Hallo Steven,
die “Standarddosis” 1000 mg beruht auf einer einzigen Studie von 1992, wo ein Augenarzt (kein Neurologe!) namens Roy W. Beck bei Optikusneuritis (nicht bei MS!) das nur schwach wirksame Prednison in Tablettenform gegen eine viel zu hohe Dosis von intravenösem Methylprednisolon testete.
http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJM199202273260901#t=article
Die Studie ergab, dass ca. 60 - 80 mg Prednison (1 mg pro kg Körpergewicht) bei Optikusneuritis keine so schnelle Besserung bewirkten wie 1000 mg Methylprednisolon. Die Studie hatte den Zweck, Reklame für eine Firma zu machen, die ein Jahr später von ebendiesem Roy W. Beck gegründet wurde (das Jaeb Center for Health Research, https://www.jaeb.org/ ). Diese Firma führt kommerziell Studien durch.
Jeder Allgemeinarzt oder Allergologe hätte über diesen Unfug nur den Kopf geschüttelt: Zwei verschiedene Medikamente in verschiedener Verabreichung und nicht im geringsten äquivalenten Dosen gegeneinander zu testen, das ist wie ein Test von einem Liter Whisky gegen 1 Schnapsglas Bier. Und dann großartig festzustellen, dass Whisky das stärkere Gesöff ist.
Die offenbar besonders studiengläubigen Neurologen schüttelten nicht den Kopf über den Beck’schen Unfug. Selbst ein szenebekannter Cortison-Hasser unter ihnen entblödete sich seinerzeit nicht, die Becksche Optikusneuritis-Studie als “vorbildhaft” zu bezeichnen (was aber vermutlich an seinen bescheidenen Englischkenntnissen lag).
Inzwischen, auch dank der weltweiten Vernetzung, lehnen immer mehr MS-ler die hirnrissigen Overkill-Dosen in Grammhöhe ab, und auch die nicht fluorierten Corticoide mit ihren mineralocorticoiden Nebenwirkungen (Wassereinlagerungen, Hypokaliämie mit Herzrasen, Muskelschwäche, Lähmungen - kann sich anfühlen wie eine Verschlimmerung des Schubs).
50 mg orales Prednisolon können schon einen spürbaren Effekt haben, es ist immerhin das ~ Siebenfache der körpereigenen Tagesproduktion von Cortisol in der Nebennierenrinde. Achte aber darauf, dass du keine Hypokaliämie bekommst, iss genug Aprikosen, Bananen usw. - Wenn schon, dann hätte ich mir wenigstens Methylprednisolon verschreiben lassen, das durch die Methylierung etwas weniger mineralocorticoide Nebenwirkungen hat, oder gleich Dexamethason in einer Dosis von etwa 8 mg.
Das Problem ist nicht, dass der gewöhnliche Neurologe nicht imstande ist, sich die Unterschiede zwischen Prednison und Methylprednisolon, oder Decortin und Dexamethason, zu merken, sondern, dass die Anfängerinformationen das Thema “Cortisonbehandlung bei MS” meist mit Schweigen übergehen. Sie plappern bestenfalls die Leitlinien nach, und bescheren damit unzähligen MSlern Osteoporose, Glaukom und Katarakt.
Wie lang sollst du denn das Prednisolon nehmen, und hast du auch die dazugehörigen Begleitmedikamente bekommen (Magenschutz, Thromboseschutz)?
Liebe Grüße
Renate