Hallo,
ich liege noch im Krankenhaus und bekomme 3 Tage Cortison am Tropf. Ich habe gestern die Diagnose MS erfahren. Bin 44 Jahre alt und bisher ist noch nichts wirklich gravierendes passiert. Akut ist eine Sehnerventzündung rechts. Ansonsten hatte ich während in der Abizeit ein paar Tage wegknickende Knie und konnte schlecht laufen (dachte es wäre der Abistress) und vor etwas mehr als 1 Jahr erneut ein wegknickendes Knie (diesmal nur eins) und dachte wieder es wäre Stress und Elektrolytmangel. Das hat etwa 5 oder 6 Tage gedauert. Die Sehnerventzündung hat bis jetzt 3 Monate angehalten. Im MRT sind allerdings nochmehr Narben zu sehen und die Ärzte sagen ich habe noch mehr Schübe gehabt die ich wohl nicht bemerkt habe.
Der Oberarzt sagte wortwörtlich ich habe Glück im Unglück und vielleicht bekäme ich bis an mein Lebensende nie mehr Symptome. Gleichzeitig empfiehlt er aber sofort nach dem Krankenhaus hier mit einer Basistherapie zu beginnen.
Welches Medikament hat die geringsten Risiken hinsichtlich potentiell lebensbedrohender Nebenwirkungen?
Meine Lebenssituation ist die: ich bin alleinerziehend und habe einen 4 Jährigen Sohn. Ich und mein Sohn haben keine Großfamilie vor Ort die uns unterstützen kann. Ich bin vollkommen auf mich allein gestellt. Mein Sohn hat zwar Kontakt zum Vater, aber der Vater ist 64 Jahre alt, hat Bluthochdruck und keine Krankenversicherung.
Aus diesen Gründen kommen Medikamente mit schweren Nebenwirkungen die potentiell geeignet sind meinen Sohn zum Waisenkind zu machen nicht in Frage.
Mit Haarausfall oder Kopfweh als Nebenwirkungen könnte ich mich glaube ich arangieren.

Außerdem stelle ich mir gerade die Frage, ob ich jetzt schon anfangen soll eine Behindertengerechte Wohnung zu suchen, solange ich noch körperlich in der Lage bin einen Umzug zu wuppen. Die jetzige Wohnung ist quasi das Gegenteil von Behindertengerecht: 3. Stock Altbau, viel zu klein (1,5 Zimmer 50 qm) und deswegen alles in die Höhe gebaut (Wäscheständer unter der Decke mit Zugsystem, alle Regale und Schränke bis unter die Decke, sehr hoch eingebautes riesiges Hochbett als zweite Etage mit steiler Leiter, unten passt leider kein Bett für mich hin). Ich steige quasi ständig auf Leitern. Die Zimmer sind leider sehr klein, weil Küche und Bad groß sind.

Und dann mache ich mir Gedanken wie wahrscheinlich es ist, dass ich meinen Beruf weiter ausüben kann. Ich arneite als Musikpädagogin und habe mich auf die ganz Kleinen spezialisiert. Ich besuche Krippen und leite Eltern-Kind und Kinder-Gruppen. Daneben habe ich noch Einzel-Instrumentalschüler. Das ganze erfordert größeren körperlichen Einsatz als ein ein Bürojob und meine Beweglichkeit in den Händen und Feinmotorik zu verlieren kann ich mir beruflich nicht leisten. Auch krank sein und flach liegen geht ansich nicht, da ich selbständig bin und so wenig verdiene, das Umsatzausfälle wegen Krankheit eigentlich nicht drin sind.

Kann man es anhand irgendwelcher Untersuchungen abschätzen wie das individuell zeitlich und von der Schwere her verlaufen wird, was wohl auf einen zukommt und was eher nicht.

Fragen über Fragen …

Hallo Mella,

für die Basistherapien gilt: Je mehr Wirkung, desto mehr Risiken. Also nehme ich mal an, du bist nicht scharf auf eine potentiell tödliche PML oder eine Herzattacke, und vielleicht nicht mal einen größeren Flush.

Bin ich auch nicht. Als ich im März 2005, schon schwerbehindert, meine Diagnose bekam, gab es nur Imurek, Interferone und Copaxone. Da war die Auswahl einfach. Ich habe mich schon vor der Diagnose für Betaferon entschieden, weil es naturrein ist (also ohne chemische Zusätze wie Konservierungsmittel) und man damit die längsten Erfahrungen hatte (Beginn der Zulassungsstudien 1988).

(Außerdem bin ich eine schwäbische Patriotin, und nehme Betaferon auch deswegen gerne, weil es in Biberach hergestellt wird, und daher keine weiten Versand- und Transportwege zurückzulegen hat.)

Auf keinen Fall wollte ich Avonex, da es nur einmal in der Woche gespritzt wird, und man deshalb für einen Tag in der Woche ausfällt. Außerdem müssen viele Anwender von Avonex zu den Spritzen Schmerz- und Fiebermittel einnehmen, und das kann doch nicht der Sinn der Sache sein, wenn man Medikamente nehmen muss, um ein Medikament nehmen zu können.

Außerdem rechnete ich damit, dass ich schon SPMS hatte, und dafür war Betaferon zugelassen. Ich wollte nicht wechseln und spritze es immer noch. Zwei Tage nach der Diagnose habe ich mir die erste Spritze gesetzt.

In einer Spritzpause 2007 hatte ich einen heftigen Schub, der mir eine Läsion in der BWS und den Rollstuhl einbrachte und mich zwang, das Autofahren aufzugeben. Seither habe ich es ununterbrochen gespritzt, und meine MS ist stabil.

Ich lasse regelmäßig (vierteljährlich) beim Hausarzt Leber- und Nierenwerte kontrollieren und bis jetzt ist alles in Ordnung. Die Transaminasenwerte sind asymptomatisch erhöht, aber das ist normal, wenn man so viele Medikamente nehmen muss wie ich (ich habe noch ein paar andere Baustellen).

Anfänglich habe ich mit der Injektionshilfe gespritzt, die es gratis dazu gibt; seit ich das Ding ausrangiert habe, und nur noch schön langsam von Hand injiziere, bekomme ich auch nur noch selten Hautrötungen.

Ein paar Jahre, nachdem ich angefangen hatte, kam Extavia von Novartis auf den Markt, das ist stofflich identisch mit Betaferon, hat aber wohl etwas weniger aufwendiges Zubehör und ist darum billiger. Wenn meine Kasse verlangte, dass ich auf Extavia umsteige, hätte ich kein Problem damit.

Ich beneide dich um deinen Beruf, denn Kindern Musik nahezubringen, ist wohl etwas vom Schönsten, was man machen kann!!! Mein Hausarzt ist selber Holzbläser (Oboeninstrumente, vorzugsweise Barockmusik) und hat seine drei Töchter auch zu Holzbläserinnen gemacht. Sie haben schon mehrere Wettbewerbe gewonnen. Ihre Mama ist Organistin in der örtlichen Kirche.

Seriöse Prognosen, wie eine MS verlaufen wird, gibt es nicht (nur unseriöse). Nur eins ist sicher: Die MS ist immer für eine Überraschung gut - im negativen, aber auch im positiven Sinne! Eine behindertengerechte Wohnung zu suchen, und, wenn möglich, das nächste Auto mit Automatik zu kaufen, ist sicher kein Fehler.

Ich habe mir 1994, zehn Jahre bevor die MS mich zur Schwerbehinderten machte, eine ziemlich behindertengerechte Wohnung gesucht, mit Aufzug. Damals war ich 40, und die meisten haben mir deswegen den Vogel gezeigt. Heute kann ich mich deswegen glücklich schätzen!

Welches Instrument unterrichtest du denn?

Liebe Grüße
Renate

Liebe Renate,
vielen Dank für deine ausführliche Antwort!
Sowas wie du es bescheibst mit dem Betainterferon wäre glaube ich am ehesten passend für mich - wenn es denn schon sein muss mit Medikamenten. Es ist auch gut zu wissen, dass das schon so lang erprobt und auf dem Markt ist.
Mein Job ist wirklich ein Traumjob, aber ich verdiene jetzt wo mein Sohn so klein ist und ich nur halb arbeiten kann so wenig, dass ich noch Zuschüsse vom Amt brauche. Deswegen ist es ziemlich drastisch wenn ich krank bin und arbeitsmäßig ausfalle. Mit Wohnungssuche ist das so schon schwer genug. Ich suche schon seit zwei Jahren und finde einfach nichts bezahlbares was nur 10 qm größer ist und ein Zimmer mehr hat. Wenn das jetzt auch noch Behindertengerecht sein soll weiß ich garnicht wie ich das angehen soll. Ein Auto habe ich nicht (habe zwar Führerschein aber kann nicht fahren und könnte mir auch keines leisten).
Ich habe so ein holländisches Kastenfahrrad auf drei Rädern - das ist wenigstens schonmal insofern Behindertengerechter, als das es nicht umkippen kann falls ich mal wackelig auf den Beinen werde, aber es wiegt unbeladen 80kg und es ist schon mit Anstrengung verbunden es in Bewegung zu setzen.
Ich kann ohne Auto auch nicht zu weit wegziehen, weil mit meiner Arbeit sehr viele Wege verbunden sind und ich immer dabei auch riesen Mengen an Materialien und Instrumente durch die Gegend karre. Das ist zu Fuß und mit dem Kastenfahrrad nur deshalb machbar, weil es sich alles mehr oder weniger in einem 1 bis 2 km Radius abspielt.
Ich mache schwerpunktmäßig die Kinder-Gruppen und habe nebenbei zurzeit eine Ukulelenschülerin, letztes Jahr auch noch einen Gitarrenschüler der dann wegzog wegen Arbeit und früher habe ich auch Geigenunterricht gegeben. Ich habe bereits mit Weiterbildungen für Blockflöten-Anfangsunterricht angefangen und wollte eigentlich eine Senioren-Blockflötengruppe aufbauen in diesem Jahr noch.
Aber ich weiß garnicht ob ich das schaffe mich dieses Jahr beruflich weiterzuentwickeln, wenn ich mich jetzt den Themen Wohnung und Medikamenten auseinandersetzten muss.
Lieben, lieben Dank nochmal für deine schnelle Antwort. Und sorry für die Tippfehler - ich bin ja noch im Krankenhaus und kann hier nur ins Smartphone tippen mit dem Touchscreen.

Liebe Grüße Melanie

Hallo liebe Melanie,

ich wünsche dir und deinem Sohn ganz viel Kraft und Glück, um alles so hinzukriegen, wie du es dir für euch wünschst.

Liebe Grüße
Luisa

Na herzlichen Glückwunsch. Gut, ich erspare mir und vor allem Dir jetzt alle Mitleidsbekundungen, sondern komme mit den - denke ich - viel wichtigeren Nutzinformationen:

  • Erschreckend finde ich erst mal, dass sie Dich seit drie(!) Monaten mit opticus neuritis umherlaufen lassen, ohne Dich gescheit zu therapieren? Oder ist es TROTZ 1000mg Kortison intravenös pro Tag nicht besser geworden?
  • Ich habe MS seit 9 Jahren (m, bin jetzt 39) und spritze seitdem Copaxone. KEINE(!) Nebenwirkungen, außer ein paar Quaddeln - aber das ist denke ich ok. Wärmstens zu empfehlen. Betaferon… das ist derart 19. Jahrhundert. Zu viele Nebenwirkungen. Zu viel Provision für verschreibende Ärzte.
  • Nebst der Basistherapie empfehle ich Dir dringend, mit Vitamin D3 zu ergänzen. Mindestens 10.000 Einheiten pro Tag. Weil die Pharmalobby etwas dagegen hat, erhält man das nur über Umwege (Amazon UK, US etc.). WIRKT WUNDER!!
  • Ich hoffe, Du hast eine BU-Versicherung?

Viele Grüße
Christian

Die Sehstörung hat sich seit dem Cortison leider nur unwesentlich verringert. Ich vermute, dass die Behandlung nach drei Monaten einfach zu spät kam und das Auge nun so bleibt.
Eine Berufsunfähigkeits-Versicherung habe ich leider nicht. Habe aber gestern die Anmeldung zur freiwilligen gezetzlichen Rentenversicherung abgeschickt, damit ich im Falle des Falles wenigsten nicht zum Sozialhilfe-Fall werde und Anspruch auf Erwerbsminderungs- oder -Unfähigkeitsrente plus ergänzende Grundsicherung habe.
LG
Melanie