Hallo nochmal,

meine Frage steht eigentlich schon oben.
Ab wann kann man eine MS Erkrankung am Nervenwasser erkennen? Vor dem 1. Schub? Während dem ersten Schub? Oder danach?

Hallo SVJA,

wer ahnt denn VOR dem ersten Schub schon, dass er MS hat, und lässt zur Diagnostik gleich mal eine Lumbalpunktion machen? Vielleicht jemand, dessen/deren eineiiger Zwilling gerade die MS-Diagnose bekommen hat? Oder der in der Blutsverwandtschaft schon mehrere Entmarkte hat? OK, stattgegeben, bei MS ist nichts unmöglich …

Es stimmt schon, oft ist die MS schon einige Zeit vor der Diagnose entzündlich aktiv gewesen, und hat schon lange vor der Diagnose jede Menge Hirnzellen zerstört. Nur jeder siebte bis zehnte Entzündungsherd löst auch einen Schub aus, d.h. selbst der Diagnose-Schub beruht nur selten auf dem ersten Entzündungsherd.

Daher befürworten Neurologen, die auf dem aktuellen Stand sind, inzwischen den Therapiebeginn sofort nach der Diagnose, und nicht, wie es früher der Brauch war, erst nach dem zweiten Schub. Wenn der zweite Schub sich zeigt, hat die MS ja womöglich schon um die zwanzig Löcher ins ZNS gefressen.

Es gibt aber auch etliche MSler, die zu Beginn der Erkrankung einen negativen Liquorbefund hatten. Und es gibt auch andere Erkrankungen, bei denen der Liquor positiv ist. Der Liquorbefund allein beweist also gar nichts.

Kann sein, der Liquorbefund ist vor oder während dem ersten Schub schon positiv, kann aber auch sein, erst einige Zeit danach. Und man kann auch mit negativem Liquorbefund MS haben, das ist gar nicht so selten.

Aber man macht die Liquoranalyse ja nicht nur, um nach den “oligoklonalen Banden” zu suchen. Seit 2004, als man die Aquaporin-4-Antikörper entdeckte, durch welche die MS von der NMO unterschieden wird, achtet man im Liquor auch auf die MRZ-Reaktion. Durch diese ist die NMO ziemlich sicher von der MS zu unterscheiden.

Siehe den Expertenchat mit dem Liquor-Spezialisten Prof. Tumani:
http://www.amsel.de/beratung/expertenchat/index.php?kategorie=chatprotokolle&anr=4456
und auch dies: https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0029-1238395

Die Unterscheidung von MS und NMO ist sehr wichtig, weil eine NMO, die versehentlich mit MS-Medikamenten behandelt wird, sich sogar verschlimmern kann! In USA, wo die Lumbalpunktion nicht regelmäßig zur MS-Diagnostik dazugehört, kommt es häufiger zu Fehldiagnosen.

Ich habe meine MS-Diagnose 2005 bekommen, da war die Differentialdiagnostik MS/NMO schon serienmäßig. Das war in meinem Fall auch sinnvoll, da meine Läsionen “atypisch” lagen (nicht überwiegend periventrikulär).

Ich war bei der Diagnose schon schwerbehindert und erwerbsunfähig; im Diagnose-MRT hatte ich im Schädel etwa zehn aktive Läsionen, wie Zigarettenlöcher, und dazu ein etwa pflaumengroßes tumorverdächtiges UBO. Wegen dem muss ich regelmäßig in die Röhre, um nachzusehen, ob es “Raum fordert”.

Also, am Liquor allein kann man eine MS weder erkennen noch widerlegen; die Diagnose ist immer ein Puzzle aus mehreren Teilen.

Liebe Grüße
Renate