Hallo,

Ich heiße Annie und bin 27 Jahre alt. Ich habe gestern die Diagnose MS bekommen und fühle mich grade vollkommen überfordert.
Vor zwei Wochen bin ich wegen Taubheitsgefühl auf einer Körperhälfte zum Neurologen gegangen. Dort wurde eine neurologische Untersuchung gemacht und evozierte Potenziale gemessen. Beides war in Ordnung, unauffällig. Die Ärztin hat mir dann eine Überweisung zum MRT von Kopf und HWS gegeben. Man kann auf den MRT Aufnahmen zwei alte Entzündungsherde im Gehirn sehen und einen neueren, der Kontrastmittel aufnimmt und verantwortlich für das Taubheitsgefühl sein kann. Meine Neurologin hat mir aufgrund der MRT Befunde gestern gesagt, dass ich MS habe. Sie hat gesagt, dass wir eine Lumbalpunktion machen können, das wäre aber nicht absolut nötig und MS sei die einzige Erklärung für meine Symptome und den Befund. Sie hat mich auch aufgeklärt welche Medikamente es für die Langzeittherapie gibt.

Mich hat das alles erst mal komplett umgehauen und ich fühle mich grade total überfordert. Eigentlich vertraue ich der Ärztin, sie ist sehr sympatisch und macht einen kompetenten Eindruck und sie war auch einfühlsam und so. Aber reichen MRT Aufnahmen und die anderen Untersuchungen wirklich aus, um so eine Diagnose zu stellen? Sollte ich mir eine Zweitmeinung einholen?

Sollte ich eine Lumbalpunktion machen lassen?

Ich will auf jeden Fall eine Langzeittherapie beginnen. Aber wie entscheide ich, welches Medikament für mich das richtige ist?

Vielleicht kann mir jemand Rat geben, ich habe immoment das Gefühl, dass ich irgendwie komplett hilflos bin und das ist alles echt verängstigend.

Viele Grüße und Danke,
Annie

Hallo Annie,

normalerweise wird die Diagnose MS nur nach MRT und Lumbalpunktion gestellt. Evozierte Potenziale sind Beiwerk und ein weiterer Hinweis auf MS. Da die Ärztin schon auf MS tippt, hätte sie Dir eigentlich zumindest eine Kortisonstosstherapie anbieten müssen. Ich persönlich würde auf jeden Fall noch eine Zweitmeinung einholen und auch eine Lumbalpunktion machen lassen. Vielleicht ist ein neurologisches Krankenhaus, im Idealfall mit eine MS Ambulanz in Deiner Nähe. Dann würde ich mit einer Einweisung stationär ein paar Tage zur Diagnosenabklärung dort bleiben. Ein Taubheitsgefühl und ein paar Herde im Kopf sind noch nicht hundertprozentig MS. Oder hast oder hattest Du noch andere Symptome in letzter Zeit?

Zur Langzeittherapie: Primär solltest Du Dich entscheiden, ob Du spritzen willst oder Tabletten nimmst. Es gibt zu den verschiedenen Therapien viele verschiedene Meinungen. Ich selbst habe am Anfang Copaxone gespritzt und auch gut vertragen. Es gibt auch noch die Betaferone, die nicht täglich gespritzt werden müssen. Die gängige Lehrmeinung ist, dass man so früh wie möglich mit der Therapie beginnt. Allerdings musst Du wissen, dass alle Mittel Dich nicht hundertprozentig schützen. Die Spritzen wirken “nur” bei ca. 40% der Patienten. Bei den Tabletten bin ich mir nicht ganz sicher, aber soweit ich weiß ist der Wert ähnlich. Bei mir weiß ich, dass die Spritzen geholfen haben, da ich nach 2 Jahren die Nase voll hatte und aufgehört habe irgendetwas zu nehmen. Als Folge hatte ich dann 2 schwere Schübe. Nachdem ich wieder angefangen habe, hatte ich Ruhe.

Aber primär musst Du erst mal eine gesicherte Diagnose bekommen. Danach sieht man weiter.

Lass Dich nicht unterkriegen! MS ist nicht gleichbedeutend mit Rollstuhl. Ich habe die Diagnose seit 10 Jahren und laufe immer noch.

Ich hoffe ich konnte Dir helfen.

LG

Kikki

Hallo Annie,

so in etwa wie dir ging es mir vor einem Jahr.

Vorweg, weil mir das sehr wichtig ist: Überlege dir sehr gut, ob du eine Lumbalpunktion machen lassen willst, oder nicht! Es hilft den Neurologen zwar, ihren Verdacht zu erhärten bezüglich deiner Diagnose, aber wenn auch sonst alles darauf hinweist, machen diese 5% Sicherheit ja auch nicht mehr viel aus. Ich würde die Lumbalpunktion nachbetrachtend nämlich nichtmehr durchführen lassen…
Zwei Monate lang hatte ich danach Schwindel, zufallende Ohren und Kopfschmerzen aufgrund von Unterdruck im Körper und konnte darum in dieser Zeit kaum aufrecht sitzen oder stehen, nur liegen. Und das hatte NICHTS mit der MS, sondern ausschließlich was mit der Lumbalpunktion zu tun. Darüber hinaus kann es passieren, dass Teile von dir gelähmt sein werden, wenn diese blöd läuft.
Fairerweise muss ich sagen, dass dies natürlich sehr unwahrscheinlich ist und auch meine Beschwerden nicht die Regel sind. Aber dafür, dass deine Neurologin schon aufgrund der Entzündungsherde und deer Symptome sehr sicher zu sein scheint, ist es das meiner Meinung nach nicht wert.
Soviel dazu.

Was deine Angst betrifft: Verstehe ich absolut… das ging mir ganz genauso damals und wurde mit dem Lesen diverser Forenbeiträge nur noch schlimmer. Hinzu kommen die Menschen im eigenen Umfeld, die “jemanden kennen, der hat das auch! Ganz schlimm! Rollstuhl”
Das macht einen natürlich fertig!

ABER: ist Schwachsinn. Zumindest in dieser übersteigerten Form.
Was stimmt ist: Menschen, die MS haben, aber nur geringe Beschwerden, fallen im Alltag weniger auf, darum spricht man über diese weniger. Außerdem sind Menschen mit mildem MS-Verlauf oft seltener in Foren vertreten, weil diese nach dem erstmaligen Informieren weniger Notwendigkeit darin sehen, ständig auf Plattformen zu verkehren.

Darüber hinaus ist es sehr wichtig dir vor Augen zu führen:
Vielleicht hast du MS. Das ist aber nicht dein Todesurteil. Es gibt die unterschiedlichsten Verlaufsarten von MS, wobei hier, zumindest soweit ich es bis jetzt mitbekommen habe, viele der schwereren Verläufe bei Patienten auftreten, die diese Krankheit schon sehr früh, in Kinder- oder Jugendjahren bekommen. Bei der Mehrheit der PatientInnen, die diese Krankheit zwischen 20 und 40 Jahren diagnostiziert bekommen, liegt der Altersdurchschnitt kaum unter dem des Normalo-Bürgers.

Des Weiteren sind die meisten auch berufstätig, bekommen Kinder und können ein schönes und erfüllendes Leben führen. Manchmal zickt eben möglicherweise der Körper mal rum, aber mit zunehmendem Alter hat glaube ich auch jeder “normale” Bürger seine Zipperlein.

Die größte Angst der MS resultiert glaube ich daraus, dass man einfach nicht wissen kann, wie die Krankheit bei einem selbst verläuft. Man hofft, dass man zu denen gehört, die einen ganz milden Verlauf haben und fürchtet, dass man doch zu dem kleinen prozentualen Anteil gehört, der irgendwann im Rollstuhl landet.

Darum ist der Rat den ich dir geben kann: Informiere dich. In Fachzeitschriften. Bei deiner Ärztin. Setze dich damit auseinander. Aber: Mach dich nicht verrückt. Es hat keinen Sinn, Tag für Tag mit seinem Schicksal zu hadern oder Angst zu haben.
Ich bin 31 Jahre alt und habe jetzt seit einem Jahr MS (diagnostiziert), Schübe vermutlich seit ca. 4 Jahren. Und mir geht es gut. Ich arbeite, ich habe eine Beziehung, ich gehe feiern, ich trinke (in Maßen) Alkohol und mache jetzt 4 Wochen einen Roadtrip.
Mein Tipp wäre, dass du ein bisschen Sport machst, das scheint sich in Studien als positiv erwiesen zu haben für den weiteren Verlauf sowie dich einigermaßen gesund ernährst (viel Obst udn Gemüse, wenig Fleisch)

Welches Medikament empfehlenswert ist, unterscheidet sich von Person zu Person. Ich persönlich nehme Rebiff, das alle 2-3 Tage gespritzt werden muss und ich sehr gut, komplett ohne Nebenwirkungen, vertrage.

Fühl dich gedrückt und mach dir nicht zu viele Sorgen,
Liebe Grüße,
Maya

Hallo Annie,
MRT und Schub reichen nach den McDonald-Kriterien wohl aus, um den Befund zu stellen. Lumbalpunktion habe ich nie gemacht. Habe auch nie Pillen genommen, bin aber seit 18 Jahren auf der Hebener-Diät. Und seit 18 Jahren symptomfrei! Die Diät beruht auf Vermeidung von Omega6-Fettsäuren und Ersatz durch Omega3 (aus Fischöl). Omega 6 macht Prostaglandin 2 (entzpndungsFÖRDERND) und Omega3 macht Prostaglandin 1 (entzündungsHEMMEND). Sorry für das Chemiegerede, aber ich bin nun mal Chemiker. :-))
Falls Du noch weitere Fragen hast, melde dich hier im Forum oder direkt bei mir.
Gruss
Stephan