und Strümpfe trage ich nur, wenn es gar nicht ohne geht. “Normale” Schmerzmittel nützen bei MS-Missempfindungen und Schmerzen kaum bis gar nicht. Sie sprechen auf Mittel an, die im ZNS wirken, wie das o.a. Amitriptylin, oder Antiepileptika wie Gabapentin oder Pregabalin.
Aber so weit bist du hoffentlich noch lange nicht! Ich wünsche dir alles Gute!
Liebe Grüße
Renate