Hallo,ich bin 29 Jahre alt und have vor 2Tagen die Diagnose MS erhalten. Nun weiss ich nicht welches Medikament ich nehmen soll. Mir wurde von dem Arzt auch keins zu 100%empfohlen.Habe nur Broschüren mit bekommen zum durch lesen. Und jetzt bin ich etwas überfordert damit. Will ja auch nicht solang warten mit der Therapie anzufangen.

Hi Mo1106,

also erstmal lass dir Zeit mit der Entscheidung.

Aktuelle Übersicht über die Medikamente:
http://www.ms-netz-hamburg.de/wp-content/uploads/2014/06/ISDIMS_Immuntherapien-MS_Neufassung_Maerz_2013.pdf

Im Grunde zeigt diese Broschüre auf, wie schlecht die Zulassungsdatenlage von MS Medikamenten ist.

Wichtig ist, keiner kann dir sagen, welches vielleicht wirkt oder nicht, oder welche Nebenwirkungen vielleicht bei dir auftreten.

Jeder hat seine eigene MS.

In dieser Broschüre sind fast alle aktuellen zusammengefasst:
http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/images/stories/PDF_Dateien/kknms_handbuch_gesamtausgabe_verknpft_20160914_webfrei.pdf

Aktuell sind für die schubförmige MS (milder Verlauf) folgende Wirkstoffe zugelassen:

  • Avonex, Rebif , beides Interferon Beta 1a und (Plegridy) Peginterferon Beta 1a.
    Das Plegridy ist das gleiche wie Avonex, aber in Polyethylenglycol verpackt, somit wird es langsamer freigesetzt.
    Das Interferon Beta 1a entspricht dem körpereigenen Interferon Beta.

  • Betaferon und Extavia beides Interferon Beta 1b, das ist ein Interferon das neben dem körpereigenen noch einen Anhang hat.

Bei den Interferonen ist nur wichtig, je selterner die gespritzt werden, um so heftiger sind die Nebenwirkungen beim Spritzen. Zu den einzelnen Stoffen kannst du hier auch viel nachlesen.

http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/images/stories/PDF_Dateien/kknms_patientenaufklrung_interferon-beta_2015_frei.pdf

  • Copaxone ist ein Glatirameracetat das ist ein Gemisch synthetischer Polypeptide aus den Aminosäuren Glutaminsäure, Lysin, Alanin und Tyrosin (GLAT). Es gibt es täglich und 3x die Woche.

http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/images/stories/PDF_Dateien/kknms_patientenaufklrung_glatirameracetat_2015_frei.pdf

  • Tecfidera mit Dimethylfumarat als Wirkstoff, dazu kannst du im Forum viel lesen, und ganz so risikoarm wie gedacht ist es auch nicht.
    Am Anfang wurde es als fast Nebenwirkungsfreie MS Therapie verkauft, aber nun gab es schon mehrere Todesfällen wegen einer PML. Unter dem ähnlichen Medikament Fumaderm gibt es schon mehrer PML Fälle. Pharmakologen ordnen Tecfidera als Immunsuppressiva ein, die Neurologen als ehr harmlosen Modulator. Gerade bei Folgetherapien kann diese Unterscheidung sehr wichtig sein.

http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/images/stories/PDF_Dateien/kknms_patientenaufklrung_dimethylfumarat_2015_webfrei.pdf

Wegen der PML Fälle wurden die Lymphozytengrenzen nach oben gesetzt:
Die Infos dazu sind hier zusammengefasst:
http://www.psoriasis-netz.de/medikamente/fumaersaeure/fumaderm-neuer-grenzwert.html
Und hier noch mehr:
http://www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/news_and_events/news/2015/10/news_detail_002423.jsp&mid=WC0b01ac058004d5c1

  • Aubagio ist Teriflunomid und kommt aus dem Rheumabereich (Leflunomid https://de.wikipedia.org/wiki/Leflunomid ). Zudem ist es ein Immunsuppressivum, was sich negativ auf andere Therapien auswirken könnte, wenn diese nicht mehr ausreicht.
    Und wenn du noch ein Kind möchtest, ist hier besondere Vorsicht geboten, da Aubagio fruchtschädigend ist.

http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/images/stories/PDF_Dateien/kknms_patientenaufklrung_teriflunomid_2015_webfrei.pdf

Aubagio und Tecfidera sind beides Tabletten, wobei man dafür einen guten und starken Magen braucht.

Vor allem sollte man bei Daclizumab wissen, dass es in den USA nur als Reserve zugelassen worden ist, wenn schon mind. zwei andere Therapien versagt haben. Der Grund sind die Nebenwirkungen.

http://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/images/stories/PDF_Dateien/kknms_patientenaufklrung_daclizumab_20160922_webfrei.pdf

Und keine Therapie wirkt sofort, sondern braucht Monate bis vielleicht eine Schutzwirkung aufgebaut ist.

Meist wird nach 6 Monaten ein MRT gemacht, dass dient dann als Ausgangswert für ein weiteres MRT nochmal 12 Monate später.

Bevor du dich für eine Therapie entscheidest, informiere dich ausführlich und lass dich von dem Arzt beraten.

Die Aufklärung muss von einem Arzt erfolgen, das ist keine Aufgabe der MS Schwester oder Arzthelferin.

Grüße
Lucy

Hi Mo,

erstmal gilt es Ruhe zu bewahren. Also keine Panik. Die MS wird die nicht davonlaufen. Versuche Dich erstmal sachkundig zu machen.

Was für eine MS hast Du?
a) MS mit Schüben
oder b) sekundärprogediente MS
oder c) primärprogiediente MS

Welche Art von MS du hast davon hängt die Behandlung ab.

Egal welche MS du hast eins gilt. MS ist nicht heilbar und MS wird dich dein Leben lang begleiten. Die Therapien können MS nicht heilen aber können die Kraft deiner MS schwächen und die Cortisonstoßtherapie kann einen Schub stoppen.

Ich betone nochmal das Wort “kann” hierbei. Manchmal helfen die Medis auch nicht. Es ist wie beim Roulette. Nur ohne Medis sind deine Chancen noch schlechter. Also Ruhe bewahren und sich erstmal sachkundig machen.

Dieser Link könnte dir hilfreiche Infos zu MS geben.
http://www.amsel.de/virtuelle-ms-klinik/

Halte dich an das was meine beiden Vorredner geschrieben haben.
Ich habe nur eine mögliche Ergänzung.: Intererone würde ich vor der Stabilisierung meines Vitamin D - Spiegels nicht anwenden.
http://www.erzähler.net/wp-content/uploads/2014/01/Factsheet-Vitamin-D-DE-Rev.-1.1-20141.pdf

MFG.

Wie die anderen schon sagten: Ruhe bewahren. Diese Entscheidung ist wirklich individuell von Deinem Verlauf abhängig.

Ich möchte nur Mut machen und berichten, daß ich Beta-interferon 1b (Extavia) 5 Jahre lang nebenwirkungsfrei gespritzt habe und erst jetzt wieder nach 5 Jahren einen Schub hatte.

Wünsche dir viel Glück und einen guten Arzt!
Lg

Hallo Mo1106,

ich habe mir, als ich die Diagnose auf mich zukommen sah, die Präparate-Informationen angesehen, und die damals zur Verfügung stehenden 4 Präparate verglichen.

Avonex kam nicht in Frage, weil es nur einmal in der Woche gespritzt wird, und darum sehr starke Nebenwirkungen hat. Je öfter ein Medikament gespritzt wird, desto verträglicher ist es.

Copaxone wird täglich gespritzt und gilt als verträglichste Basistherapie (damals hat man noch klar unterschieden zwischen Medikamenten zur Basis- und solchen zur Eskalationstherapie). Es kam aber für mich nicht in Frage, da ich Allergikerin bin und Copaxone nach dem Prinzip der Desensibilisierung funktioniert. Bei mir ist in der Pubertät eine Desensibilisierung völlig nach hinten losgegangen, meine Allergien wurden dadurch erst richtig schlimm.

Mit Rebif sympathisierte ich, da es dem körpereigenen Interferon genau gleicht, und das wirksamste Interferon sein soll. Ich habe es dann aber doch verworfen, da mir die chemischen Zusätze in den Fertigspritzen (Schaumhemmer, Konservierungsmittel) nicht geheuer waren, und auch die Kühlpflicht nicht. (Damals war gerade mein Kühlschrank am Kaputtgehen.)

Blieb (damals) nur Betaferon, das “dienstälteste” MS-Medikament. Die Zulassungsstudien begannen 1988, in USA und Kanada wurde es 1993 zugelassen, in der EU 1995. Von Pharmagegnern hört man ab und zu, dass die DMSG “daran schuld” sei, dass die Interferone als MS-Medikamente zugelassen worden seien.

Denen kann ich nur den Vogel zeigen, denn die DMSG (nichts als ein deutscher! e.V.!) hätte die Zulassung der Interferone in der EU nicht verhindern können - die MS-PatientInnen wären auf die Barrikaden gegangen, oder in ein EU-Nachbarland.

Ähnlich, wie sie auf die Barrikaden gingen, als Tysabri nach der US-Zulassung im Herbst 2004 schon im Februar 2005 nach nur drei Monaten wieder vom Markt genommen wurde. Ich lese ab und zu auch in den US-Foren …

Tysabri kam dann Mitte 2006 in den USA wieder auf den Markt und wurde auch in Europa zugelassen. Zu den PML-Fällen unter Tysabri siehe hier: http://chefarztfrau.de/?page_id=418

Inzwischen kräht kein Hahn mehr nach dem ollen Betaferon, aber die, die es spritzen, sind zufrieden damit. Ich spritze es seit April 2005 und hatte seither nur einen Schub, als ich es versuchsweise absetzte. Es gibt viele altgediente Beta-Junkies, die zehn und mehr Jahre an der Nadel hängen.

Sicher ist, dass es antiviral wirkt (andere Interferone werden vor allem zur Behandlung schwerer Viruserkrankungen verwendet, z.B. Hepatitis B und C), und dass es die Blut-Hirn-Schranke stabilisiert (ich hatte darunter in keinem MRT mehr eine Schrankenstörung).

Inzwischen hat man auch festgestellt, dass es das Wachstum von Tumoren hemmt, dadurch, dass es verhindert, dass ein Tumor die zu Ernährung und Wachstum nötigen Blutgefäße ausbildet (https://www.helmholtz-hzi.de/de/aktuelles/news/ansicht/article/complete/der_waechter_des_immunsystems_gegen_krebs/), das heißt, es hemmt die Angiogenese.

Diesen Effekt nehme ich sehr gerne mit, da drei meiner Großeltern und meine Mutter an Krebs gestorben sind. Ich habe meistens überhaupt keine Nebenwirkungen, manchmal etwas Kopfschmerzen.

Alle drei bis vier Monate lasse ich ein Blutbild machen und außer einer leichten Erhöhung der Transaminasen und zu vielen Leukos (Eosinophilie, bin Allergikerin) ist alles OK. Ich trinke allerdings auch keinen Alkohol, schon Bier mag ich nicht.

Da wir alle verschieden sind, es mindestens 4 histologisch verschiedene MS-Subtypen gibt, und wir alle verschieden auf Medikamente reagieren, lässt sich nicht vorhersagen, welche MS-Therapie für dich passt. Du kannst es nur selbst ausprobieren.

Mit den Medikamenten-Neuheiten der letzten 10 Jahre (ab Tysabri) kenne ich mich nicht aus, aber hier und im DMSG-Forum findest du genug Diskussionen dazu.

Viel Glück und LG!
Renate

Hallo Renate, kleine Ergänzung: Copaxone kommt jetzt in der 40mg/ml Version mit Drei Spritztagen (Alle Zwei Tage Spritzen dann Zwei Tage Pause) pro Woche aus.

MFG

Hallo Freki,

danke für die Ergänzung! - Ich habe noch etwas vergessen: Es gibt seit ein paar Jahren auch noch das “Bioidentical” zu Betaferon (von Bayer), namens Extavia (von Novartis). Das kostet etwas weniger (ca. 110 Euro weniger pro Monat). Das Zubehör ist auch etwas einfacher.

LG Renate

hast du die broschüren gelesen und verstanden?
was genau ist deine frage?

Ich habe die Diagnose seit Juli. Mein Neurologe hat mir Infomaterial über Aubagio und Tecfidera gegeben. Ich habe mich für Tecfidera entschieden, nehme seit 4 Wochen die volle Dosis und habe keine Nebenwirkungen.

Hallo,
ich denke, du kannst dir mit der Entscheidung, ein Medikament zu nehmen oder eben nicht,
ruhig Zeit lassen und lass dich nicht unter Sruck setzen.
Es ist deine Entscheidung, ob und welche therapie du probieren möchtest.
Es gibt auf keiner der genannten Mittelchen eine Garantie, dass es dir dann besser geht oder du “geheilt” wirst. Das ist mir bei MS nicht bekannt.;))
Als bisher unheilbare Krankheit eilt es nicht mit so wichtigen Entscheidungen.
Bekomm erstmal den Kopf klar, versuche dich mit der neuen Situation auseinander zu sezten und dann, ja dann kann st du mal über ne Therapie nachdenken.
Das Chaos im Kopf würde alle jetzt getroffenen Entscheidungen in eine falsche Richtung schubsen.
Nur keine Eile, ruhig und bedacht. MS bedeutet nicht das Ende.
Man kann damit ganz gut leben.
Hör auf deinen Körper, mach Pause wenn du sie brauchst, nicht wenn andere sie dir vorschreiben, beweg dich, wenn du dich danach fühlst, leg dich hin, mach was dir gut tut.
Und löcher deinen Neuro. Er kann dir deine Fragen beantworten.
Dafür sind die ja da, oder?

und hier kannst du auch fragen.
Hab auch eine wichtige Frage beantwortet bekommen.
Und ich werde noch mehr Fragen stellen, da bin cih mir sicher, auch wenn ich nicht mehr zu den ganz Neuen gehöre (Diagnose 10/2012)

lg morbus

Hi tournesol,

dann “gratuliere” ich dir zum dem Neurologen.

Nur die immunsuppressive Therapie zu empfehlen kann gerade bei Folgetherapien zu einem Problem werden. Auch wenn die Neurologen Tecfidera immer als harmlosen Modulator verkaufen. Pharmakologisch gesehen ist Tecfidera ein Immunsuppressivum.

Und hoffentlich macht er wirklich alle 4 Wochen ein großes Blutbild und gibt dir auch die Werte mit.

Grüße
Lucy

Hallo Lucy,

sie ist auf dieser Schiene und anscheinend überzeugt davon. Alles wofür oder wogegen man sich entscheidet, kann falsch oder richtig sein und ob gar nichts zu machen das Beste wäre oder gerade nicht, weiß man auch erst hinterher, wenn es vielleicht schief gelaufen ist.

Spritzen würde ich mich nur sehr ungern und bis jetzt vertrage ich die Tabletten ohne Probleme, das ist schon 'mal positiv. Und ja, die Blutwerde werden kontrolliert.

Vielen vielen Dank für die schnellen Antworten. Jetzt bin ich schon etwas schlauer. War sehr viel Information für mich.

Hi Mo1106,

und wenn du zu den vielen Informationen Fragen hast, frag danach. Allgemein lässt sich vieles nicht so sagen.

Grüße
Lucy